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von Gérard Siegwalt |
Unsere spirituelle Aufgabe in der heutigen Welt Eine Weise, das gestellte Thema anzugehen, soll hier ins Blickfeld kommen: der geistliche Kampf als Kampf um die Unterscheidung der Geister. Dies soll im ersten Teil erläutert werden. In einem zweiten Teil wollen wir das Thema in die uns vorgegebene Wirklichkeit hineinstellen und unsere Ohnmacht und deren Sinn bedenken. In einem letzten Teil wollen wir dann über die sich öffnenden Möglichkeiten des geistlichen Kampfes als Kampf um die Unterscheidung der Geister nachdenken. Es können hier nur einige kurze Hinweise gegeben werden, die die Aufgabe haben, dies so formulierte Thema uns nach einigen wesentlichen Aspekten als biblisches Thema vor Augen zu stellen. Die biblischen Aussagen, die hier zu bedenken wären, gehen bei weitem über das diesem Beitrag gesteckte Maß hinaus. Wir können hier nur eine Schneise öffnen, uns anregen lassen zu weiterem Nachdenken, uns auf den Weg des lebendigen und lebenspendenden Odems, des Geistes Gottes, und so des von Ihm in uns entfachten eigenen kreativen Seins stellen. Zunächst ein Hinweis auf den Kampf Michaels und seiner Engel wider den Drachen (nach Offbg 12). Wir wissen um die geläufige Deutung des hier in Form eines Mythos erzählten Geschehens (man kann auch anders als in dieser Form darüber reden, aber dieselbe ist die eigentliche Urform, sie ist die „Muttersprache” eines Geschehens, wie es hier gemeint ist). Der Sturz des großen Drachen, der alten Schlange, die da heißt Teufel und Satan, wird verstanden als ein Abtun, als ein Verwerfen, als ein Vernichtetwerden des Drachen. Das ist nun gewiß eine zunächst einleuchtende Deutung, aber vielleicht auch eine etwas pauschale, vorschnelle. Es ist hier genauer hinzusehen. Ist mit der angegebenen Deutung alles gesagt? Ist schon mit dem Tod des Todes, mit dem Sieg über den Teufel und die Sünde durch das Kreuz Christi, welcher Sieg ja durch den Kampf Michaels in der unsichtbaren Dimension der Schöpfung ausgeführt, verwirklicht wird, sind denn Sünde, Tod und Teufel tatsächlich abgetan, oder sind sie „nur” überwunden? Aber was heißt hier „nur”, was heißt „überwinden” im Unterschied zu abtun, „fertigmachen”, töten? Von der unsichtbaren Schöpfung spricht schon die erste Schöpfungsgeschichte, wenn sie als erstes Schöpfungswerk Gottes die Erschaffung des Lichts nennt. Damit ist sicher nicht das Licht von Sonne und Mond und der Gestirne des Himmels gemeint, deren Erschaffung das Werk des vierten Schöpfungstages ist, sondern ein gleichsam der sichtbaren Schöpfung vorausgehendes, aber eben auch geschaffenes Licht. Es ist ein himmlisches, aber als solches doch geschaffenes, in keiner Weise mit dem göttlichen Licht selbst zu verwechselndes Licht. Von diesem so verstandenen himmlischen Licht gilt, daß es nicht außerhalb der irdischen Schöpfung steht, sondern dieselbe als deren himmlische und damit unsichtbare Dimension durchdringt, wenn anders Himmel und Erde, von Gott geschaffen, wesentlich (durch das „und”) miteinander verbunden sind, weshalb es denn auch angemessen ist, von der sichtbaren und der unsichtbaren Dimension der e i n e n Schöpfung Gottes zu reden. Der Drache, die Schlange, eine sozusagen physische und metaphysische, sichtbare und unsichtbare, irdische und himmlische Wirklichkeit! Aber eine wenn auch wie die ganze Schöpfung als gut erschaffene oder - wie man's auch verstehen kann, wenn man die erste Schöpfungsgeschichte nicht allein rückwärtsblickend, also protologisch, sondern vorwärtsblickend, eschatologisch versteht - auf die Güte hin geschaffene, so doch in ihrer jetzigen Gegebenheit nicht gute, sondern jedenfalls ambivalente Wirklichkeit. Von dieser Wirklichkeit als einer vielgestaltigen, alle sonstige Wirklichkeit mitbestimmenden, spricht auch Paulus, sprechen die paulinischen Schriften, wenn dort von den Thronen und Herrschaften und Reichen und Gewalten die Rede ist. Davon steht im Kolosserbrief die doppelte Aussage, die sonst vorkommende Aussagen bestätigt und zusammenfaßt: einmal die gemachte, wonach im ewigen Gottessohn „alles geschaffen ist, was im Himmel und auf Erden ist, das Sichtbare und das Unsichtbare, es seien Throne oder Herrschaften oder Reiche oder Gewalten; alles ist durch ihn und zu ihm geschaffen”; und dann die im 2. Kapitel (8 ff.) gemachte Aussage, nach welcher Gott die gut oder für die Güte geschaffenen, aber offensichtlich nicht jetzt gut seienden Reiche und Gewalten seiner Herrschaft unterstellt hat: „Er hat die Reiche und die Gewalten ihrer Macht entkleidet und sie öffentlich zur Schau gestellt und hat einen Triumph aus ihnen gemacht in Christus”. Fragen wir da mal genauer, ja existenzbezogener, wo uns denn solche Mächte erscheinen, die sich in dieser Weise als ambivalent erzeigen? Also geschaffene Mächte, der Schöpfung angehörende Wirklichkeiten, die aber nicht beschränkt werden können auf ihre sichtbare Gegebenheit und die nicht nur zweidimensional im Sinn von sichtbar und unsichtbar, sondern auch in anderer Weise doppelbödig, doppeldeutig sind, nämlich derart, daß sie kreativ und destruktiv zugleich, engelisch heilsam und dämonisch zersetzend sind. Benennen wir solche Mächte! Sie sind immer zugleich persönlich und sozial, individuell und kollektiv, natürlich und geschichtlich; sie sind am Werk in allen Bereichen der Wirklichkeit. Um nur einige aufzuzählen: Eros, welch köstliche, welch furchtbare Macht! Mammon, welch nützliche, welch verderbliche Macht! Identität, Selbständigkeit, Selbstbehauptung, Durchsetzungsvermögen, Freiheit, wie sind sie zum Leben notwendig, wie sind sie dem Leben feind! Wirtschaft, Ordnung, Staat, welche Weisen der praktischen Vernunft, welche Fanatiker der Unvernunft! Wissenschaft, Kunst, Literatur, Kultur, welche Gewalt der Erkenntnis, errichtet auf welchen Friedhöfen der Unkenntnis! Religion, Glaube, Amt, Lehre, Dienst der Liebe, Gebet, Gemeinschaft (auch sie sind ja der Wirklichkeit dieser Welt nicht enthoben, wenn sie auch nicht in ihr ihr erstes und letztes Gesetz haben), welche gnädigen Gaben der steten Erneuerung, welche Karikatur, welcher Tümpel von Verkrampfung, Verdrängung und Neurosen! Nichts ist ausgenommen von der Ambivalenz, auch das nicht, was nicht von dieser Welt ist, sofern es eben doch in dieser Welt ist. So ist der Aussage vom „Im-Argen-sein” dieser Welt gegenübergestellt die Aussage von den guten Gaben dieser Welt, wie sie sich etwa auch in der Apokalypse findet. Dort wird (21, 24.26) von den Völkern - den Heidenvölkern! - gesagt, daß „die Könige (dieser Völker) ihre Herrlichkeit in sie (die himmlische Gottesstadt) bringen werden”. „Man wird die Pracht und die Herrlichkeit der Völker in sie bringen. Es gibt also „positive Werte” in dieser vom Argen gezeichneten Welt, die die Verheißung haben, in das himmlische Jerusalem eingeerntet zu werden! Diese positiven Werte gilt es zu scheiden vom Argen. Das ist ja mit der im Brief an die Epheser (1, 10) gemachten Aussage gemeint, wo von Christus gesagt wird, daß Gott in ihm alle Dinge zusammenfaßt, wörtlich übersetzt: rekapituliert. In recapitulatio ist caput = Haupt. Rekapitulieren heißt: auf Christus hinordnen, so daß er das Haupt des so Rekapitulierten wird. Die Rekapitulation umfaßt einen dreifachen Akt, den man mit dem Hegel'sehen Wort „Aufhebung” umschreiben kann. Dasselbe hat bei Hegel eine dreifache Bedeutung: 1. Aufhebung als negatio = Verwerfung, 2. Aufhebung als confirmatio = Bestätigung, 3. Aufhebung als sublimatio = Vollendung. Das ist ja auch die dreifache Beziehung zwischen Evangelium und Gesetz: 1. Das Evangelium hebt das Gesetz auf, verwirft es, und zwar nach seinem falschen, legalistischen Verständnis; 2. Das Evangelium bestätigt das Gesetz, nach seinem wahren, evangelischen Sinn, verstanden als Wegweisung, Weisung auf dem Weg des Heils; 3. Das Evangelium (oder Christus) erfüllt das Gesetz, ist seine Erfüllung. Der Kampf Michaels ist ein Unterscheiden der Geister, und damit ein Scheiden. Nicht ein Vernichten, jedenfalls nicht nur ein Vernichten. Eros, Mammon, Staat, Kultur, auch (im genannten Sinn) Religion sollen und können nicht ausgemerzt werden; sie sind tragender Grund dieser Welt; sie sind sozusagen das Energiereservoir alles Kreativen, alles Konstruktiven. Aber die hier gespeicherte Energie hat ihre Norm nicht in sich selbst, weshalb sie denn auch, wo sie nicht ihrem Schöpfer, Erlöser und Vollender unterstellt ist, immer wieder ausartet und, statt zu bauen, zerstört. Der Kampf Michaels ist, als Kampf um die Unterscheidung der Geister, um ihre Scheidung, ein Kampf der Entscheidung! Der geistliche Kampf besteht in der Unterscheidung, in der Scheidung, in der Entscheidung. Der geistliche Kampf ist der Kampf Christi in der Kirche und durch die Kirche, in der Bruderschaft und durch die Bruderschaft, im einzelnen Bruder und durch den einzelnen Bruder; er ist der Kampf der rekapitulatio, der als Kampf der Aufhebung im genannten dreifachen Sinn des Wortes Kampf der Unterscheidung, der Scheidung und der Entscheidung ist. Paulus erwähnt (1 Kor 12, 10) unter den Geistesgaben, den sogenannten Charismen, auch die Gabe der Unterscheidung der Geister (διακρισις πνευματων). Diese hier als besondere Gabe angeführte, die also einzelne Glieder der Gemeinde auszeichnet, ist zugleich Gabe der gesamten Gemeinde: „Propheten lasset reden zwei oder drei, und die andern lasset die Rede prüfen”. Das hier (1 Kor 14, 29) gebrauchte Verbum ist διακρινειν, wörtlich: unterscheiden. Das Verbum „prüfen” ist durchaus zutreffend; die mit dem Verbum „unterscheiden” (διακρινειν) verbundene Aussage findet sich im Neuen Testament auch unter dem Verbum „prüfen” (δοκιμαζειν), siehe 1 Thess 5, (19-) 21: „(Den Geist dämpfet nicht. Prophetien verachtet nicht.) Prüfet aber alles, und das Gute behaltet”. Ganz ähnlich 1 Joh 4, 1: „Ihr Lieben, glaubet nicht einem jeglichen Geist, sondern prüfet die Geister, ob sie von Gott sind, denn es sind viele falsche Propheten ausgegangen in die Welt.” Wir sollen prüfen, so wie und weil Gott zuerst und zuletzt prüft, und zwar auf Herz und Nieren, siehe 1 Kor 3, 12f.: „Eines jeglichen Werk wird offenbar werden; der Tag wird's klar machen. Denn mit Feuer wird er (der Tag des Gerichts) sich offenbaren, und welcherlei eines jeglichen Werk sei, wird das Feuer bewähren” (wörtlich: prüfen). In diesem Zusammenhang ist ein weiterer Blick auf das Verbum „unterscheiden” (διακρινειν) interessant und von Belang. Folgende Zusammenhänge tun sich uns da auf: Einmal der Zusammenhang zwischen unterscheiden (διακρινειν) und richten (κρινειν). Gewiß sollen wir nicht richten (Mt 7, 1), weil Gott der Richter ist und wir alle unter s e i n e m Gericht stehen; aber wir sollen doch ebenso gewiß prüfen, unterscheiden, um urteilen und entscheiden zu können. Die Unterscheidung der Geister ist, zusammen mit Glaube, Liebe, Hoffnung, die den Christen kennzeichnende Gabe und die ihm damit gestellte Aufgabe, sofern der Christ durch Glaube, Liebe, Hoffnung eben in eine (dia-)kritische Distanz zur Welt versetzt wird, nicht als ob er der Welt entnommen oder über sie erhaben sei, sondern weil er in ihr als vom kommenden Gottesreich bestimmt zu leben befähigt und berufen ist. Diese Befähigung und Berufung schließt aber die Unterscheidung der Geister ein, die Aufgabe, sie von und auf Christus hin zu sehen und somit sie - die Welt - zu rekapitulieren, sie auf ihr Haupt, auf Christus hinzuordnen. Die Unterscheidung der Geister hat als Ziel nicht das Richten, sondern das Rechtwerden, das Rechtmachen, die Rechtfertigung der Welt! Also doch Streit, aber mit geistlichen Waffen! Streit zum Zweck der Erbauung, mittels Unterstellung aller unter den Gehorsam Christi! Wenn uns die irrige Meinung kommen sollte, daß dies durch Zwang geschehen kann, wie leider so manches in der Geschichte der Kirche bis auf heute (und solche Tendenz ist ja auch in mir selber angelegt!), dann erinnern wir uns nur an den Satz „Lasset uns wahrhaftig sein in der Liebe!” (Eph 4, 15). In die Regel der Michaelsbruderschaft ist er so eingegangen: „Wir wagen es, uns in Liebe die Wahrheit zu sagen.” Denn es geht ja bei solchem Streit um ein Kämpfen Christi in uns, mit uns, durch uns, und solches Kämpfen ist nur da wirklich und wahr, wo ihm die Dimension der Stille, des Hörens, des Betens, des Glaubens, des Liebens, des Hoffens eignet, und dies bei allem Reden und Tun! Dem Zweifler fehlt die Ausrichtung auf das Haupt, auf Christus; er sieht nur sich selbst und die Welt und verliert dabei die Richtung, den Norden, wenn man's mit dem Bild des Magneten ausdrücken kann, der sein Wesen darin hat, ausgerichtet zu sein, auf einen Pol bezogen zu sein. Den Zweifler können wir nicht selbst überwinden, aber er wird dann überwunden, wo uns die Gnade des Auf- u n s -Ausgerichtetseins Christi zuteil wird, wo in dem Meereswogen der Felsen erscheint, der alles ordnet, oder wo die in den Abgrund ziehenden Wasser in, mit und unter ihrer Todesmacht die neugebärenden Wasser werden, die tötenden und neubelebenden Wasser der Taufe! Dann wird aus dem Unentschieden des Zweifelns, aus dem Ungeschieden das Unterscheiden und somit das Scheiden und das Entscheiden, das - konstruktiv - das Ziel alles Zweifelns ist. Damit genug der biblischen Hinweise. Noch viel hätte erörtert werden können und sollen. Wir hätten reden müssen von Jesus und dem Dämonischen, und wie es bei dessen Austreibung um eine Unterscheidung, um eine Scheidung, um eine Entscheidung, von Jesus vollmächtig vollzogen, geht. Wir hätten handeln müssen von der Unterscheidung zwischen wahrer und falscher Prophetie und Lehre, wie sie im Neuen Testament - und schon im Alten - immer wieder thematisiert wird, und von Ähnlichem mehr. Unser geistlicher Kampf als Kampf um die Unterscheidung der Geister! Unser geistlicher Kampf im Anschluß an Michael, der in der unsichtbaren Dimension der Schöpfung die Überwindung des Todes, des Teufels und der Sünde durch Christus ausführt, so wie die Kirche und wir als Bruderschaft und jeder einzelne Bruder diesen Sieg Christi, im Rücken gedeckt durch Michael, in der sichtbaren Dimension der Schöpfung auszuführen berufen sind . . . „. . . Über des Himmels Aussehen könnt ihr urteilen (διακρινειν), könnt ihr dann nicht auch über die Zeichen der Zeit urteilen? Dieses böse und abtrünnige Geschlecht sucht ein Zeichen, und es soll ihm kein Zeichen gegeben werden denn das Zeichen des Jona.” Wir sprachen vom geistlichen Kampf als Kampf um die Unterscheidung der Geister. Und nun dieses Jesuswort: „Es soll kein Zeichen gegeben werden denn das Zeichen des Jona”! also: das Zeichen des Sterbenmüssens! Aber auch des Auferstehens, durch das Sterben hindurch! Unter diesem Zeichen steht die Kirche von Anfang an. Aber in den Zeiten des „Triumphalismus” war das nicht immer deutlich. Heute, zumal in unseren europäischen Ländern, vom Atlantik bis zum Ural, ist das, in gewiß je nach Land und Lage verschiedener Weise, wohl unbestreitbar. Unbestreitbar ist, aufs Ganze gesehen, die Ohnmacht, die geistliche Ohnmacht der Kirche, auch der Michaelsbruderschaft, auch des einzelnen Bruders im Weltenmeer. Wir sitzen ja wohl auf dem absterbenden Ast der Geschichte. Wir sind offensichtlich dabei, vom Weltenmeer verschlungen zu werden. Wir wollen uns dieser Lage stellen, wollen ihr (dia)kritisch ins Auge blicken. Könnte unter der Maske des Augenscheins, der uns vor Angst erstarren läßt, der uns anficht als eine tödliche Macht, könnte darunter ein Gesicht sich verbergen - und enthüllen -, das Gesicht des durch Tod zur Auferstehung durchdringenden Herrn Jesus des Christus! Ohnmacht! Das über die Unterscheidung der Geister gesagte: schön und gut! Aber was bedeutet das, was hat das für eine Wirkkraft angesichts der Gewalt, angesichts der Herrschaft des triumphierenden Geistes dieser Weltenzeit? Wir können nun durch die so gestellte Frage etwas hindurchhören, wovon wir uns distanzieren - kritisch distanzieren - müssen. Nämlich dies, daß n a c h dieser Weltenzeit eine andere kommen wird, die die Dinge auf ganz andere Füße stellen wird. Die Hoffnung auf einen neuen Himmel und eine neue Erde ist nun gewiß d i e christliche Hoffnung. Aber nicht als Revanche, nicht aus dem Ressentiment geboren! Diese christliche Hoffnung - als Hoffnung auf einen neuen Himmel und eine neue Erde! - gibt es nicht gegen diese Weltenzeit, sondern nur in, mit und unter dieser Weltenzeit, durch sie hindurch und (nur) so über sie hinaus, nur so also daß sie in, mit und unter dieser Weltenzeit uns als lebendige Hoffnung (für diese Welt und über sie hinaus!) gegeben wird, nur so also, daß wir die mit dieser Weltenzeit gegebene Ohnmacht auf uns nehmen, sie durchleiden und uns dadurch neu gebären lassen. Es steht ein Gesetz über allem Leben, auch über dem menschlichen Leben, das Gesetz des Stirb und Werde. Luther redet davon im Kleinen Katechismus, wenn er vom täglichen Ersäuftwerden des alten Adam und vom täglichen Auferstehen des neuen Menschen spricht. Nach der Offenbarung des Johannes (13,8, übersetzt nach dem Urtext) ist dies Gesetz Gott selbst im Sohn, oder, wie es da heißt, im Lamm: „. . . das Lamm, das erwürget ist vom Anfang der Welt”. In dem, den Johannes der Täufer als das Gotteslamm bezeichnet, das der Welt Sünde trägt, tritt dies von Anfang an in ebenso latenter als universaler Weise leidende Gotteslamm in Erscheinung in einer geschichtlichen Person, in Jesus von Nazareth, wird Fleisch in ihm. Das Kreuz auf Golgatha rekapituliert ein für allemal das latente und universale Leiden des Gotteslammes, und das heißt auch das Leiden, das da andauert - wie Pascal sagt - bis ans Ende der Welt, solange die Sünde der Menschen andauert. Das Kreuz von Golgatha ist - in der Sprache Hegels - das konkrete Universale: hier wird das universale Leiden des ewigen Gottessohns konkret, in einer geschichtlichen Existenz. Wo in unserem Leben Sterben geschieht, wo wir diesem Sterben nicht entfliehen, sondern es geschehen lassen, es durchleiden - bei aller therapeutischen, auch seelsorgerlichen Begleitung! -, da will Christi Sterben in uns Frucht bringen, da bringt es in uns Frucht, da gibt Er uns teil an seinem Sterben, da haben wir teil daran. Und da gibt er uns auch teil an seinem Auferstehen, da läßt er uns neu geboren werden durch das Sterben hindurch, da geschieht Taufe in unserm Leben, wird unsere Taufe wahr und wirklich in der ganzen Dauer unseres Lebens. Unsere geistliche Ohnmacht im Weltenmeer als Gebärmutter zum geistlichen Kampf! „Es soll ihm kein Zeichen gegeben werden denn das Zeichen des Jona”! Hören wir nicht nur das Gesetz, sondern auch, durch das Gesetz hindurch, das Evangelium, die Verheißung dieses Wortes an uns? Berufen zum Neugeborenwerden, durch a l l e s Sterben hindurch! geborenen Möglichkeiten des geistlichen Kampfes Wir sprechen von geborenen Möglichkeiten, also von gegebenen, nicht gemachten. Ich kenne sie nicht von vornherein. Ich kann sie mir nur zeigen lassen, eben durch die Ohnmacht hindurch. Die Möglichkeiten, die um die Ohnmacht herum gehen wollen, sind gemachte, nicht geborene; sie sind Trug und Lüge. Es geht bei den kleinen Schritten darum, Inseln zu schaffen. Lufträume, in denen geatmet wird in einer luftarmen und bedrängenden Welt. Inseln inmitten dieser Welt! Räume der Freiheit, der Relationalität, der zwischenmenschlichen Beziehung, der Beziehung zur Schöpfung und der Beziehung zu Gott. Alle diese Beziehungen bedingen sich untereinander. Räume, Inseln der gratuitas, gratuité, der Gnade. Inseln, für nichts, im Verständnis der Welt „für die Katz”, Inseln des reinen Luxus (das ist Gnade!), des „Festlichen”, des Sich-Schenkens und Sich-Beschenkenlassens, Inseln, wo „umsonst” (geschenkweise, δωρεαν, sagt Paulus Rom 3, 24) das Gesetz - das Evangelium! -ist. Die Kirche, die Bruderschaft, der einzelne Bruder, ein Luxus, den Gott sich leistet! Umsonst, „für die Katz”, für nichts! Die Kirche, die Bruderschaft, der einzelne Bruder, Inseln solcher gratuitas! Da, in dieser Ohnmacht, da, in der als Gnade erkannten Ohnmacht, da, in den Möglichkeiten, die in der als Gnade erkannten Ohnmacht geboten werden, da wird Kirche gebaut, da geschieht Bruderschaft, da wird der einzelne Bruder - gnädig, zu seinem eigenen Erstaunen und ihn mit Freude erfüllend und zu Lob stimmend - in Dienst genommen. Die Unterscheidung der Geister besteht darin, solche Inseln, solche Räume zu erkennen, festzuhalten, auszunutzen, zu erobern. In der Kirche, in der Bruderschaft, im einzelnen Bruder. Mit der Kirche, mit der Bruderschaft, mit dem einzelnen Bruder. Durch die Kirche, durch die Bruderschaft, durch den einzelnen Bruder. Von Christus her. Durch ihn. Da wo er sich uns gibt und wo er sich durch uns weitergibt. In Gebet und Gemeinschaft, in Wort und Sakrament, in Liebe und Zeugnis. Also: in Koinonia, in Leiturgia, Diakonia und Martyria. Unser geistlicher Kampf heute. Wie geht es weiter damit? Antwort:
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