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Edith Stein und der Berliner Karmel
von Jürgen Boeckh

LeerDas Karmelitinnen-Kloster in Berlin-Charlottenburg neben der Kirche Maria Regina Martyrum ist in den wenigen Jahren seines Bestehens bereits zu einer Stätte ökumenischer Begegnungen geworden. Zum zweiten Mal fand dort in der Gebetswoche für die Einheit der Christen das Treffen evangelischer und katholischer geistlicher Gemeinschaften statt, und zum vierten Mal wurde in Verbindung mit den Schwestern, abwechselnd in Regina Martyrum und in einer der benachbarten evangelischen Kirchen, der Ökumenische Märtyrergedenktag am 23. Januar begangen. Zur evangelischen Nachbargemeinde bestehen gute Beziehungen. Konfirmanden und andere Jugendliche sind mit Gerhard Fischer schon zu Freizeiten im Gästehaus des Klosters gewesen.

LeerAls bei meinen Konfirmanden der Wunsch geäußert wurde, einmal ein Kloster zu besichtigen, sind wir an einem Nachmittag in der Gebetswoche zu einem informatorischen Gespräch von der Gästeschwester empfangen worden und haben anschließend an der Vesper teilgenommen. Es fiel ihnen dort in der Krypta, hineingenommen in eine betende Gemeinschaft, offenbar leichter, „dabei” zu sein, als wenn sie, meist als einzelne, zum Gemeindegottesdienst kommen. Das gilt natürlich ebenso für die Einkehr in Häusern evangelischer geistlicher Gemeinschaften, wie etwa Kloster Kirchberg, nur daß es davon eben nicht sehr viele gibt. Unsere Konfirmanden wissen nun wenigstens, daß Klöster nicht nur eine Sache des Mittelalters waren, sondern auch heute lebendige Wirklichkeit sind.

LeerZum Osterfest erhielt ich vom Karmel Regina Martyrum, unterzeichnet von Schwester Gemma, einen Brief, der an die Freunde des Karmel gerichtet ist. Die Priorin geht in diesem Brief zunächst auf die Seligsprechung ihrer Mitschwester Edith Stein ein, die nun, da dieses Heft in Ihre Hände kommt, geschehen ist. Nach einem Hinweis auf einen Vortrag und einen Festgottesdienst, in dem die neue Selige geehrt werden soll „und in ihr die Millionen Opfer, die den gleichen Weg wie sie im ungebrochenen Glauben an den Gott ihrer Väter gegangen sind”, heißt es weiter:

Leer„Es hat sich eigenartig gefügt, daß gerade in diesem Jahr aus Anlaß des Weltgebetstages der Frauen christliche und jüdische Frauen zum ersten Mal in unserer Kirche zum Gebet zusammenkamen. Sicher hat Edith Stein durch ihre Fürbitte geholfen, daß diese christlich-jüdische Gebetsstunde trotz anfänglicher Schwierigkeiten möglich wurde. Schon die Vorbesprechungen zwischen jüdischen Frauen, der katholischen Initiatorin und uns Schwestern waren eine kostbare Schule der Verständigung: Wie können Juden und Christen gemeinsam beten? Texte des Alten Testamentes gewannen für uns Christen eine neue Dichte und Lebendigkeit durch die Art, wie jüdische Frauen damit leben.”

Leer„Am Weltgebetstag, wie immer der erste Freitag im März, wurde unsere Gebetsstunde mit Rücksicht auf den beginnenden Sabbath schon auf 16 Uhr gelegt. Trotz der wenig günstigen Zeit kamen so viele Menschen, daß die Krypta - unser Gebetsraum und die angrenzende Grabstätte mit der Pietà - sie kaum fassen konnte. Beeindruckend war die Lesung des Gebetes der Hannah im 1. Buch Samuel, die zwei jüdische Frauen in deutsch und hebräisch vortrugen. Vor dem Hintergrund der Wunden der Vergangenheit, die im Predigtwort einer evangelischen Pfarrerin und in unseren Fürbitten angesprochen wurden, war die Gemeinsamkeit des Gebetes ein großes Geschenk. Zum Abschluß sang ein jüdisches Mädchen ein hebräisches Lied, begleitet von einem hervorragenden Gitarristen aus dem charismatischen Gebetskreis; er trug durch seine einfühlsamen Improvisationen sehr zur Atmosphäre der Sammlung bei. Auf Wunsch gerade der jüdischen Teilnehmer soll diese gemeinsame Gebetsstunde am Weltgebetstag der Frauen eine feste Tradition werden ...”

LeerDem Brief von Schwester Gemma Hinricher lag der Manuskript-Text einer Sendung bei, die am 5. April im Deutschlandfunk zu hören war: „Edith Stein - ein Lebensbild”. Gegen Zusendung von DM 2,- in Briefmarken kann dieser Text von der Redaktion angefordert werden.

Quatember 1987, S. 126-127

© Joachim Januschek
Letzte Änderung: 12-11-15
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