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Treffen geistlicher Gemeinschaften in Selbitz/Unterfranken
von Waltraut von Lamezan

LeerEtwa 45 verschiedene Gemeinschaften waren vertreten. Die meisten evangelisch, aber auch aus etlichen katholischen Orden waren Abgesandte gekommen. Es war eine große Vielfalt in jeglicher Beziehung: Vertreter ganz kleiner Gemeinschaften mit je nur wenigen Gliedern von vier bis zwölf, über solche mit 50 bis 100 Gliedern bis zu ganz großen mit 500, 1000 und mehr Angehörigen. Gemeinschaften in den verschiedenartigsten Formen: pietistische Gruppen mit einer stark ausgeprägten Jesus-Frömmigkeit und Gemeinschaften, deren geistliches Leben mehr dem in Michaelsbruderschaft und Berneuchener Dienst entspricht; solche, die nur aus Frauen oder nur aus Männern bestehen, und solche, in denen Männer und Frauen zusammenleben. Die einen leben nach den evangelischen Räten (Ehelosigkeit, Gütergemeinschaft, Gehorsam), bei anderen kann man auch verheiratet sein und eigenes Einkommen haben.

LeerIn die Stundengebete waren vor allem beim Abendgebet freie Fürbitten eingeschlossen, jeweils unter einem vorher angegebenen übergeordnetem Thema. Einmal wurde das Abendmahl nach evangelisch-lutherischer Ordnung gefeiert, einmal in Form der anglikanischen Messe.

LeerAn jedem Tag wurde in irgendeiner Weise unseres verehrten Kirchenrates Dr. Mumm gedacht, auf dessen Betreiben ja vor zehn Jahren diese Treffen begannen. Die ersten fanden in Kirchberg statt, das letzte auf dem Schwanberg (Communität Casteller Ring) und dies jetzt eben bei der Christusbruderschaft in Selbitz.

LeerDas Thema der Tagung lautete „Kommunitäres Leben aus der Taufe, in der Kirche, für die Welt”. Die einleitende biblische Besinnung hielt Bischof D. Helmut Claß, Stuttgart, zu dem Text Lukas 9,51-57. Hieraus ein paar Stichworte: Jesus wollte von Anfang an Kirche. Glaube ja, Kirche nein - das geht nicht! Die Kirche kann am Kreuz nicht vorbeikommen. Dies Kreuz muß freiwillig übernommen werden. Haben wir uns darauf genügend vorbereitet? Aber das Kreuz ist nicht das Ende, der Weg führt dann weiter zur „Aufnahme”, ja zur kleinen Gruppe, zur Zelle, die sich aber von der Gemeinde nicht absondern darf. Wir müssen mitleiden mit dem nicht aufgenommenen Christus. „Haben Sie einen tapferen Glauben, und wagen Sie es, die heutigen Auflösungsprozesse auf Gott hin zu beziehen. Ich werde die Furcht nicht los, daß Jesus Christus dabei ist, die deutschen Lande zu verlassen!”

LeerDie beiden Referate der Tagung standen unter dem Thema „Welche Aufgaben stellen sich den Orden und Communitäten in der heutigen Situation?” Dies wurde vom Blickpunkt der Gemeinschaften selbst von Soeur Minke aus der Communauté de Grandchamp entfaltet und vom Blickpunkt der Kirchen aus gesehen von Prof. Dr. Dr. Theodor Schober. Es ist im Rahmen eines solchen Berichtes nicht möglich, über diese beiden Referate gebührend zu berichten. Ich kann hier nur ein paar unzusammenhängende Gedanken bringen.

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LeerDurch beide Referate zog sich immer wieder die Meinung: Nicht absondern von der „Welt”! Nicht so viel auf die Kirche schimpfen, sondern einstimmen in das Ja Gottes zur Welt und zur Kirche. Soeur Minke betonte die Schwierigkeiten, die sich für die Gemeinschaften ergeben mit dem Übergang von der Gründergeneration zu den nachkommenden Generationen. Wir sollen nicht hängen bleiben an dem, was einmal war, sondern in die Zukunft schauen. Wir sollen die Gründer nicht festlegen auf das, was sie damals gesagt haben, denn sie sind ja von der damaligen Situation geprägt. Prof. Dr. Schober legte u. a. eine lange Liste von Aufgaben vor, die Communitäten und geistliche Gemeinschaften besser übernehmen können als die „Amtskirche”. Einige Beispiele:

LeerDurch Vorleben Hilfen geben, wie unter der Vergebung Gemeinschaft entstehen und bleiben kann.

LeerKonflikte unter Christen beim Namen nennen und sie, in der Bereitschaft zur Umkehr, austragen und geistlich bewältigen. Straft unsere Praxis die Botschaft von der Rechtfertigung des Sünders nicht oft Lügen?

LeerDie Beichte wieder der ganzen Kirche als Angebot bekannter machen; nicht als fromme Pflichtübung, sondern als Not-wendende Hilfe zur täglichen Erneuerung.

LeerFürbitte auch für gefährdete Pfarrer und Bischöfe. Auch für herumgeschlagene Politiker und für Wissenschaftler, die mehr können, als sie dürfen. Auch für die Verantwortlichen in den Medien. Auch für Kriegsverbrecher.

LeerSensibilisierung junger Menschen für verpflichtende Lebensplanung und verbindliche Lebensführung. Mut machen zum Aushalten unter einer Situation, nicht davonlaufen. Mehr Feste feiern. Weil wir Christen viel Grund zur Freude haben. Freude läßt sich mit Festen leichter ausdrücken als mit Lehraussagen! Es muß Leute geben, die auch in der trübsten Zeit, in der dunkelsten Nacht, wenn es aussieht, als ob es immer schwerer würde, in der Erwartung des Reiches Gottes voll Freude und Zuversicht bleiben.

LeerEs war für mich überraschend zu erfahren, wie die Kommunitäten vielfach vor ganz ähnlichen Fragen, Problemen, Schwierigkeiten stehen, wie sie uns im Berneuchener Dienst begegnen.

LeerInsgesamt hat mir dieses Zusammensein einen ganz starken Eindruck gemacht; auch was das Leben und die Arbeit der Schwestern und Brüder der Christus-Bruderschaft betrifft. Ich freue mich heute schon, daß ich - hoffentlich! - in zwei Jahren wieder bei diesem Treffen dabei sein kann.

Quatember 1987, S. 165-167

© Joachim Januschek
Letzte Änderung: 12-11-15
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