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Kinder auf dem Kirchentag
von Edmund Reccius

LeerObwohl bei diesem 22. Kirchentag die Kinder bereits schon regional in der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau ihren Kinderkirchentag hatten, verlief doch das große Treffen in Frankfurt nicht kinderlos.

LeerBei meinem Rundgang durch die vielfältigen Bereiche kirchlichen und öffentlichen Lebens habe ich manches Hoffnungsvolle gesehen, von dem man sich wünschte, daß die dahinterstehende Idee auch in unseren Kirchengemeinden beheimatet sein könnte. Schon gleich im gigantomanisch-sachlichen Torhaus des Messegeländes, das sogar noch durch einen Messeneubau an Höhe übertroffen werden soll, war die Wickelstube für die kleinsten Kirchentagsteilnehmer untergebracht. Welch ein Gegensatz zwischen dem toten Großen und dem Lebendig-Kleinen. Zum schon abklingenden Familientag kam ich, nachdem ich mich den widerstreitenden - und wie es schien - harten und unversöhnlichen Standpunkten in unserer Kirche ausgesetzt hatte, in die Halle 8. Dort waren dann diejenigen, die bereits den Windelhosen entwachsen waren, mit älteren Kindern dabei, eine Art Paradiesgarten zu schaffen. Barfuß und teilweise ganz ohne Hose standen sie im flachen Wasser eines großflächigen Beckens und setzten Gras und Pflanzeninseln ein. Andere hefteten, unterstützt von erwachsenen Helfern, ihre selbstgemachten Wolken, Sterne, Monde und Sonnen an ein Himmelsnetz, das wie ein Firmament die Paradiesinsel überspannte.

LeerWurde hier Bewahren und Bebauen abseits von unserer synthetischen Plastikwelt auf greifbare Weise und nicht nur für die Kleinsten erfahren? Was wären die Erwachsenen, wenn die Kinder nicht zwischen den Gegensätzen der Großen froh und unbeirrt von alledem spielen könnten! Vielleicht hat sich manch einer der Teilnehmer aus seiner verbissenen Haltung herausrufen lassen vom Spiel der Kinder. In Halle 4 zwischen dem CSU-Stand mit dem Angebot des Bayernkuriers auf der einen und dem Engagement der Kriegsdienstverweigerer an ihrem Stand auf der anderen Seite sah ich Kinder unter bunten Luftballongirlanden spielen. Auf dem Rücken der Erwachsenen ritten sie, fest die Hälse ihrer Reitpartner umklammert, um die Wette miteinander auf ein Ziel zu. Aber dazwischen waren andere, die als mobile Hindernisse den Wett-Trab durchkreuzten. Sie stießen einen riesigen Luftballon von einem zum anderen.

LeerUnd wenn man schließlich gegen Abend in die Halle der Stille kam oder beim Feierabendmahl im Kirchentagsgelände dabeisaß, fand man die Kinder nicht weniger dabei. Im Stillebereich saßen hier eine Mutter und dort ein Ehepaar mit ihrem Kleinkind und rekreierten sich nach allem Trubel ein wenig, um sich dann gestärkt eines der vielen Angebote vorzunehmen. Zwischen den Gottesdienst- und Gebetsstätten in der Halle der Stille war genügend Platz, zu ruhen und sich beim Kommen oder Gehen einen Becher Wasser geben zu lassen. Betendes Wachen und Ruhen von allem Trubel korrespondierten miteinander. Wer um die räumliche Dimension des Gebetes weiß, konnte auch die kleinsten und jüngsten Teilnehmer darin eingebettet und eingehüllt sehen.

LeerIn der Halle „Oase-Gottesdienst” ging das Feierabendmahl zu Ende. Freunde von Taizé hatten in einer Ecke einen Gebetsort eingerichtet. In der Nähe spielte ein etwa achtjähriger asiatischer Junge mit einer schweren Beinbehinderung. Beim Singen des Schlußpsalmes faßten wir uns an den Händen und nahmen den Jungen mit in den Kreis. Seine Augen leuchteten und erwiderten die Zuwendung. Während gebetet und gesungen wurde, lagen neben uns, von ihren Eltern liebevoll beobachtet, zwei etwa vierjährige Kinder und schliefen tief und entspannt. Sie haben mich an das Psalmwort erinnert, das uns allabendlich in der Komplet begegnet (Psalm 4): „Ich liege und schlafe ganz mit Frieden; denn allein du, Herr, hilfst mir, daß ich sicher wohne.”

LeerWir brauchen die Kinder, damit wir von ihnen lernen, wie wir glauben und vertrauen sollen.

Quatember 1987, S. 168-169

© Joachim Januschek
Letzte Änderung: 12-11-15
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