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Auferstehung
Zu einer Zeichnung von Josef Scharl
von Wolfgang Krönig

LeerJosef Scharl - AuferstehungDas ungeheure Geschehen, das wir mit dem Wort Auferstehung benennen, entzieht sich einer Beschreibung. Wir bekennen als Christen mit diesem Wort, daß Christus auferstanden ist und daß wir die Auferstehung der Toten erwarten. Die vier Evangelien berichten auf verschiedene Weise von der Auferstehung; sie wird verkündigt, aber nicht eigentlich beschrieben. Wieviel weniger konnte daher christliche Kunst von Anbeginn die Aufgabe wagen, die Auferstehung Christi als Vorgang darstellend zu beschreiben und damit das, was Mitte und Geheimnis des Glaubens ist. So konnten allenfalls Sinnbilder, nicht Abbilder dieses Geheimnis andeuten. Erst im Laufe einer geschichtlichen Entwicklung, welche der „Sprache des Bildes” im geistigen Haushalt der Menschen eine wachsende Bedeutung und Aufgabe verlieh, wurde auch das Bild des Auferstandenen sichtbar gemachtes Zeugnis zu ihm.

LeerIm Ganzen aber sind es die von den Evangelien geschilderten Ereignisse vorher und nachher, die das Geheimnis der Auferstehung im Bilde stellvertretend andeuten: die Frauen am Grabe; das leere Grab; Christus, der Magdalena erscheinend; die Thomas- und die Emmaus-Geschichte - es sind die Berichte der Augenzeugen. Zu nennen ist auch die Darstellung des descensus ad inferos, „hinabgestiegen in das Reich des Todes” nach den Worten des apostolischen Glaubensbekenntnisses, welches Bild in der Ostkirche schlechthin das Geheimnis der Auferstehung meint. Das Wunder selbst, darum nicht weniger mit dem Anspruch geschichtlicher Tatsache, entzieht sich der Beschreibung wie der Darstellung.

LeerWenn nun ein christlicher Künstler unseres Jahrhunderts dennoch das Wagnis unternimmt, dem Geheimnis der Auferstehung bildlichen Ausdruck zu verleihen, so kann das nur mit der Hilfe und den Formen des Sinnbilds, des Symbols geschehen. Josef Scharl hat innerhalb einer Folge von 50 Zeichnungen zum Alten und Neuen Testament, die in den Jahren von 1944 bis 1947 entstanden, ein Auferstehungsbild geschaffen, das seinen Ausgang nimmt vom Bericht des Matthäus-Evangeliums. Dieses allein spricht ganz kurz von dem Wunder, ohne freilich die Auferstehung als solche zu erwähnen: „... da geschah ein gewaltiges Erdbeben. Denn ein Engel des Herrn fuhr vom Himmel herab, trat ein, wälzte den Stein fort und setzte sich darauf. Wie ein Blitz war er anzusehen, und sein Gewand leuchtete wie Schnee. Die Wachen aber erbebten vor Schrecken über ihn und waren wie tot...”

LeerDa sehen wir das Grab und auf ihm die stürzenden Wächter, getroffen durch die von oben niederzuckenden Blitze. Nicht aber allein die Blitze sind es, die den Eingriff eines übermenschlichen, göttlichen Geschehens sichtbar machen, sondern mit ihnen verbunden die wahrhaft Furcht erregende Erscheinung einer Wesenheit, die nur aus Flammen und Blitze sprühenden Augen zu bestehen scheint. Beides zusammen ist so gewaltig, so grell und durchdringend, daß es das menschliche Sehvermögen der Wächter auslöscht, zunichte macht, daß es die Menschen zu Boden schleudert und der Besinnung beraubt; wie denn die überwältigende Wucht des von oben Hereinbrechenden im Bilde und die Zerbrechlichkeit der Geschöpfe unten sogleich in die Augen fällt. Indem dieses Bild nur das eine Stichwort „Blitz” des Evangeliums aufnimmt, nicht aber das andere eines gleichsam „menschengestaltigen” Engels, zugleich aber dem außermenschlichen Element des Blitzes eine zusätzliche darstellerische Intensität verleiht, gibt es uns ein Sinnbild und mit ihm einen Hinweis auf das Wunder, das alles menschliche Verstehen übersteigt.

LeerJosef Scharl (1896-1954), ein in München geborener Bayer, war ein Maler von kraftvoller Echtheit und moralischer Wirkung. Früh Anerkennung findend, wollte er sich 1933 nicht anpassen und ging nach Jahren der Verfemung und bitterer Isolierung 1938 nach Amerika, zuletzt in New York seßhaft. Die Gedächtnis-Ausstellung des Jahres 1982 in München, verbunden mit einer inhaltsreichen Buchveröffentlichung, hat nur zum Teil angetanes Unrecht wiedergutmachen können. Die Folge seiner 50 Zeichnungen zum Alten und Neuen Testament wurde erst nach seinem Tode 1967 in Düsseldorf als Buch veröffentlicht und ist längst vergriffen. Diese Bilder sind ausgezeichnet durch ihre kühne Deutung und die eindringliche Vertiefung ihrer inhaltlichen Aussage (alle im Format von etwa 51x38 cm).

Quatember 1988, S. 20-21

© Joachim Januschek
Letzte Änderung: 13-03-02
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