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1000 Jahre Christentum in der Ukraine
von Alice Klatt

LeerWährend die russisch-orthodoxe Kirche die Tausendjahr-Feier der Taufe Rußlands mit staatlicher Genehmigung offen vor den Augen der ganzen Welt begeht, können die Ukrainer, soweit sie der Ukrainischen Autokephalen Orthodoxen Kirche oder der Ukrainischen Katholischen Kirche angehören, dieses Fest nur im Verborgenen, oder wenn sie im Ausland leben, in relativ bescheidenem Rahmen feiern. Zu einer solchen Tausendjahrfeier luden in Berlin-West die unierten Ukrainer, also die Glieder der Ukrainischen Katholischen Kirche ein. Hier gibt es eine griechisch-katholische Gemeinde, der Katholiken des byzantinischen Ritus verschiedener nationaler Herkunft, wohl überwiegend ukrainischer Abstammung, angehören. Mit einer kleinen liebevoll zusammengestellten Ausstellung gaben sie den Berlinern einen ersten Eindruck von der leidvollen Geschichte der mit dem Papst verbundenen Kirche der Ukraine und der seit 80 Jahren bestehenden Seelsorge der Ukrainer in Berlin.

LeerAm Abend des 4. März fand im Fontanehaus im Märkischen Viertel eine Festakademie mit weltlichen und geistlichen Gesängen in ukrainischer Sprache statt, gesungen von dem Chor Ukraina der Kathedrale in München. Die Mitglieder dieses Chores entstammen alle ursprünglich ukrainischen Familien und halten trotz zum Teil beträchtlicher Entfernung zu ihrer Kirche der unierten Gemeinde die Treue und beherrschen noch die ukrainische Sprache, obwohl viele schon in der Bundesrepublik geboren sind. Prof. Dr. Dymtro Zlepko gab den deutschen Zuhörern, die meist nichts von der Ukraine und ihrer Geschichte wußten, ein eindrucksvolles Bild vom Schicksal seines Volkes und dessen Kirche. Am Sonntag feierte dann der Exarch der katholischen Ukrainer in Deutschland, Kir Platon Kornyliak, eine Bischofsliturgie im byzantinischen Ritus, wie er in dieser Kirche üblich ist. Die liturgischen Gesänge teilten sich der Chor Ukraina und der Chor der griechisch-katholischen Gemeinde in Berlin. An der großen Zahl der Gottesdienstteilnehmer konnte man ablesen, daß die Berliner durchaus Interesse haben an der mit ihnen verbundenen Kirche des anderen Ritus.

LeerEin Blick in die Geschichte macht deutlich, weshalb die Ukrainer das Gedächtnis an das Geschehen vor 1000 Jahren am Dnjepr als ihr ganz besonderes Fest feiern. Unter dem Fürsten Volodymyr dem Großen wurde das Christentum in der Kyjiver-Rus'Ukraine Staatsreligion; dabei hatte man sich für die Annahme des byzantinischen Ritus entschieden. Damals war die Einheit der Kirche noch nicht zerbrochen. Aber 1054 geriet auch die Ukraine in das Schisma, wenn auch immer einzelne Bischöfe die Verbindung mit Rom aufrechterhielten. 1439 nahm der Kyjiver Metropolit Izydor während des Konzils von Florenz die Union mit Rom an, er konnte sich jedoch wegen des Widerstandes des Moskauer Großfürsten nicht durchsetzen. Moskau und Kyjiv hatten längst eigene Metropoliten, aber erst 1448 kam es zur Teilung in zwei autokephale Kirchen. 1596 haben dann die ukrainisch-orthodoxen Bischöfe unter dem Vorsitz des Kyjiver Metropoliten die Einheit mit Rom wiederhergestellt. Seither ist der Glaube der Ukrainer von der Union geprägt.

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LeerEnde des 18./Anfang des 19. Jahrhunderts wurden die unierten Christen in der Ostukraine gezwungen, zur Orthodoxie überzutreten. Die ukrainische Sprache wurde in Schule und Kirche verboten. Das kulturelle Leben verlagerte sich in die Westukraine. Als 1905 im Zarenreich die Religionsfreiheit eingeführt wurde, blieben die Unierten davon ausgeschlossen. Während des 1. Weltkrieges kam es in Galizien sogar zu einer Verfolgung. 1918 erkannte Rußland im Frieden von Brest-Litowsk die Unabhängigkeit der Ukraine an. Doch 1920 ging diese Selbständigkeit schon wieder verloren. Damit begann in der Ostukraine eine erhebliche Bedrückung der Unierten; mit der Okkupation 1939/41 wurde sie auf die Westukraine ausgedehnt. 1945/46 wurden sämtliche Bischöfe und viele Priester der Ukrainischen Katholischen Kirche verhaftet. Auf einer vom Staat einberufenen Synode sollte die Vereinigung mit der Russischen Orthodoxen Kirche proklamiert werden. Es kam aber kein einziger Prälat. 50 % der Priester wurden verhaftet, 10% gingen mit Genehmigung der Hierarchie ins Ausland, 10 % begründeten eine moderne Untergrundkirche. Nur etwa 30 % wechselten unter Druck ins orthodoxe Lager über. Unter den 200 namentlich genannten Teilnehmern der Synode wurden aber auch bereits verstorbene Priester aufgeführt. Offiziell hatte nun die unierte Kirche in der Ukraine aufgehört zu bestehen.

LeerDie Exilukrainer protestierten gegen diesen Beschluß der Synode. Heute gibt es einen Hoffnungsschimmer auf die Wiederzulassung der Ukrainischen Katholischen Kirche in ihrer Heimat. Die kurze Geschichte der anderen nicht mit Moskau verbundenen Kirche des byzantinischen Ritus in der Ukraine ist nicht minder hart. 1921 wurde auf einem allukrainischen orthodoxen Kirchenkonzil in der Kathedrale der hl. Sophia in Kyjiv die kirchliche Selbständigkeit der ukrainisch-orthodoxen Kirche beschlossen und unter dem Namen Ukrainische Autokephale Orthodoxe Kirche proklamiert. Ihr schlossen sich über 30 Bischöfe, ca. 2500 Priester und über 2000 Pfarrgemeinden an. Nach Jahren der Verfolgung wurde sie 1930 endgültig verboten und verschwand in den Katakomben. Obwohl sich die deutschen Behörden dieser Kirche gegenüber feindselig verhielten, brachte die Okkupation 1941/44 gewisse Erleichterungen, so daß 1942 zwölf Bischöfe geweiht werden konnten. 1944 geriet die Ukraine wieder unter Sowjetherrschaft, und die Ukrainische Autokephale Orthodoxe Kirche wurde verboten. Der Episkopat, ein Teil der Priester und Tausende von Gläubigen mußten ihre Heimat verlassen und in den Westen fliehen. Heute besteht diese Kirche nur noch außerhalb der Ukraine im westlichen Ausland.

LeerWer sich noch weiter über die Ukraine und ihre Kirche informieren möchte, möge die auch von mir benutzten Publikationen zur Hand nehmen: D. Bilyj, Die Zerstörung der Ukrainischen Kirche in der Sowjetunion, München 1987, und das von Prof. Wolodymyr Kalwarowskyj als verantwortlichem Redakteur herausgegebene Informationsblatt Nr. 18/4/1, Sonderausgabe München Juni 1986, Kirche der Märtyrer und Blutzeugen.

Quatember 1988, S. 156-158

© Joachim Januschek
Letzte Änderung: 13-03-30
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