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Woher kommt das Michaelsfest?
von Jürgen Boeckh

LeerAus unserem Leserkreis wurde die Frage gestellt, woher eigentlich das Michaelsfest am 29. September kommt, wann und wo es entstanden ist.

LeerDie alte Bezeichnung dieses Festes lautet: „In Dedicatione S. Michaelis Archangeli”. Es ist von seinem Ursprung her Jahrestag der Weihe der St.-Michaels-Kirche an der Via Salaria in Rom. Die abendländische Kirche hat außerdem noch ein Fest der Erscheinung des hl. Erzengels Michaels um das Jahr 495 auf dem Berge Gargano in Süditalien gekannt. Die Verehrung des Erzengels Michael ist jedoch schon älter: Schon Kaiser Konstantin erbaute ihm zu Ehren beim Vorgebirge Hestia am Bosporus eine Kirche. Bis zur Liturgie- und Kalenderreform in jüngster Zeit kannte die römisch-katholische Kirche außer den beiden genannten Festen das Fest des hl. Erzengels Gabriel am 24. März und das Fest des hl. Erzengels Raphael am 24. Oktober und (allgemein-verbindlich seit 1670) das Schutzengelfest am 2. Oktober.

LeerIn den lutherischen Kirchen ist das Michaelsfest am 29. September an manchen Orten zunächst als das vierte Hauptfest des Jahres nach Weihnachten, Ostern und Pfingsten im Bewußtsein der Gläubigen geblieben, solange es gefeiert wurde. Die „Verlegung” auf den folgenden Sonntag und eine Verschmelzung mit dem Erntedankfest haben - neben anderen Motiven - dazu geführt, daß es schließlich am Anfang unseres Jahrhunderts in der Regel nur noch als Einschulungs- und Schulentlassungstermin bekannt war. Als Fest des Erzengels Michael und aller Engel ist der 29. September von den Berneuchenern wiederentdeckt und ins Bewußtsein weiterer Kreise gehoben worden. Das fünfte Heft der von Rudolf Spieker 1936 herausgegebenen „Lesung für das Jahr der Kirche” ist überschrieben „Michealis / Ende des Kirchenjahres”. Die dort vorgeschlagene Zählung der Sonntage nach Michaelis hat sich teilweise in den kirchlichen Ordnungen des deutschen Sprachgebietes durchgesetzt, immerhin mehr als die Zählung nach Johannis.

LeerIn einem Buch von Ekkart Sauser, Heilige und Engel im Kirchenjahr (Friedrich Pustet, Regensburg 1979, 155 Seiten, DM 17,50) ist nur noch von einem Engelfest, dem am 29. September, die Rede. Das entspricht dem, was im „Großen Sonntags-Schott” (1975) zu lesen ist: „Mit Michael zusammen werden jetzt auch Gabriel und Raphael gefeiert, die im früheren Kalender eigene Gedenktage hatten.” In der Orthodoxen Kirche sind demgegenüber nach wie vor „eine Reihe von Tagen des Kirchenjahres den heiligen Engeln geweiht, besonders den Erzengeln Michael (6. Sept., 8. Nov.), und Gabriel (26. März, 13. Jan.).” Zahlreiche Engelfeste kennt die Äthiopische Kirche, die ja eine eigenständige Entwicklung durchgemacht hat und uralte Tradition bewahrt. Sie hat allein zwölf Feste zu Ehren des Erzengels Michael, der als Patron dieser Kirche gilt (Friedrich Heiler, Die Ostkirchen, München 1971, S. 248, 373).

LeerWeder die Bewahrung alter Tradition noch ihre Reduktion auf das „Wesentliche” können heute genügen. Die Frage nach der Wirklichkeit der Engel wird in unserem Umkreis wohl in erster Linie im Bereich der Christengemeinschaft gestellt, die ihre Begründung und Wirksamkeit im Zeichen Michaels begreift. Hans Werner Schroeder, Mensch und Engel (Fischer-Taschenbuch 5522, Frankfurt 1982) sagt dazu: „Die Erschütterungen, welche die großen Kirchen ergriffen haben, rühren von den Veränderungen her, die der Anbruch des Michaelzeitalters mit sich bringt... Wird Michael genug Menschen finden, die sich seinen Impulsen aufschließen und daran erwachen? Oder wird die Dumpfheit des Erdenbewußtseins immer neue Erschütterungen notwendig machen?”

LeerDer Aufbruch von Berneuchen und die Gründung der Christengemeinschaft geschahen etwa zur gleichen Zeit. Die Väter unserer Gemeinschaften gingen verschiedene Wege, aber sie waren verbunden in ihren Fragestellungen.

Quatember 1988, S. 178-179

© Joachim Januschek
Letzte Änderung: 13-03-30
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