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Tradition als Gabe und Aufgabe der Kirche
von Ulrich Wendling

21. Konferenz der International Ecumenical Fellowship (IEF), Chester, 2.-9. August 1988

LeerZum Thema „Wir werden alle verwandelt durch Gnade” trafen sich in der mittelenglischen Stadt Chester 320 Teilnehmer aus 10 Ländern und verschiedenen Kirchen.

LeerIm Mittelpunkt standen die gemeinsamen Eucharistiefeiern nach den reformierten, lutherischen, anglikanischen und ökumenischen Ordnungen der Lima-Liturgie. Höhepunkt war die römisch-katholische Messe zum Fest der Verklärung im weiten Rund der katholischen Kathedrale von Liverpool, einem modernen Betonbau eindrucksvoller Größe und Gestaltung durch Farben und Licht. Von der riesigen anglikanischen Kathedrale im neugotischen Stil kommend, wo wir des Hiroshima-Tages gedacht hatten, konnte der Kontrast zwischen den beiden Kirchen nicht größer sein - eine Herausforderung zur Diskussion über den Sinn räumlicher Symbolik unseres Glaubens und unserer Aufgaben in dieser Welt.

LeerEin historisches Ereignis war der Pilgerweg in der 900 Jahre alten Kathedrale von Chester, zu dem der Dekan die Konferenzteilnehmer, aber auch die katholischen Priester und die Benediktiner des Klosters Ambleforth eingeladen hatte. Diese hatten die einst von ihrem Orden erbaute Kathedrale erstmals seit der Reformation wieder betreten. Damit hat die Konferenz auch als Vermittler für die ökumenische Begegnung in Chester selbst gewirkt.

LeerDas Konferenzthema wurde in 15 Arbeitsgruppen unter verschiedenen Aspekten, je nach den sprachlichen, meditativen oder gestalterischen Neigungen des einzelnen entfaltet. Die Gesprächsgruppe, in der ich mitgearbeitet habe, einigte sich auf das Thema „Tradition als Gabe und Aufgabe der Kirche”: Als Gabe empfanden wir all das, was wir an Gutem bewahren möchten - Formen und Gedanken, die uns verbinden mit den uns vorausgegangenen Generationen. Als Aufgaben beschrieben wir das, was wir ändern möchten, wo wir Wege suchen, notwendige Schritte in die Zukunft zu gehen. Beides steht in einem engen Zusammenhang, denn Christus sagt: Ich bin das Leben (nicht die Gewohnheit), der Weg (nicht das Ziel)...

LeerHeute überwiegt oft die Angst, die Traditionen zu verlieren; die Angst, daß Erneuerung und Wandel in allen Bereichen des Lebens uns überrollen. Was ist da Maßstab, Hilfe? Das Wort Gottes, unser Gewissen? Oder GOTT der Vater, der Allmächtige? Oder wandelt sich Gott etwa auch? Uns beschäftigten die Ansichten von Canonicus Paul Oestreicher (Coventry) zum Bruch mit der Tradition und das Erlebnis zweier so gegensätzlicher Kathedralen: Tradition oder Wandel, wo liegt die Wahrheit?

LeerNehmen wir aber wieder Gabe und Aufgabe in den Blick, so fragen wir nach der Zukunft unserer Kirchen, ihrem gemeinsamen Pilgerweg in der Vielfalt der Traditionen und überlegen, was uns eint und verbindet. Viel Trennendes ist weggefallen in den letzten Jahren, so daß geistliche Ökumene heute oft möglich ist. Die praktische Ökumene scheitert oft noch an zu wenig Informiertheit, alte Differenzen erscheinen zu groß. Und so manche theologischen Dispute im deutschsprachigen Raum sind aus der Sicht der Weltkirche belanglos. Der wissenschaftliche Ökumenismus muß noch eine Vielzahl von Problemen aufarbeiten.

LeerDie Tradierung des Glaubens an die nächste Generation ist eine besondere Herausforderung an die Generation der jungen Erwachsenen. Hier ist die besondere Aufgabe der christlichen Gemeinden in praktischer Ökumene vor Ort zu sehen. Und hier sind wir angesprochen mit unserer Phantasie, unserer Begeisterungsfähigkeit und Freude am Feiern, an Gottesdiensten, die den Vorgeschmack der himmlischen Herrlichkeit erkennen lassen.

LeerSo waren wir eingeladen, uns selbst der Wandlung als Thema und Vorgang in unserem eigenen Leben zu stellen - gerade auch unter dem Eindruck der Kontraste in der Großstadt Liverpool, mit der höchsten Arbeitslosigkeit Englands, und dem Bemühen der Kirchen um Ökumene auf sozialem und politischem Gebiet. Wir haben etwas erfahren von der verwandelnden Kraft der Gnade Gottes und sind dankbar für die Wirkungen in unserem täglichen Leben. Sie mögen vorhalten bis zur Konferenz im nächsten Jahr im Kloster Vierzehnheiligen.

Quatember 1988, S. 225-226

© Joachim Januschek
Letzte Änderung: 13-04-12
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