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Das Trinitarische Bekenntnis der Kirche
von Gérard Siegwalt

Mit dem apostolischen und dem nizänischen Symbol bekennen wir

LeerGott als den Schöpfer des Himmels und der Erde, der sichtbaren und der unsichtbaren Dinge.

Was heißt das?

LeerWir glauben an Gott, den allmächtigen Vater, von dem und zu dem alle Dinge gemacht sind. Er ist das erste und das letzte Geheimnis alles Seienden. Er ist Grund und Ziel. Er steht über der Schöpfung, er ist aber auch in ihr am Werke.

LeerWir bezeugen die Einheit der Schöpfung, aber wir bezeugen auch, daß ihr eine unsichtbare Dimension innewohnt, die über das hinausgeht, was unsere Sinne erfassen, und die wir doch (als Wirklichkeit der Engel und Dämonen) erkennen, wenn wir darauf achten.

LeerWir erkennen, daß der Mensch dem Bereich der Schöpfung angehört, in seinem kosmischen und irdischen Dasein von ihr abhängig, insonderheit mit der mineralen Natur, der Pflanzen- und Tierwelt solidarisch sowie individuell und kollektiv für seine Beziehungen zur Schöpfung, zu sich selbst und zu den anderen Menschen, die ebenso wie er der Schöpfung angehören, verantwortlich ist.

LeerWir erkennen ferner, daß diese Verantwortung des Menschen gegenüber der Schöpfung, also auch gegenüber sich selbst und den anderen Menschen, eine Verantwortung vor Gott, dem Schöpfer, in sich birgt. Hier geht es um die Bestimmung des Menschen: Er spielt oder verspielt seine Berufung als Mensch, indem er diese Verantwortung trägt oder nicht. Übernimmt er sie, so wirkt er im Sinn der Erhaltung und Verwaltung der Welt als Mitarbeiter Gottes im Werk der Schöpfung. Verfehlt er seine Berufung, wird er zum Spielball eigener Willkür sowie der Naturelemente der sichtbaren und unsichtbaren Schöpfung: Er liefert sich dann den dämonisch-zerstörerischen Kräften der Schöpfung aus.

LeerWir erkennen ebenso, daß die Gesetze für die Lebensführung des Menschen in der Schöpfung selbst beschlossen liegen und der Mensch es lernen muß, durch eigene Erfahrung diese Gesetze zu entdecken, die zugleich durch ihre Konstanz und ihre immer neue Kontingenz gekennzeichnet sind. Wir erkennen, daß das von Gott her offenbarte Gesetz gleichsam der Leuchtturm ist, von dem aus die in der Schöpfung inbegriffenen Gegensätze, vor allem der Gegensatz von Leben und Tod, beurteilt werden müssen, damit durch sie hindurch der Mensch auf seine Berufung hin wachse. Wir schließen daraus, daß es dem Menschen obliegt, in jeder neuen Generation seine Berufung inmitten der Schöpfung zu entdecken, indem er sein Augenmerk auf die individuellen und kollektiven Erfahrungen richtet und treu auf das offenbarte Gebot des Schöpfergottes hört.

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LeerWir erkennen, daß die Berufung des Menschen sich nicht auf seine irdische Verantwortung beschränkt, sondern, weil er wie die übrige Schöpfung von Gott und auch zu Gott hin erschaffen ist, einer ewigen Bestimmung verpflichtet ist.

LeerWir erkennen endlich, daß das ewige Gottesreich, zu dem Gott die Menschen beruft, schon hier auf Erden in, mit und unter der Schöpfung sich kundgibt, ja, Zeichen setzt, wenn der Mensch glaubend und auf Gott wartend in ihr lebt und wirkt, und daß es zur Berufung des Menschen gehört, in ihr Werte zu entdecken und Ziele anzustreben, die seine ewige Berufung nicht verdunkeln, sondern das Reich Gottes ankündigen und den Menschen in dieses Reich leiten.

LeerWir wissen uns dazu berufen, und wir rufen uns selbst dazu auf, die falschen Werte und die falschen Götter zu verwerfen, die den Menschen und die Schöpfung ins Verderben treiben.

Wir bekennen

LeerGott, als den Erlöser der „gefallenen” Schöpfung,

Leerdie einen Riß hat und so mitsamt dem Menschen ihrem göttlichen Endzweck entfremdet worden ist.

Was heißt das?

LeerWir glauben an den einen Herrn Jesus Christus, den eingeborenen Sohn Gottes. Von Ewigkeit her ist er das Ebenbild Gottes und das Urbild des Menschen. Er leidet von Anfang an unter dem Fall der Schöpfung und der Sünde des Menschen (Siehe 1. Petr. 1, 19-20, wo vom Blut dos Lammes, dem Blut Christi, die Rede ist, „der zuvor ersehen ist, ehe der Welt Grund gelegt ward, aber offenbart zu den letzten Zeiten”. Siehe auch Apk. 13,8, wo mit dem griechischen Text zu lesen ist: „Das Lamm, das von Anfang der Welt erwürgt ist”) in der Schöpfung und im Menschen.

LeerDurch seine Inkarnation nimmt er nicht mehr nur universal und unsichtbar, sondern konkret und sichtbar an unserer Menschheit teil, er erlebt ihre Entfremdung in seiner Person, er nimmt sie auf sich und erfährt in seinem Sterben das über sie gesprochene Urteil. In seiner Auferstehung am dritten Tag bezeugt Gott den Sieg, den er auf ewig über den „Riß” im Menschen und in der Schöpfung davongetragen hat und also auch über das Böse, über das auf der Schöpfung und dem Menschen lastende Gericht und über den Tod. Seine Auferstehung ist Verheißung einer neuen Erde und eines neuen Himmels.

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LeerWir bezeugen die universale Tragweite des Erlösungswerkes Christi. Es gilt für die Lebenden und die Toten, für die sichtbare und unsichtbare Dimension der Schöpfung, für die außermenschliche Schöpfung und den Menschen. Es bezeichnet für uns das Ende des alten Äons, des Falls, des Bösen, des Gerichts und des Todes, und den Anfang des neuen Äons, des Gottesreiches und seiner Gerechtigkeit. Von nun an gibt es eine Vergebung, eine Versöhnung, einen neuen Anfang. Im Glauben an Christus bricht der neue Aon hinein in den alten Aon, in Christus ist dem alten Aon die Erlösung verheißen. In Christus und für den Glauben ist diese Welt durch das Sterben ihrer Götzen und durch das Absterben des „alten Adam” auf eine Auferstehung, Wandlung und neue Welt hin angelegt. Wir leben noch im Glauben, noch nicht im Schauen, aber wir sind dazu berufen, die neue Schöpfung zu erkennen und inmitten der alten Schöpfung Zeichen für sie zu setzen, so daß die alte Schöpfung die neue hervorbringe, denn die erste Schöpfung ist auf die neue Schöpfung hin ausgerichtet und vollendet sich in ihr.

LeerWir erkennen, daß das Erlösungswerk Christi eine neue Lebensweise begründet und ermöglicht; Leben im Glauben, in Hoffnung und Liebe, in Danksagung, Lobpreis und Hingabe, in Freiheit und Freude und Selbstverleugnung, in Verfügbarkeit, Geduld und im Dienen, in Barmherzigkeit, Gerechtigkeit und Bereitschaft zu teilen, in Vergebung, Kraft und Brüderlichkeit. Diese neue Lebensweise spielt sich im alten Aon ab, reiht sich ein in die alte Schöpfung, öffnet sie aber auf die neue Schöpfung hin.

Wir bekennen

LeerGott, als den Heiligenden in der Kirche.

Was heißt das?

LeerWir glauben an den Heiligen Geist. Er ist die Gegenwart des Vaters und des Sohnes im Menschen und in der Kirche. Er belebt und heiligt den Menschen durch die Verkündigung des prophetischen und apostolischen Wortes im Alten und Neuen Testament und durch die Sakramente. Durch Wort und Sakrament, mit deren Dienst die Kirche beauftragt ist, schafft und mehrt Gott in Christus durch den Heiligen Geist den Glauben und versammelt die Kirche, die Gemeinschaft der Glaubenden.

LeerWir glauben an die heilige universale Kirche, die Gemeinschaft der Heiligen, die in der sichtbaren Kirche und in der Welt schon gegenwärtig ist als neue Menschheit, als Erstlingsfrucht der neuen Schöpfung.

LeerWir bezeugen: Wo die Versöhnung gelebt wird, wo neue Beziehungen den Menschen mit sich selbst, mit den anderen, mit der Schöpfung und mit den Dingen verbinden, da ist die neue Schöpfung schon am Werk, die mit der Auferstehung Christi und der Ausgießung des Heiligen Geistes begonnen hat. Da finden sich auch Keim und Wirklichkeit des Glaubens, Samenkorn und Wirklichkeit der Kirche.

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LeerWir bezeugen im besonderen: Durch Taufe und Eucharistie sowie durch alle im Glauben vollzogenen sakramentalen Handlungen werden die Menschen in ihrem Wesen und in ihren mitmenschlichen Beziehungen geheiligt, wie auch die ganze Schöpfung, die der Mensch mit Danksagung annimmt, gleich wie die Beziehungen des Menschen zu ihr durch Wasser, Brot und Wein, heilige Gebärden und Worte geheiligt werden.

LeerWir bezeugen: Die Kirche ist in hervorragender Weise ein Zeichen der neuen Menschheit und ein Zeuge der neuen Schöpfung, wenn sie in ihrer Liturgie die Heiligung des Menschen, der menschlichen Gemeinschaft und der ganzen Schöpfung lebt. Die Kirche bereitet die neue Schöpfung vor und bezeugt sie durch brüderliche Gemeinschaft, Gebet und Gottesdienst, Zeugnis und Dienst.

LeerWir erkennen, daß die Kirche des dreieinigen Gottes einen Heiligungsauftrag hat und sie diesen Auftrag erfüllen kann, wenn sie sich durch den Heiligen Geist in Wort und Sakramenten, Gebet und brüderlicher Gemeinschaft beständig heiligen läßt.

LeerWir wissen uns folglich dazu berufen und rufen dazu auf, aus dem Heiligen Geist zu leben und die Kirche zu leben, um in der durch ihn gegebenen Freiheit den lebendig-machenden und heiligenden Geist sowie die neue Gemeinschaft, die er schafft, in die Welt und in die menschliche Gesellschaft auszustrahlen und dabei allen unchristlichen Strukturen der Welt und der Gesellschaft zu widerstehen, die sich dem lebenschaffenden und heiligenden Wirken des Geistes widersetzen und den Menschen der Schöpfung entfremden.

Kritische Tragweite des Glaubensbekenntnisses

LeerDas trinitarische Glaubensbekenntnis leistet eine kritische Funktion in der Auseinandersetzung mit den Gesellschaftsstrukturen und im besonderen mit der gegenwärtigen Weltwirtschaft und damit auch gegenüber der Art und Weise, mit der die in dem vorliegenden Dokument behandelten Probleme erörtert werden. Was bedeuten denn die Folgerungen, die oben aus dem Glauben an Gott, den Schöpfer, Erlöser und Heiligmacher gezogen wurden?

Nämlich:

LeerDie Verwerfung der falschen Werte und der falschen Götter, die den Menschen und die Schöpfung ins Verderben führen, weil sie gewisse Aspekte der Schöpfung absolut setzen und sie zu Normen machen, die sie gegen die übrige Schöpfung und gegen den Schöpfer ausspielen.

LeerDie Verwerfung einer Ausrichtung der Vernunft und der praktischen Verhaltensweisen, der Strukturen der Welt und der Gesellschaft, die sich der Versöhnung des Menschen mit sich selbst, anderen, der ganzen Schöpfung und mit den Dingen widersetzen.

LeerDiese umfassende Versöhnung gründet sich auf die durch Christus bewirkte und durch den Heiligen Geist aktualisierte Erlösung. Die oben genannten destruktiven Kräfte halten den Menschen und die menschliche Gesellschaft in der Entfremdung gefangen und unterwerfen sie dem Gesetz weder erlöster noch erlösender Kräfte; das führt die Welt und den Menschen auf die abschüssige Bahn der entfremdenden Zwänge von Fatalität, Versklavung und Tod.

LeerDas trinitarische Glaubensbekenntnis hat im tiefsten Grund eine indikative, normative Tragweite für die kirchliche Mission in der Welt.

Quatember 1989, S. 57-61

Siehe auch: Hans-Dietrich Paus - Pro-Testation

© Joachim Januschek
Letzte Änderung: 13-04-23
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