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von Jürgen Boeckh |
Der folgende Bericht datiert vom Sommer letzten Jahres. Wir veröffentlichen ihn jetzt noch, um ihn einem größeren Leserkreis zugänglich zu machen. Die Redaktion. „Es soll keine offiziellen Reden geben, sondern statt dessen Gelegenheit sein, dem Jubilar persönlich zu gratulieren.” So stand es in der Einladung zur Feier des 60. Geburtstages von Bischof Dr. Ulrich Wilckens im August 1988. Warum keine Reden? „Er hat sich gewünscht, diesen Tag mit einem Gottesdienst zu beginnen. Daran mag teilnehmen, wer immer dies möchte und einrichten kann.” Meine Frau und ich fuhren nach Lübeck. Wir kannten Ulrich Wilckens schon aus seiner Berliner Zeit. Hier war er Professor an der Kirchlichen Hochschule gewesen. Einmal hatte er auch bei uns in der Schöneberger Paul-Gerhardt-Kirche - in der Feier der Osternacht - die Predigt gehalten. Schon als er Professor war, kannten nicht nur Theologen seinen Namen. Der Grund: Wir haben von ihm eine Übersetzung des Neuen Testamentes, die nicht nur durch ihre Sprache besticht. Die knappen Anmerkungen sind sachlich-informativ. Aber sie haben auch eine geistliche Dimension. Nicht immer ist ja dies beides miteinander vereint. Ulrich Wilckens ist nicht nur (wissenschaftlicher) Theologe. Er ist auch ein „geistlicher Mensch” im Sinne des Apostels Paulus. Wenn ich hier von seinem Geburtstag berichte, dann geschieht es in erster Linie wegen des Gottesdienstes. Je mehr ich als Emeritus, als Pfarrer ohne Pfarramt, Gottesdienste erlebe, für die ich nicht selbst verantwortlich bin, werde ich enttäuscht. Der Gottesdienst im Lübecker Dom war keine Enttäuschung! Die Grundstruktur des Gottesdienstes dort ist die gleiche, wie sie auch bei uns vorgesehen ist. Aber es ist - leider - keine Selbstverständlichkeit, daß dieser Grundstruktur entsprechend ein Gottesdienst sinnvoll ausgestaltet - und vielleicht auch sinnvoll gestrafft wird. In der „Nordelbischen Evangelisch-Lutherischen Kirche” sind die vier früher selbständigen Landeskirchen Hamburg, Lübeck, Schleswig-Holstein und Eutin vereint - seit dem Jahre 1974. Mit Bischof Wilckens waren auch die beiden anderen Bischöfe von Nordelbien an der Leitung des Gottesdienstes beteiligt, außerdem Pfarrerinnen, Pfarrer und eine Lektorin. Nach dem Orgelvorspiel begrüßte Bischof D. Karlheinz Stoll, Schleswig, die Gemeinde und den Jubilar -auch im Namen des Ratsvorsitzenden der EKD, Bischof Dr. Martin Kruse. Darauf sprach er, als Aufforderung zum Dank, einen Psalm, den die Gemeinde aufnahm mit dem Lied „Lobe den Herrn ...”. Es folgten, ohne eingeschaltete Gebete oder erklärende Zusätze, das „Kyrie eleison -Herr, erbarme dich” und der Engelshymnus „Ehre seit Gott in der Höhe” mit einer Strophe des Gloria-Liedes „Allein Gott in der Höh sei Ehr ...”. Die Predigt - nach Glaubensbekenntnis und Lied - hielt der Vorsitzende der Kirchenleitung der Nordelbischen Kirche, Bischof Prof. D. Peter Krusche, Hamburg. Er sprach über die „fortlaufende Bibellese” des Tages, die Stillung des Sturmes: Trost und Ermunterung für alle, die im „Schiff, das sich Gemeinde nennt” von Resignation und Angst erfüllt sind. Eine gute Predigt in einem schönen Gottesdienst! Und dann: Endlich einmal keine verstümmelte Abendmahlsliturgie! Der Liturg sang das große Lobgebet, auf das die Gemeinde mit dem „Dreimalheilig” antwortete. Und die Worte der Einsetzung des Heiligen Mahles waren eingebettet in das eucharistische Gebet, wie es sich aus dem jüdischen Mutterboden in der frühchristlichen Kirche entwickelt hat, mit der Bitte um den Heiligen Geist und dem Gedächtnis (der „Anamnese”) dessen, was Jesus für uns getan hat und was er uns bedeutet. Hier war die traditionelle protestantische Engführung (Abendmahl als Siegel auf die Vergebung der Sünden, ausgerichtet allein auf Gründonnerstag und Karfreitag) überwunden, ganz im Sinne der Liturgie, die im Jahre 1982 bei der Vollversammlung der Kommission für Glauben und Kirchenverfassung des Ökumenischen Rates der Kirchen in Lima/Peru, allerdings in einer kürzeren Form, gefeiert wurde. Der Altar im Lübecker Dom hat die Form eines großen quadratischen Tisches, um den die Gemeinde versammelt ist. Zur Austeilung des Heiligen Mahles standen mehrmals die Kommunikanten rings um den Altar. Da der Leiter des Gottesdienstes nicht allein austeilte, dauerte die Kommunion nur eine knappe Viertelstunde. Für das Heilige Mahl wurden „Brothostien” verwendet, nicht die dünnen Oblaten, die man als „Symbol des Symboles” bezeichnet hat. Nach dem Lied „Herz und Herz vereint zusammen ...” sang der mit am Altar stehende Dompastor Grusnick einen Psalm, in den die Gemeinde nach jeder Vershälfte mit der Antiphon, dem Refrain, „Psallite Deo, psallite” und „Halleluja, halleluja” einstimmte. Dies ist ein Gesang aus Taizé, ebenso wie das „Laudate omnes gentes ...” (vielen jungen Menschen bekannt), mit dem nach dem Segen der Gottesdienst ausklang. Beim Empfang im Ostchor, der durch eine große Glaswand vom gottesdienstlichen Bereich getrennt und doch mit ihm verbunden ist, fragte meine Frau die Frau des Bischofs, wie denn sonst im Dom der Gottesdienst gehalten werde. „Die Taizé-Lieder singen wir nur an Festtagen”, antwortete sie. „Sonst ist es immer so wie heute.” Quatember 1989, S. 91-92 |
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