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Europäische ökumenische Versammlung in Basel
von Manfred Richter

LeerDiese Versammlung war ein geistliches Ereignis und sie war ein ökumenisches Ereignis von besonderer Wichtigkeit. Zugleich war sie eine kirchenhistorisch außerordentliche, wenn nicht erstmalige Erfahrung. Und mit vielen Beteiligten teile ich die Hoffnung, daß der Keim aufgehen möge, der sie zum Anfang einer kirchengeschichtlichen Entwicklung, zumindest im „alten” Europa, machen würde, so Gott will und die ökumenische Bewegung sich selbst immer ernster nimmt.

LeerOrt und Zeit waren glücklich gewählt: In der Konzilsstadt Basel, in der man in den Jahren nach 1431 das Unglück des Konzils von Konstanz - als unter Wortbruch Johannes Hus hingerichtet wurde - in seinen Folgen zu mäßigen versuchte und mit den .„Baseler Kompaktakten” zum ersten Mal so etwas wie eine interkonfessionelle Verständigung im Rahmen der Gesamtkirche mit Strömungen aus der hussitischen Bewegung erzielte. Die Lokalpresse schrieb denn auch ganz unbefangen pausenlos vom Fortgang „des Konzils”. Und die gewiß wichtigen Statusfragen, die im Vorfeld viele hinderten oder blockierten, am „konziliaren” Prozeß mit dieser Versammlung teilzunehmen - während der Baseler Tage waren sie nicht mehr im Vordergrund. Die Versammlung konnte im Schlußdokument mit wenigen Zeilen allen Gerechtigkeit widerfahren lassen, denen, die dieses Wort verwenden wollten und denen, die es anders sagen wollten.

LeerÖRK BaselWichtig war aber auch der Zeitpunkt: das pfingstliche Feuer, im Emblem der Versammlung, das der Schweizer Künstler Hans Erni schön auflodernd verknüpft mit der herabstürzenden Taubengestalt. Das Pfingstfeuer wurde denn auch im täglichen Morgengottesdienst im Münster von der Osterkerze her entzündet und die Liturgie dieser pfingstlichen Tage mit ihrer täglichen Anrufung des Heiligen Geistes war eine Kraftquelle, die über die Konferenz hinaus den Reichtum der christlichen Gesamtgemeinde erfahren ließ. Zielpunkt der Woche: das Fest der Heiligen Dreieinigkeit, Inbegriff geistlicher, stammelnder theologischer und hoffnungsvoll-eschatologischer Glaubenserkenntnis, welche allein die Finsternisse der Geschichte und drohenden Zukunft in den Mysterien Gottes erhellt und umfangen wissen kann. So ging große Ermutigung von dieser Versammlung aus.

LeerZur Erstmaligkeit dieser Versammlung zählt nicht nur die Tatsache, daß es seit dem Konzil von Florenz im 15. Jahrhundert keine christliche Versammlung unter Einschluß des Abendlandes und des Morgenlandes gegeben hat und daß es seit dem 16. Jahrhundert, als das von den Reformatoren geforderte Konzil des Abendlandes unter Einschluß von alter Kirche und Reformation nicht zustande kam, ein solches repräsentatives Christentreffen des ganzen Europa nicht gegeben hat. Zur Erstmaligkeit zähle ich auch, daß es neben den Delegierten der Kirchen auch eine nicht nur beiläufig-dekorative Beteiligung des „Volkes Gottes” auf verschiedene Weise gab: Etwa 200 mitberatende Delegierte, welche zum Teil schon längst ökumenisch und europäisch arbeitende Organisationen vertraten, kamen zu den 350 nichtkatholischen sowie 350 römisch-katholischen bzw. der Konferenz Europäischer Kirchen angehörenden Delegierten hinzu.

LeerWeiterhin gab es ein ausdrücklich ins Programm aufgenommenes Hearingprogramm, an dem täglich und in inhaltlicher Abstimmung mit den Tagesthemen der Konferenz Fachdiskussionen zu den Fragen des Friedens, der Gerechtigkeit und der Bewahrung der Schöpfung durchgeführt wurden in Verantwortung der christlich-europäischen Organisationen und Gemeinschaften. Schließlich war der Versuch einer relativ weitgehenden Öffnung für alle Interessierte durch Teilnahme-möglichkeit an Plenardiskussionen, Hauptreferaten und bei der Schlußabstimmung bemerkenswert. Hier waren freilich quantitative Grenzen gesetzt.

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LeerIch zähle auch zu den erfreulichen Besonderheiten, daß es geglückt ist, die erwünschte möglichst hohe Beteiligung von Frauen mit zumindest 38% (unter Einschluß der Vertreter bzw. Vertreterinnen der katholischen und orthodoxen Kirchen!) zu erreichen. Ich meine, daß die streng kirchenrechtlich-hierarchisch denkenden Positionen versuchten, den Geist der Demut und der Mitbeteiligung der Laien ernst zu nehmen, um sich so auf künftig immer legitimere Vertretungen des ganzen Volkes Gottes auch in ökumenischen Versammlungen hin zu bewegen.

LeerBedeutsam die Symbolhandlung des Anfangs: Hoch über dem strömenden Rhein das langsame Sich-aufeinander-Zubewegen von zwei Personen: Von Frieden und Gerechtigkeit? Von Genf und Rom? Von östlichem und westlichem Europa? Sie ließen Tauben frei, als sie sich, dem Motto gemäß, als Friede und Gerechtigkeit küßten. Das Abschlußdokument, das in drei Versionen Rückmeldungen einarbeitete und dann in der Schlußabstimmung mit 95% der anwesenden Stimmen angenommen wurde, kann nur den einen zu weit und den anderen zu wenig weit gehen. Das ist unvermeidlich. Wesentlich dürfte auch hier der Prozeß der Vorbereitung und der entscheidend wichtige Prozeß der Nachbereitung sein.

LeerAusdrücklich heißt es, daß die Kirchen und Christen vor Ort Konkretionen, Präzisierungen ihres Auftrages vorzunehmen hätten. Mir scheint bedeutsam zu sein, daß mit diesem Dokument die Fragen des konziliaren Prozesses, die Überlebensfragen der Menschheit nach Gerechtigkeit, nach Frieden, nach Schöpfungserhalt als glaubensrelevant erkannt und anerkannt worden sind. Dahinter kann wohl keine Kirche mehr zurück. Die ethisch-politische Dimension des Glaubens war es in diesem Fall, welche die Christen des Kontinents auf einen gemeinsamen Weg brachte und weiter führt. Nebeneinander werden sie verlaufen müssen und ineinander sich verschränken, der Weg der „Zuneigungen” („Konvergenzen”) von Lima (1983) und der „konziliare” Prozeß in den Überlebensfragen unserer Zeit.

LeerÜbrigens haben Christen aus allen Richtungen Europas schon den Weg nach Basel als „Prozeß” gestaltet, als „Prozession”. Berliner, Lubliner und Prager Christen trafen sich mit Nürnbergern und kamen gemeinsam nach Basel. Budapester, Österreicher und Münchner Christen gingen den Weg miteinander. Über Assisi liefen und fuhren in den Wochen zwischen Ostern und Pfingsten Christen unter Leitung der „Kleinen Brüder” Jesu nicht anders, als Christen in Baden und Württemberg den Weg zu Fuß machten. Von Rotterdam her fuhr ein Ökumenenschiff stromaufwärts und hatte Station um Station, Statio um Statio, mit Andacht, Kundgebung und Entgegennahmen von Grüßen, die zusammen mit dem Aachener Kreuz ins Münster gebracht wurden. Der Weg der Christen in Europa sollte „vor Ort”, aber immer gemeinsam, er sollte grenzüberschreitend und verbindlich am Ende dieses Jahrtausends vorangehen, um die Wunden, die dieses Jahrtausend dem Leib Christi geschlagen hat, heilen zu helfen - zum Wohl der gesamten Christenheit auf Erden.

Quatember 1989, S. 160-161

© Joachim Januschek
Letzte Änderung: 13-04-23
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