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Begegnung mit dem Davidstern
von Wilhelm Göbel

Zum Leuchter in der Kirche des Frankfurter Diakonissen-Mutterhauses

LeerIn der zweiten Hälfte der siebziger Jahre war in mir die Überzeugung gereift, daß zur Ausstattung eines Kirchenraumes über die bekannten christlichen Symbole hinaus Zeichen sichtbar sein sollten, die in irgendeiner Weise an unseren Ursprung und unsere Herkunft erinnern: "Alle meine Quellen sind in dir, Jerusalem." So wie Paulus die Gemeinde in Rom in den Kapiteln 9-11 seines Briefes von dem einen Volk Gottes aus Juden und Heiden spricht und daran erinnert , daß die Wurzel den Stamm trägt, sollte in der christlichen Kirche dieser Ursprung in weiteren Zeichen im Kirchenraum erinnert und wachgehalten werden.

LeerPinchas Lapide hat in seinem Buch "Auferstehung. Ein jüdisches Glaubenserlebnis" (Kösel, 1977) die zentrale Bedeutung jüdischer Glaubenserfahrung für die Christen angesprochen. Es galt, die Zeichen und Bilder des Alten Testamentes im Kirchenraum neu zu entdecken und zu lieben. Eines dieser Symbole ist der Leuchter, etwas Brennendes, ein Feuer. Und als Symbol aus dem Volk Gottes sollte es an zentraler Stelle in Erscheinung treten.

LeerWalter Lotz hatte einmal über den Davidstern und das Ineinander der farbigen Dreiecke geschrieben. Der Davidstern fasziniert mich. Im 'Dritten Reich' zu einem bösen Zeichen gemacht und zur Demütigung der Juden unter uns auf deren Kleidung genäht und in ihre Papiere gestempelt, an Häuser von jüdischen Menschen als Verfluchung gemalt - dieses Zeichen sollte in der Kirche als ein Heilszeichen einziehen. Es sollte wiederentdeckt werden als ein Zeichen Christi, des Sohnes Davids, als 'Stern der Erlösung' (Franz Rosenzweig), als 'Aufgang aus der Höhe' (Lk 1,78), als der helle Morgenstern der Osternacht, der niemals untergeht, den viele unserer Kirchenlieder besingen. Dieses Zeichen sollte brennen und leuchten.

LeerSo bekam der Leuchter seine Gestalt. Auf die sechs inneren und die sechs äußeren Schnittpunkte der beiden ineinandergeflochtenen Dreiecke wurden die Kerzen aufgesteckt. Ein rundes Tablett, wie der Leuchter aus Tombak getrieben, präsentierte den Zwölfer-Leuchter und diente zugleich als Tropfteller. In der Dorfkirche St. Alban in Odenhausen/Lumda nahm der hölzerne Taufstock den Davidstern als Leuchter bei festlichen Gelegenheiten und bei Taufen auf: Zum Wasser kam das Feuer, ein 'Herd' für die Gemeinde. Das Symbol an dieser Stelle hat sich dann als sehr beredt erwiesen und weitere Zusammenhänge assoziieren lassen. Die ganze Zions-Tradition wurde lebendig: Quelle im Tempel, Leuchte Davids, die Zwölf Stämme Israels und ihre Repräsentation in den Zwölf Aposteln. Die Hochfeste im Kirchenjahr wurden mit diesem Symbol gefeiert und interpretierten sich an diesem Zeichen.

LeerDavid-Stern-LeuchterAuch in der Diakonissen-Kirche des Frankfurter Diakonissen-Hauses wurde der Davidstern-Leuchter noch einmal gebaut. Ein alter liturgischer Brauch, am Tag der Himmelfahrt des Herrn nach der Lesung des Evangeliums zu löschen, wurde durch die Einbeziehung des Davidstern-Leuchters ergänzt: Bevor die Osterkerze gelöscht wird, werden die zwölf Kerzen auf dem Davidstern an der Osterkerze entzündet. Als Zeichenhandlung wird damit sinnenfällig gemacht, wo das Osterlicht geblieben ist, nämlich in der apostolischen Kirche.

LeerDas Kerzen-Symbol in der Anordnung der Zwölfer-Gruppe bekam neue Transparenz und ließ die Hintergründe vieler Pfingstlieder sichtbar werden. Taufe mit Wasser, Heiligem Geist und Feuer, vom Täufer Johannes angesagt und in Jesus erfüllt, erschienen im Bilde.

LeerNach der Renovierung der Kirche 1989, seit der der Deckel des Taufsteins als Relief den Davidstern trägt und als Griff ein bronzenes Reis, die 'Wurzel Jesse', wurde als Weihe-Gebet beim Taufstein gesprochen:
Jesus, Du Sohn Davids, erbarme Dich unser. Du hast in deiner Liebe die Gemeinschaft mit uns Sündern nicht verleugnet und hast Dich durch die Hand des Johannes im Jordan taufen lassen. Sei mitten unter uns, wenn wir unserer Taufe gedenken, damit sie uns eine Quelle des Lebens sei und bleibe, ein Wasser der neuen Geburt, eine heilsame Flut der Reinigung, damit wir durch den Hauch Deiner Gnade erneuert, in Deinem Königreich unter Dir leben und Dir dienen. Zur Ehre Gottes des Vaters. Lob und Preis sei Dir mit dem Vater im Heiligen Geist, Herr aller Mächte und Gewalten, Herr über den Kosmos und alle Zeit, Herr über den Tod. Du regierst Dein Volk mit Gerechtigkeit und Gericht, mit Gnade und Barmherzigkeit. Du bist unser König. Amen.
LeerBeim Nachdenken über die liturgische Funktion von Altar, Kanzel und Taufstein wurde die Zusammengehörigkeit von Taufe uns königlichem Amt Christi neu entdeckt. Das Königreich der Himmel, in dem ich in der Taufe das Bürgerrecht erhalten habe, ist die Erfüllung des Königstums Davids -der auch ein Hirte gewesen ist - durch den Auferstandenen aus Davids Stamm.

LeerEines der vielen Lieder vom Stern singe ich nun in erweitertem Horizont, der bis zu den letzten Dingen reicht:
Wie schön leuchtet der Morgenstern
voll Gnad und Wahrheit von dem Herrn,
die süße Wurzel Jesse.
Du Sohn Davids aus Jakobs Stamm,
mein König und mein Bräutigam,
hast mir mein Herz besessen...
Quatember 1989, S. 232-234

© Joachim Januschek
Letzte Änderung: 13-04-23
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