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Eine Bemerkung zuvor
von Ulrich Wickert

LeerDer Erneuerung und Einheit der Kirche, so weist es das Titelblatt aus, möchte QUATEMBER dienen. Eines ist nicht ohne das andere zu haben: Aber man könnte nur tätig werden, wenn man genau wüßte, was das eine und das andere bedeutet. Vor Jahren fiel der damals in Berlin tagende Zentralausschuß des Ökumenischen Weltrates der Kirchen in ein stummes Entsetzen, als ihm durch einige Vorträge auf der Grundlage von Mitteilungen des Club of Rome der heillose Zustand unserer Welt so recht ins Bewußtsein trat. Als aber dann einer der anwesenden ostkirchlichen Theologen die Möglichkeit erwog, es könnte sich um Zeichen der Endzeit handeln, die der Christ erhobenen Hauptes zu gewahren hätte (Lukas 21,28) - da erfolgte im Zentralausschuß (weil er den im Geiste des Paulus geltend gemachten »eschatologischen Vorbehalt« offenbar nicht verstand) ein allgemeines unmutiges Schütteln des Kopfes: Es sei unmöglich, sich so unbedingt aufs »Jenseits« einzustellen, für diese Welt sei das Christentum da.

LeerVoilá: Genau an dieser Stelle sitzt auch noch heute, und zwar weltweit, der Krebsschaden der Christenheit. Nicht das diese vorläufige Welt in Bewegung setzende ewige Leben, sondern das ins Hiesige sich verkrallende Überleben ist beherrschendes Thema. Die letzten und die vorletzten Dinge, mit Bonhoeffer zu reden, werden nicht mehr klar unterschieden; oder mit Augustinus zu sprechen: Der höchst vorläufige irdische Friede (die pax terrena) genießt schlechthin den Vorrang. Die eschatologische Vollendung, auf die das authentische Christentum zielt, ist entweder in den Geschichtsverlauf utopisch zurückgeholt, oder sie hat sich zum imaginären Fluchtpunkt verdünnt, der keinen Menschen ernsthaft interessieren kann. Daß wir wanderndes Gottesvolk und pilgernde Kirche sind; daß die irdischen Dinge, so wichtig sie seien, vor der »ewigen und über alle Maßen gewichtigen Herrlichkeit« (2. Korintherbrief 4,17) an Bedeutung verlieren: Das noch zu glauben ist einigen Winkelchristen gern überlassen. Das Ganze der Heilsgeschichte steht nicht mehr im Blick (eine von Bischöfen wie Theologieprofessoren nur allzu bereitwillig akzeptierte Frucht geistesgeschichtlicher Entwicklung).

LeerDie Folge: Man lebt als Christ schließlich nur noch aus dem momentanen Impuls, und insoweit nicht die bei aller Gefährdung auch wieder höchst lebenslustige Welt die Gesamtorientierung liefert, löst sich das Christentum (und mit ihm die Kirche) in Gruppenaspekte und Individualinteressen auf, die sich durch willkürliche Handhabung der Heiligen Schrift (wie der kirchlichen Überlieferung) zu legitimieren suchen. Erneuerung und Einheit der Kirche können sich ereignen, wo man sich demütig und diszipliniert in das vom lebendigen Gott durch Jesus Christus gestiftete Ganze fügt. Das Ganze zu erkennen muß unser vordringliches Interesse sein: Es ist das Eine, was nottut.

Quatember 1993, S. 2

© Joachim Januschek
Letzte Änderung: 13-02-07
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