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Christus nachfolgen
Schwester Teresia Benedicta a Cruce - Edith Stein -
mit Maria auf dem Weg bis unter das Kreuz

von Barbara Albrecht

»Wir verkündigen Christus als den Gekreuzigten:
für Juden ein empörendes Argernis, für Heiden eine Torheit,
für die Berufenen aber, Juden wie Griechen,
Christus, Gottes Kraft und Gottes Weisheit.
Denn das Törichte an Gott ist weiser als die Menschen,
und das Schwache an Gott ist starker als die Menschen.
Seht doch auf eure Berufung!...
Das Törichte in der Welt hat Gott gewählt,
um die Weisen zuschanden zu machen,
und das Schwache in der Welt hat Gott erwählt,
um das Starke zuschanden zu machen.
Und das Niedrige in der Welt und das Verachtete
hat Gott erwählt: das, was nichts ist...
Von ihm her seid ihr in Christus Jesus ... Wer sich also rühmen -will, der rühme sich des Herrn.«
(Aus 1. Korintherbrief Kap. 1)
Leer»Selig, die aus der großen Bedrängnis kommen« - so begann Papst Johannes Paul II. seine Predigt aus Anlaß der Seligsprechung der Philosophin Dr. Edith Stein, der Karmelitin Schwester Teresia Benedicta a Cruce, am 1. Mai 1987 in Köln, und er fuhr fort: »In tiefer Verehrung und mit heiliger Freude grüßen wir eine Tochter des jüdischen Volkes, reich an Weisheit und Tapferkeit... Vereint mit Christus, dem Gekreuzigten, gab sie ihr Leben dahin für den wahren Frieden und das Volk.«

LeerDiese Worte sind wie eine Weiterführung unserer Lesung aus dem 1. Korintherbrief. Paulus schreibt davon, daß er Christus, den Gekreuzigten, verkündigen müsse - den Juden und Heiden Ärgernis und Torheit, den Berufenen aber aus Juden und Heiden Gottes Kraft und Weisheit. Edith Stein hat das erfahren. Ihre Taufe am Neujahrstag 1922, ihr Eintritt in den Karmel zu Köln 1933, ihr Leben dort und von 1939 an im holländischen Karmel zu Echt, schließlich ihr Tod als Karmelitin jüdischer Abstammung im August 1942 in den Gaskammern von Auschwitz - alles steht im Zeichen des Kreuzes. Schwester Teresia Benedicta vom Kreuz hat die Wahrheit gesucht und sie in Jesus Christus, dem Gekreuzigten, gefunden. Sie hat diese Wahrheit im Leben und Sterben bezeugt.

LeerDoch unsere Lesung enthalt noch einen anderen Aspekt. Paulus spricht davon, daß Gott die Niedrigen in der Welt erwählt, das, was nichts ist - nichts aus sich selbst, alles aber durch Gottes Gnade. Der Apostel rät schließlich denen, die sich rühmen wollen, daß sie sich des Herrn rühmen mögen. Wem würde bei diesen Worten nicht Maria einfallen, die von Gott zur Mutter seines Sohnes erwählte niedrige, kleine Magd, Maria, die sich in ihrem Magnificat Gottes rühmt und all dessen, was der Herr Großes an ihr getan hat.

LeerDas führt uns zu der Frage: Wie war eigentlich Edith Steins Beziehung zu Maria? Hatte sie überhaupt ein Verhältnis zu ihr? Die Antwort sei vorweggenommen: Ja, und zwar ein sehr tiefes und vielgestaltiges! Maria und die christliche Frau gehören für sie anthropologisch und theologisch einfach zusammen. Darum hat sich Edith Stein in den Jahren zwischen 1922 und 1933 (als sie am Lehrerinnen-Seminar der Dominikanerinnen in Speyer und als Dozentin am Deutschen Institut für wissenschaftliche Pädagogik in Münster/Westfalen arbeitete) im Rahmen ihrer Vorlesungs- und Vortragstätigkeit zum Thema »Frau und Frauenbildung« immer wieder mit Maria befaßt. Dies aber nicht nur theoretisch. Denn sie ist ihren eigenen Nachfolgeweg als getaufte Christin von Anfang bis Ende wie Maria und mit ihr, der ersten Christin, gegangen - voll Verlangen, ihr ähnlich zu werden.

LeerDie Wahrheit ist konkret! Sie betrifft zunächst das Leben Edith Steins als ganzes. In einem nachdenklichen Rückblick auf dessen einzelne Etappen bis zu ihrem Eintritt in die Verborgenheit des Karmel schrieb sie einmal:

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Leer»Was nicht in meinem Plan lag, das hat in Gottes Plan gelegen. Und je öfter mir so etwas begegnet, um so lebendiger wird in mir die Glaubensüberzeugung, daß es - von Gott her gesehen - keinen Zufall gibt, daß mein ganzes Leben bis in alle Einzelheiten im Plan der göttlichen Vorsehung vorgezeichnet und vor Gottes all-sehendem Auge ein vollendeter Sinnzusammenhang ist.« (II, 109 f.)

LeerGenau das trifft doch wohl auch, und zwar in einem einzigartigen Sinn, für Marias Leben zu. Wie die Magd des Herrn ist auch Edith Stein erfüllt von einem geradezu kindlichen Vertrauen auf Gottes Vorsehung und bereit, »auf ihre Zeichen zu achten und ihnen zu folgen« (V, E 153). Sie verwirklicht jenen »Kindersinn«, der

Leer»nicht in der Theorie, sondern praktisch in jedem einzelnen Fall... von Herzen sprechen kann: Herr, nicht mein, sondern dein Wille geschehe.« (VIE, Nr. 76) Das heißt mit anderen Worten:

Leer»... an Gottes Hand gehen, Gottes Willen, nicht den eigenen Willen tun, alle Sorge und alle Hoffnung in Gottes Hand legen, nicht mehr um sich und seine Zukunft sorgen. Darauf beruht ... die Freiheit und Fröhlichkeit des Gotteskindes« (WSt 17). Ein solches Gotteskind aber war nicht nur Maria in der Stunde der Verkündigung und beim Magnificat, sondern mehr und mehr auch Edith Stein. Diejenigen, die sie - wie ihre Freundin, die Professorin Dr. Hedwig Conrad-Martius - als Novizin im Kölner Karmel erlebt haben, stellten beglückt die Kindlichkeit fest, die dort zum Durchbruch gekommen war. »Der wundersame Doppelsinn des Wortes Gratia: Gnade und Grazie waren hier vereinigt.« (HB1035, 89) Edith Stein selbst hat noch vor ihrem Eintritt in den Karmel davon gesprochen, daß sich Jungfräulichkeit als echt erweisen müsse

Leer»in der unwillkürlich ausstrahlenden Fröhlichkeit, die ein Leben mit Christus und für ihn verleiht, und (in) der selbstverständlichen Opferbereitschaft, in dem inneren Frieden, der durch keine äußeren Wechselfälle gestört werden kann«.(V,E179)

LeerDiese Haltung hat sich wie bei Maria so auch bei Edith Stein in einer extremen Situation als echt erwiesen. Aus dem Lager Westerbork kam unmittelbar vor dem Abtransport nach Auschwitz noch ein Zettelchen von Schwester Benedicta (so wurde sie im Karmel genannt), auf dem der kurze Satz stand: »Konnte bisher herrlich beten« (IV, Nr. 342). Gibt es eine tiefere Bestätigung dieses letzten inneren Friedens, »der durch keine äußeren Wechselfälle gestört werden kann«?

LeerMaria immer ähnlicher werden wollen - das fordert nicht nur das Bitten und Bemühtsein um »Kindersinn« und nicht nur eine tiefe innere Fröhlichkeit und zugleich eine Opferbereitschaft, wie sie nach dem Vorbild Mariens jeder, insbesondere jeder ausdrücklich an Christus gebundenen Frau zu eigen sein sollte. Gefordert ist auch eine wahre geistig-geistliche Mütterlichkeit. Wie Maria sollte jede Frau die ihr anvertrauten Menschen zu Christus fuhren, sie an ihn binden und sie mit ihm verbinden. Es ist ein durch und durch marianischer Gedanke, wenn Edith Stein 1930 in einem Brief schreibt: »Ich bin nur ein Werkzeug des Herrn. Wer zu mir kommt, den möchte ich zu ihm führen.« (VIII, Nr. 76)

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LeerGeistige Mutterschaft hat aber auch etwas von Maria an sich, insofern sie die »Mutter vom guten Rat« ist und den Menschen Not abnehmen möchte. In einem Brief wiederum aus dem Jahr 1930 heißt es bei Edith Stein: »Es kommen viele Leute zu mir, und jeder, der glaubt, daß er bei mir Hilfe finden kann, ist mir herzlich willkommen.« (VIII, Nr. 63) Dieser Dienst des Ratens, Helfens, Tröstens und Beistehens war ein ausdrückliches Anliegen, das Edith Stein mit in den Karmel genommen hat. 1933, kurz nach Beendigung ihrer Vorlesungstätigkeit in Münster, heißt es in einem Brief:

Leer»Ich glaube, wenn Du etwas mehr davon wüßtest, wie viele Tausende jetzt zur Verzweiflung getrieben werden, dann würdest Du Dich danach sehnen, ihnen von ihrem Übermaß an Not und Leid etwas abzunehmen.« (Vm, Nr. 141)

LeerDiese Haltung ist Ausdruck jener Mütterlichkeit, die nach Edith Stein als »Eigenwert der Frau« bezeichnet werden muß.

Leer»Nur muß es eine Mütterlichkeit sein, die nicht bei dem engen Kreis der Blutsverwandten oder der persönlichen Freunde stehen bleibt, sondern nach dem Vorbild der Mutter der Barmherzigkeit für alle da ist, die mühsehlig und beladen sind.« (V, G 217) Edith Steins Vorbild ist Maria. Das zeigt sich in besonderer Weise im Zusammenhang mit ihrer Berufung in die engere Nachfolge Jesu Christi. Sie hat diesen Schritt als ein Wagnis des Glaubens empfunden. »Es muß ja so sein, daß man sich ohne jede menschliche Sicherung ganz in Gottes Hände legt.« (VIII, Nr. 105) Wie Maria. Die Nähe zu ihr kommt deutlich auch in folgendem Wort zum Ausdruck:

Leer»Ich weiß mich gehalten und habe darin Ruhe und Sicherheit - nicht die selbst-gewisse Sicherheit des Mannes, der in eigener Kraft auf festem Boden steht, sondern die ... selige Sicherheit des Kindes, das von einem starken Arm getragen wird - eine, sachlich betrachtet, nicht weniger vernünftige Sicherheit. Oder wäre das Kind 'vernünftig', das ständig in der Angst lebte, die Mutter könnte es fallenlassen?« (E, 56 f.)

LeerEdith hat ihre Berufung immer als »unverdiente Gnade« verstanden (IX, Nr. 229) - wie Maria. Wozu sie »ganz ohne Verdienst erwählt worden« ist, das soll ihr, so schreibt sie 1934, »ein Ansporn« sein, »alle Kräfte zusammenzunehmen« (VIII, Nr. 165), um »ein leeres Gefäß für die göttliche Gnade« zu werden (IX, Nr. 277).

LeerFür Schwester Benedicta ist Maria die »Mutter aller Mütter«. »Jede Gabe kommt aus ihrer Hand«, so heißt es in Gedichten aus dem Karmel. Aus ihrer Hand hat Edith Stein deshalb auch ihre Karmelberufung entgegengenommen. Das bezeugen vor allem die Notizen während der Vorbereitungsexerzitien auf die ewigen Gelübde am 21. April 1938. Diese Zeit der Einkehr stand ganz im Zeichen der inneren Beziehung Schwester Benedictas zu Maria. Diese Mutter ist für sie nicht nur »Urbild aller Mutterschaft« (II, 472), sondern zugleich »Urbild der Kreuzesnachfolger aller Zeiten« (X, 110). In ihren Betrachtungsnotizen schreibt sie über Maria:

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Leer»Ihr Herz ist weit geöffnet - wie die Arme ihres Sohnes, der vom Kreuz aus alles an sich gezogen hat. Unter dem Kreuz hat sie das Erbe ihres Sohnes empfangen: als Mutter des Erlösers (hat sie) alle in ihr Herz aufgenommen.« (X, 124)

LeerVom Karfreitag 1938 ist ein Gedicht an Maria erhalten geblieben, das so beginnt:
»Heut hab' ich unterm Kreuz mit Dir gestanden
und hab' so deutlich wie noch nie empfunden,
daß unterm Kreuz Du unsre Mutter wurdest...« (X, 124)
LeerAm Ostersonntag 1938 notierte Schwester Benedicta:

Leer»O meine geliebte Mutter, Dir hat der Herr die Geheimnisse seines Reiches anvertraut, Dir seinen mystischen Leib übergeben ... Du kennst jedes Glied, weißt seine Aufgabe und suchst es dahin zu lenken ... Ich weiß nicht, was Du mit mir vor-hast... Ich rnöchte mich wie ein gefügiges Werkzeug in Deine Hände geben. Ich vertraue auf Dich, daß Du das stumpfe Werkzeug tauglich machen wirst... Erinnere mich immer daran, wenn ich vom wahren Sein in etwas Scheinhaftes abgleite.« (X, 124 f.)

LeerEdith Stein ist sehr bewußt in den Karmel eingetreten, in jenen Orden, der als einziger den Alten und Neuen Bund eint durch die besondere Verehrung des Propheten Elias und der Gottesmutter. Der Karmel - Heimstatt des inneren Lebens, »wo Menschen in Einsamkeit und Schweigen vor Gottes Angesicht stehen, um im Herzen der Kirche die alles belebende Liebe zu sein« (WSt 43) - das war es, was Schwester Benedicta mit Gottes Gnadenhilfe wollte. Ganz klar war ihr dabei bewußt, »daß Gott niemanden für sich allein beruft« (IX, Nr. 262).

Leer»Wer in den Karmel geht, ist für die Seinen nicht verloren, sondern er ist eigentlich gewonnen; denn es ist ja unser Beruf, für alle vor Gott zu stehen.« (DC, 174)

LeerVor Gott stehen - einer für alle (!) wie Elia (vgl. 1.Könige 17,2) und wie Maria in der Stunde der Verkündigung. Doch das ist nur der Anfang des Weges. Maria stand als die eine für alle vor Gott auch unter dem Kreuz. Sie hat dort »Christus im Geheimnis des Kreuzes« geschaut (X, 39) und jene dunkle Nacht der Seele durchlitten, in der »das göttliche Licht nicht mehr leuchtet und die Stimme des Herrn nicht mehr spricht« (WSt 18). Und es gibt Menschen, die ebenfalls an diesen Standort unter dem Kreuz berufen werden. Edith Steins Wissen darum klingt in einem ihrer Briefe schon 1932 an:

Leer»Es gibt eine Berufung zum Leiden mit Christus und dadurch zum Mitwirken mit seinem Erlösungswerk ... Es ist ein Grundgedanke allen Ordenslebens, vor allem aber des Karmellebens, durch freiwilliges und freudiges Leiden für die Sünder einzutreten und an der Erlösung der Menschheit mitzuarbeiten.« (Vffl, Nr. 129)

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LeerEdith Stein wurde in einem erschütternden Sinn auch und vor allem der Gottesmutter ähnlich unter dem Kreuz. Ihr Weg mit Maria führte zielgerade darauf hin, und der Faden lief wiederum über ihr Volk, über eine der großen Frauen des Alten Bundes, die von der Kirche als Vorbild Mariens angesehen wird: die Königin Esther. In einem Brief vom 31. Oktober 1938 schreibt Schwester Benedicta:

Leer»Ich vertraue, daß ... der Herr mein Leben für alle genommen hat. Ich muß immer wieder an die Königin Esther denken, die gerade darum aus ihrem Volk genommen wurde, um für das Volk vor dem König zu stehen. Ich bin eine sehr arme und ohnmächtige kleine Esther, aber der König, der mich erwählt hat, ist unendlich groß und barmherzig. Das ist ein so großer Trost.« (DC, Nr. 218)

LeerDie Verbindung zwischen der alttestamentlichen Esther, Maria und Schwester Benedicta kommt zum Ausdruck auch in jenem geheimnisvoll-bedeutungsschweren Gedicht, das 1940 in Echt für ein Fest der »Mutter« (der Priorin) entstanden ist. Es tragt den Titel »Nächtliche Zwiesprache« und handelt von der mitternächtlichen Herbergsuche Esthers im Karmel. Esther steht wiederum für ihr leidendes Volk. Sie sagt der Priorin am Ende eines langen Dialogs:
»Dort oben aber fleht am Gnadenthron
die Mutter unablässig für ihr Volk.
Sie sucht nach Seelen, die ihr beten helfen.
Dann erst, wenn Israel den Herrn gefunden,
erst dann, wenn ihn die Seinen aufgenommen,
kommt Er in offenbarer Herrlichkeit.
Und dieses zweite Kommen muß erbeten sein ...«
Darauf antwortet die Mutter Priorin:
»Die Königin des Karmel sendet Dich.
Wo anders fände sie bereite Herzen,
wenn nicht in ihrem stillen Heiligtum?
Ihr Volk, das Deines ist, Dein Israel,
ich nehm' es auf in meines Herzens Herberg'.
Verborgen betend und verborgen opfernd
hol' ich es heim an meines Heilands Herz.«
Esther (Schwester Benedicta):
»Du hast verstanden, und so kann ich scheiden.
Ich bin gewiß, der Gast wird nicht vergessen,
der zu Dir trat in mitternächt'ger Stunde.
Wir seh'n uns wieder an dem großen Tag,
dem Tag der offenbaren Herrlichkeit,
wenn überm Haupt der Karmelkönigin
in hellem Glanz die Sternenkrone schimmert,
weil die zwölf Stamme ihren Herrn gefunden.
Leb wohl!« (XI, 170 f.)
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LeerWas hier in Versform als Aufgabe einer Karmelitin anklingt: das »Dasein für« in Gebet und Opfer nach dem alttestamentlichen Vorbild der Königin Esther, nach dem Vorbild Christi und seiner Mutter Maria - Schwester Benedicta vom Kreuz hat diese Aufgabe mit ihrem Lebenseinsatz besiegelt. Ihr letztes, unvollendetes Buch über ihren Ordensvater Johannes vom Kreuz, betitelt »Kreuzeswissenschaft«, hat sie als eine wahre »Kreuzeswissenschaftlerin« mit ihrem eigenen Tod unterschrieben und vollendet. Schwester Benedicta vom Kreuz hat genau das verwirklicht, was sie in den schon erwähnten Karfreitagsversen an Maria 1938 im Blick auf die Gottesmutter und ihre Begleiterinnen innerhalb und außerhalb des Karmels so ausgedrückt hat:
»... doch die Du auserwählt Dir zum Geleite,
Dich zu umgeben einst am ew'gen Thron,
sie müssen hier mit Dir am Kreuze steh'n ...«
LeerSolche Frauen aber, die - der Jungfrau, Mutter und Magd des Herrn gleich - im Dienst an Gottes Volk bereit waren und sind zur Hingabe ihrer selbst bis zum äußersten, erwählte und erwählt der Herr wie einst, so heute »mit Vorliebe zu seinen Werkzeugen, um Großes in der Kirche zu vollbringen« (WSt 36). Alles deutet darauf hin, daß Gott mit Edith Stein, Schwester Teresia Benedicta a Cruce, ähnliches vorhat.

LeerEs gibt nun viele Möglichkeiten, sich den Fragen zu stellen, die die Betrachtung der Beziehung Schwester Benedictas zu Maria auf dem Weg der Nachfolge Christi auslöst. Nicht nur geht es um die Überprüfung unseres eigenen Verhältnisses zu Maria überhaupt, sondern um den an ihr und Schwester Benedicta abgelesenen vorsehungsgläubigen »Kindersinn«.

Leer- Müßten wir nicht wieder bewußter versuchen, alle Sorge und alle Hoffnung in Gottes Hand zu legen und seinem Plan mit uns wirklich zu vertrauen?

Leer- Wie steht es mit unserer eigenen Bereitschaft, anderen gegenüber den Dienst selbstlosen Ratens, Helfens, Tröstens und Beistehens zu praktizieren?

Leer- Und wie sieht es mit unserer Standhaftigkeit unter dem je persönlichen Kreuz aus? Denken wir noch daran, daß unser Ja aus Liebe zu Christus, dem Gekreuzigten, unsichtbar anderen die Kraft schenken kann, in eigenen Kreuzessituationen nicht davonzulaufen und zu fliehen oder gar dem Herrn die Faust entgegenzuschleudern und die Beziehung zu ihm aufzukündigen?

LeerDas alles möge in die Bitte münden, daß Maria wie für Edith Stein, die selige Schwester Teresia Benedicta a Cruce, ganz lebendig und konkret auch uns Mutter sein möge. Lassen wir sie uns erstmalig oder aufs neue oder noch tiefer als bisher von Jesus Christus, dem Gekreuzigten, schenken und mit ihr bei ihm ausharren. So verkündigen wir Christus als den Gekreuzigten: für die einen Ärgernis, für andere Torheit, für die Berufenen aber »Gottes Kraft und Gottes Weisheit« (1. Korintherbrief 1, 24).

Ansprache im Rahmen einer Vesper im Dom zu Osnabrück

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Literatur:

Lucy Gelber/Romaeus Leuven OLD (Hrsg.): Die Werke Edith Steins.


I: Kreuzeswissenschaft. Studien über Joannes a Cruce, Louvain-Freiburg, 1954.
II: Endliches und Ewiges Sein. Versuch eines Aufstiegs zum Sinn des Seins. Louvain-Freiburg, 1950.
V: Die Frau. Ihre Aufgabe nach Natur und Gnade. Louvain-Freiburg, 1950.
  • Das Ethos der Frauenberufe (A). 1930.
  • Beruf des Mannes und der Frau nach Natur- und Gnadenordnung (B). 1931.
  • Christliches Frauenleben (C). 1932.
  • Grundlagen der Frauenbildung (D). 1930.
  • Probleme der Frauenbildung (E). 1932.
  • Aufgabe der Frau als Führerin der Jugend zur Kirche (F). 1931.
  • Der Eigenwert der Frau in seiner Bedeutung für das Leben des Volkes (G). 1928.
  • Aufgaben der katholischen Akademikerinnen der Schweiz (H). 1932.
VI: Welt und Person. Beitrag zum christlichen Wahrheitsstreben. Louvain-Freiburg, 1962.
VII: Aus dem Leben einer jüdischen Familie. Das Leben Edith Steins: Kindheit und Jugend. Vollständige Ausgabe. Druten-Freiburg, 1985.
VIII: Selbstbildnis in Briefen. I. Druten-Freiburg, 1976 (Angabe jeweils der Brief-Nummer).
IX: Selbstbildnis in Briefen. II. Druten-Freiburg, 1977 (Angabe jeweils der Brief-Nummer).
X: Romaeus Leuven: Heil im Unheil. Das Leben Edith Steins: Reife und Vollendung. Druten-Freiburg, 1983.
XI: Verborgenes Leben. Hagiographische Essays, Meditationen, Geistliche Texte. Druten-Freiburg, 1987.

Waltraud Herbstrith (Hrsg.): Edith Stein: Wege zur inneren Stille. Frankfurt/M, 1978 (WSt); erweiterte Ausgabe: Aschaffenburg (Kaffke), 1987.

Sekundärliteratur
Waltraud Herbstrith (Hrsg.): Edith Stein: Ein neues Lebensbild in Zeugnissen und Selbstzeugnissen. HB. 1035. Freiburg, 1983 (Abkürzung: HB 1035).

Dr. Barbara Albrecht
Quatember 1993, S. 18-25

© Joachim Januschek
Letzte Änderung: 12-08-20
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