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Auf dem Kirchentag im »Kloster«
von Ingrid Vogel

LeerKirchentag - Tage der Kirche. Tage der Kirche mit allem, was Kirche ausmacht, waren es auch diesmal, am 25. DEKT über Fronleichnam in München.

LeerDie »Berneuchener Familie« war Teil des sogenannten »Klosters«, der Halle, wo die laute Hektik, das Laufen, Schieben und Schnattern der Massen in einer Oase der Stille, des Schauens und Betens innehielten. Martyria, Diakonia undLeiturgia wurden hier in wahrer Koinonia mit den anderen Communitäten und Gemeinschaften gelebt.

LeerSo begann das gemeinsame Kirchenleben bereits am Montag am Vormittag mit einer Messe in der nahegelegenen Auferstehungskirche, mit dem Teilen mitgebrachter Lebensmittel und dem gemeinsamen Schleppen der Materialien für die Kojen. Auch wenn jede Gemeinschaft reichlichst mit den eigenen Aktivitäten beschäftigt war, lief man sich doch dauernd über den Weg. Ein freundliches Lächeln, ein paar kurze Sätze, täglich eine Messe und das gemeinsame Mittags- und Abendgebet begleiteten die Aufbautage, bis dann am Mittwoch rechtzeitig zur Eröffnung Stille und Ruhe in der »Halle der Stille« einzogen.

LeerBunt und vielseitig war wiederum die Teilnehmerschar im Kloster. Da waren die Frauen vom Casteller Ring, die auch diesmal die Hauptlast der Gesamtorganisation übernommen hatten. Sie zeichneten darüber hinaus verantwortlich für die Gestaltung der großen gemeinsamen Orte im Kloster, nämlich der Kirche und des Klosterhofs. Die Diakonissen des Luise-Henrietten-Stifts in Lehnin bewirtschafteten die »Oase«, das diakonische Klostercafé, wo sich jeder laben, ins Gespräch kommen oder einfach ein wenig ausspannen konnte. Die Christusbruderschaft Selbitz schuf im Foyer durch einen Raum mit Meditationsbildem von Sr. Christmaria Schröter für jeden Besucher der Klosterkirche eine »meditative Schleuse«, denn wer durch die vielen Stille-Schilder, die überall zu sehen waren, dennoch nicht auf Stille eingestellt war, merkte spätestens jetzt, daß er in keiner gewöhnlichen Messehalle gelandet war. Das Gethsemanekloster Goslar, die Offensive Junger Christen sowie die Berneuchener Familie mit Kindern und Kindeskindern lebten die Martyria vor allem durch die jeweiligen Kojen, die sie mit viel Engagement ausgestaltet hatten.

LeerDas Programm im Kloster orientierte sich an der Kirchentagslosung: »Nehmet einander an«. Dieses so offen formulierte Motto schien allerdings den Verantwortlichen für das Kloster von Anfang an zu wenig präzise, das Zeugnis in Vorträgen und Workshops sollte sich doch ganz am biblischen Zeugnis orientieren. So wählten wir schon bei den Vorbereitungstreffen den ganzen Vers aus dem Römerbrief und ordneten ihn nach lutherischem Verständnis den drei Tagen zu: Wie Christus euch angenommen hat - nehmt einander an - zu Gottes Lob.

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LeerDen ersten Vortrag: »Angenommen, ich bin angenommen« hatte die OJC übernommen, das Thema »Auseinandersetzen - zusammenbleiben; mit Konflikten leben« führte Priorin Sr. Edith Krug vom CCR aus, und am Samstag kam Selbitz zu Wort mit dem Lob Gottes. Die Nachmittage gaben in verschiedenen Kleingruppen Gelegenheit, das Thema des Vormittags zu entfalten. Zusammengefaßt wurde alles in je einer besonderen Aktion: So konnte der Klosterhof bei weitem nicht alle Menschen fassen, die sich zur Taufgedächtnisfeier am ersten Tag einfanden »Frieden erbitten - Segen weiterschenken« war der Titel einer beeindruckenden Konkretion des zweiten Tages, der dritte Tag mündete in einen Tanz zum Lobe Gottes.

LeerAber auch innerhalb unserer Berneuchener Gemeinschaft lebten wir Kirche in allen ihren Bezügen. Unser Berneuchener Stand war ein buntes Zeugnis der Vielfalt innerhalb unserer Familie. Unsere Identity-Card hatte zwar noch das alte Paßphoto der letzten Male, aber auf der Kinderseite waren die neuen Eintragungen diesmal vollständig nachgeholt. So mußte wohl mancher Michaelsbruder und manche Berneuchener Schwester ein wenig schmunzeln, als sie sich in beinah jugendlichem Alter an der Kojenwand entdeckten. Doch die Aussagekraft der Bilder war dadurch keinesfalls beeinträchtigt, und ein wenig Sparsamkeit ist allemal angesagt, war doch die Kojengestaltung nicht nur recht kostspielig, sondern eben auch graphisch ansprechend und immer noch aktuell. Die Kinder- und Verwandtenseite des Berneuchener Passes war wiederum von Vertretern der Gabrielsgilde und erstmals von pro ecclesia - FÜR DIESE KIRCHE beschickt. EMB, Jungbruderschaft, Gemeinschaft St. Michael und BD hatten jedoch als »alte Hasen« das Vorrecht, ihre Erfahrungen in allen Bereichen einzubringen.

LeerWie gesagt, Martyria - Zeugnis für die Kirche, die wir sind und an der wir immer wieder weiterbauen -, das war eines unserer Hauptanliegen als Berneuchener. So waren einige Brüder und Schwestern als Meditationsanleiter beteiligt an dem vielseitigen Meditationsangebot im Kloster. Die Palette des Angebotes reichte von Einführung in Stillemeditation, Atemgezeiten, Herzensgebet und Gregorianik als Meditationsübung hin zu Bildmeditation und meditativem Tanz. Auch als Leiter und Leiterinnen von Workshops waren wir eingesetzt. Leiturgia begann für uns am frühen Morgen in der Auferstehungskirche nahe dem Messegelände. Br. Schwarz hatte für das gesamte Kloster die Einteilung und Organisation der Messen übernommen.

Leer7.20 Uhr, schrecklich früh für uns alle, die wir in den verschiedenen Vororten Münchens untergebracht waren. 7.20 Uhr also mußten alle irgendwie Beteiligten gestellt sein. Für die Sakristei waren wir viel zu viele, so trafen wir uns in der Werktagskapelle. Hostienkörbe richten, Weinkannen vorbereiten, Zettel austeilen und - was das Schwierigste war - für alle passende Gewänder finden. Die Schola probte inzwischen im Gemeindehaus unter der fachkundigen Leitung von Br. Schaffert. Als um 7.55 Uhr die Glocken läuteten, merkten wir, daß die Zeit gar nicht so reichlich bemessen war, zumindest für den ersten Tag nicht; am Freitag klappte dann alles schon wie am Schnürchen. Es waren schöne Messen, immer geleitet von einem Bruder von uns, Predigt und Fürbitten hielten die anderen Gemeinschaften.

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LeerLeiturgia lebten und gestalteten wir auch mit bei den Gebetszeiten in der Klosterhalle im Messegelände und bei den verschiedenen Angeboten im Klosterhof. Dieser bildete das Zentrum der ganzen Anlage in der stillen Halle. Im Foyer trennten sich das erste Mal die Wege: nach links in die Segnungskapelle, wo die Gemeindeerneuerung stündlich Segnungsgottesdienste anbot; nach rechts in die Klosterkirche. Wer bis vor den Klosterhof gelangt war, hatte sogar drei Möglichkeiten:

LeerLinks kam man in die Halle der Stille, wo man liegen und ruhen konnte. Rechts führte der Weg zu den Kojen im Kloster, zur Oase und zu den Meditations- und Gesprächsräumen. Geradeaus konnte man in einen wunderschönen Klosterhof gehen. Vier Eckkapellen luden ein zum Gebet, zum schauenden Betrachten und zum Meditieren. Advent, Weihnachten und Epiphanias war die erste Kapelle gewidmet, von Passion zu Himmelfahrt spannte sich der Bogen in der zweiten. Keramikschalen mit Lichtern prägten die Pfingstkapelle, ein Schutzmantelchristus, der so wie die anderen Plastiken und Ikonen von Frau Irene Dilling geschaffen waren, die Trinitatiskapelle. Im Zentrum stand ein Taufbrunnen mit 1,20 m Durchmesser. »Ich bin angenommen«, das wurde den Besuchern dadurch sehr augenfällig deutlich gemacht.

LeerBei der Diakonia waren wir am wenigstens beteiligt, Ruheplätze mitten im Durchgang gestatten, das war vielleicht das Auffälligste. Aber innerhalb unserer Koje gab's sehr diakonische Aktionen. So brachte eine edle Spenderin aus dem BD riesige Mengen Schokolade für die ganze Belegschaft. Da unsere Mitarbeiterversorgung im übrigen nicht grandios klappte, waren wir auch oft auf die diakonische Hilfe der anderen Gemeinschaften angewiesen. Eine verschrumpelte Gurke war nämlich für lange Zeit unser einziger Essensvorrat.

Leer»Ja, daß wir uns wieder treffen« -»Ach, erinnern Sie sich noch an unsere erste Begegnung« - »Schön, dich zu sehen« - »Das ist doch erst eine Woche, seit wir beisammen waren« - »Wie Sie uns damals durch ihre Konfirmationskirche geführt haben« - solche und viele ähnliche Ausrufe - natürlich alle mit gedämpfter Stimme, sonst hätten wir sicher eine Rüge der Stille-Hüter eingeheimst - geben ein Bild der vielfältigen Koinonia auf diesem Kirchentag bei uns im Kloster. Und so manche setzten ihre Gemeinschaft auch nach »Arbeitsschluß« im Kloster fort bei einem gemeinsam besuchten Vortrag, beim Feierabendmahl in einer der vielen Gemeinden in München oder auch bei einem zünftigen bayerischen Bier.

LeerKirchentag - wahrlich Tage der Kirche! Kommt und seht beim nächsten Mal, 1995 in Hamburg, auch dort braucht es viele helfende Hände und mitdenkende Köpfe im »Kloster«, und Spaß macht's auch.

Quatember 1993, S. 176-178

© Joachim Januschek
Letzte Änderung: 13-03-30
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