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Birger Forell 1893-1958
von Hans Nickles

LeerIn einem Beitrag über den »Norton-Altar« im Weihnachtsheft 1990 dieser Zeitschrift schrieb ich über die Situation der deutschen Kriegsgefangenen des Zweiten Weltkriegs in England:

Leer»... Ein Mann aus Schweden nahm sich unserer Not an. Birger Forell, von 1929 bis 1942 schwedischer Gesandtschaftspfarrer in Berlin, folgte im Sommer 1944 einem Ruf des Bischofs von Chichester, Dr. Bell, und wurde durch seinen persönlichen Einsatz zum Vater der deutschen Kriegsgefangenen in England. Er reiste von Lager zu Lager, hielt Gottesdienste und Vorträge und hörte zu, wenn ihm die Gefangenen ihre Sorgen und Nöte unterbreiteten. Mit finanzieller und materieller Unter-stützung der Kriegsgefangenenhilfe der YMCA (= CVJM, Christlicher Verein Junger Männer) sowie der Ökumenischen Kommission für die Pastoration der Kriegsgefangenen (Genf) baute er aus kleinsten Anfangen ein Betreuungswerk auf, das von der geordneten Lagerseelsorge bis zur Beschaffung all der Dinge reichte, die zu einer sinnvollen geistigen, musischen und körperlichen Betätigung notwendig waren. Krönung dieser Arbeit war die Eröffnung eines Studienlagers mit einer Theologischen und einer Pädagogischen Hochschule im August 1945 in Norton Camp ... Das alles hatten wir der Hilfe von Christen aus USA, Schweden, England und der Schweiz zu verdanken...«

LeerBriefmarke Birger ForellAus Anlaß des 100. Geburtstages von Birger Forell gab die Deutsche Bundespost eine Sondermarke heraus, worüber wohl alle, die ihn kannten oder durch seine Arbeit gefördert wurden, Freude und Genugtuung empfunden haben. Das Briefmarkenmotiv (Wert: 100) wird wie folgt beschrieben: Kreuz, stilisiertes Herz, in der Andeutung der schwedischen Fahne sowie seine Lebensmaxime »Einer trage des anderen Last« (Galater 6,2). Der Ersttagsstempel Berlin vom 16.9.1993 zeigt Birger Forells Portrait. Dieses hätte ich lieber auf der Briefmarke gesehen, damit viele eine Vorstellung von diesem außergewöhnlichen Menschen bekämen, dem ich als Kriegsgefangener und Theologiestudent in Norton Camp in den Jahren 1944-47 viele Male begegnet bin. Vielleicht lesen auch nur Philatelisten den in den Postämtern ausgehängten Text zu seiner Person. Deshalb sei noch dessen Schlußteil zitiert, der das weitere Wirken Forells bis zu seinem Tode skizziert:

Leer»Auf die Not der Flüchtlinge und der Heimatvertriebenen stieß Birger Forell im Herbst 1945 auf einer kurzen Reise durch Deutschland. Von da an organisierte er nicht nur Hilfen für die Kriegsgefangenen in England, sondern er setzte sich bei seinen Landsleuten in Schweden auch für private Hilfen für Deutschland ein. Seit 1947 wurde Forell auf Grund seiner guten Kontakte mit den Engländern zu einem der Initiatoren zur Gründung der Flüchtlingsstadt Espelkamp auf dem Gebiet einer ehemaligen Munitionsfabrik. 1951 entschloß er sich, die Sicherheit seines Pfarramtes in Borås aufzugeben, um sich ganz der Hilfe der Verzweifelten in Deutschland widmen zu können. Er gründete die ‘Deutsch-Schwedische Flüchtlingshilfe’, die insbesondere den heimatvertriebenen Bauern bei ihrer Wiederansiedlung half.

LeerImmer wieder hielt er Vorträge in Schweden, schilderte die Zustände im Nachkriegsdeutschland und ‘bettelte’ um Hilfe.‘Jedem muß klar sein, daß in der gegenwärtigen Situation die größten Leiden von dem Teil der Bevölkerung in Deutschland ertragen werden müssen, der keine Verantwortung für den Krieg trägt, zum Beispiel von kleinen Kindern.’ Er bemühte sich, den notleidenden Menschen freizumachen von dem, was ihn bedrückte, was ihn lähmte, damit er wieder Vertrauen zu sich selbst gewinne, um sich von neuem in der Auseinandersetzung mit den Dingen dieser Welt zu bewähren. Forell ist ein großer Seelsorger gewesen. Gleichzeitig dachte und handelte er über die Grenzen hinweg als ein großer Europäer.«

LeerWer sich intensiver mit Birger Forell beschäftigen möchte, vor allem mit seinen Berliner Jahren in der Zeit des nationalsozialistischen Regimes und seinen Beziehungen zur Bekennenden Kirche, sei verwiesen auf die Biographie Harald v. Königswalds: Birger Forell. Leben und Wirken in den Jahren 1933-1958. Eckart-Verlag, Wirten und Berlin, 1962.

Quatember 1993. S. 237-238

© Joachim Januschek
Letzte Änderung: 13-04-15
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