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Der Glaube verleiht innere Freiheit
Buchbesprechung von Johann-Friedrich Moes

LeerRuth von Wedemeyer: In des Teufels Gasthaus. Eine preußische Familie 1918-1945. Hrsg. von Peter von Wedemeyer und Peter Zimmerling. Brendow-Buch-Kunstverlag, Moers, 1993, 230 Seiten, 28,- DM

LeerEigentlich nur für ihre Enkel wollte Ruth von Wedemeyer das Bild ihres 1942 gefallenen Mannes Hans zeichnen; sie hat ihre Erinnerungen ergänzt durch Briefe ihres Mannes und ihres kurz nach ihm gefallenen Sohnes Max, durch die Predigt von Dietrich Bonhoeffer und die Ansprache ihres Mannes zu Max' Konfirmation und durch den unglaublich spannenden Bericht über ihre Reise nach Pommern an das Sterbebett ihrer Mutter Ruth von Kleist-Retzow im Herbst 1945. Im Lesezimmer von Kloster Kirchberg lag eine Kopie dieser Niederschrift; war doch Hans von Wedemeyer Unterzeichner des Berneuchener Buches und von 1928 bis 1930 in seinem Gut Pätzig/Neumark Gastgeber der Berneuchener Konferenzen, dann Michaelsbruder und 1939 zum Ältesten des Konvents Nordosten bestimmt. Aber es ist gut, daß diese Erinnerungen einer weiteren Öffentlichkeit bekanntgemacht werden. Nur so kann eine kommende Generation erfahren, wie jene dramatische Spanne deutscher Geschichte erlebt wurde und woher die Menschen die Kraft empfingen zum Wirken und Gestalten, zum Leiden und Widerstehen.


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LeerDrei Elemente bestimmten das Leben von Hans von Wedemeyer: Freude an der Schöpfung, deren Pflege ihm als Land- und Forstwirt anvertraut war, Verantwortung für das Gemeinwesen (anfangs in einer personalen Bindung an das Kaiserhaus) und eine tiefe Frömmigkeit, die zugleich alles zur Einheit zusammenband. Gleich im ersten Gespräch, an dem die künftigen Ehegatten beteiligt sind, geht es um Fragen des Glaubens; eine Bibel wird erbeten. Die Entscheidung zur Ehe fällt in stiller Besinnung in einer Kirche, und dieser Anfang bestimmte das gemeinsame Leben, wie das Kapitel »Streiflichter aus einer besonderen Ehe« (S. 123ff.) zeigt. Mittelpunkt des Zusammenlebens aller Hausgenossen ist die Andacht, deren Besuch freiwillig ist. Bevor das Herrenhaus die dringend notwendige Renovierung erfuhr (sie ist nie geschehen), wurde die Dorfkirche neu gestaltet (durch Gerhard Langmaack). -

LeerWer in dem Buch Nachrichten über die Frühgeschichte der Michaelsbruderschaft sucht, wird enttäuscht; die Informationen sind spärlich (S. 46f.). (Mehr darüber erfährt man im Nachwort von Ruth-Alice von Bismarck S. 213-216.) Sein Verantwortungsbewußtsein trieb Hans von Wedemeyer nicht nur zum politischen Wirken in der Region; es ließ ihn auch den Ruf seines Kriegskameraden Franz von Papen annehmen, mit ihm, dem Reichs- und später (unter Hitler) Vizekanzler, zusammenzuarbeiten; die bittere Einsicht, unter den neuen Machthabern nichts ausrichten zu können, nötigte ihn zum Rücktritt im Mai 1933. (Sein Nachfolger, von Bose, wurde in der Mordnacht des 30. Juni 1934 an seinem Schreibtisch erschossen.)


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LeerWichtiger als das Tun dieses Mannes ist sein Sein, aus dem das Wirken hervorging. Sein Glaube verlieh ihm eine innere Freiheit, die weder durch die Demütigungen der Rekrutenzeit noch durch die Hinterhältigkeiten eines »Ehrengerichtsverfahrens« 1936 wirklich getroffen wurde. Sie war auch die Basis seines Humors, der freilich schließlich recht bitter werden konnte, wenn er das Leben unter der Diktatur als das »Leben in des Teufels Gasthaus« bezeichnete. »Wenn er kam, so war es als ginge über uns allen in Pätzig die Sonne auf.« (S. 91) Besseres kann von einem Christenmenschen nicht gesagt werden.

Quatember 1994, S. 243
© Johann-Friedrich Moes

© Joachim Januschek
Letzte Änderung: 12-08-15
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