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Eine Elite der Antike
von Ernst Hofhansl

LeerEuropa begann am Jordan - Die Elite von Qumran und der antielitäre Jesus von Max Schoch - Pendo Verlag, Zürich 1995, 248 Seiten, DM 36,-, ISBN 3-85 84 2-289-4

Leer »Diese Welt braucht Eliten. Das heißt Menschen, die aus einer Verpflichtung heraus leben und die Verantwortung wahrnehmen.« So intensiv behauptet der Autor (S. 245) die Notwendigkeit von Eliten, die ihre Kraftquelle kennen und, besonders die religiös bestimmten, von daher in die Gesellschaft hinein wirken. Eine solche Feststellung in einer Zeit, die eine biedermeierliche Art des Rückzuges aus öffentlicher Verantwortung beobachten läßt, in der ein »Single-Dasein« attraktiv erscheint und immer mehr ehemals öffentliche Bereiche in die besonders geschützte Zone des Privaten gedrängt werden, nimmt sich provokant (im ursprünglichsten Sinn des Wortes) aus. Herausrufen will Max Schoch, der als Pfarrer und Journalist, Wissenschaftler und Literat seit mehr als fünfzig Jahren öffentliche Verantwortung in seiner Schweizer Heimat wahrgenommen hat.

LeerSchon der Buchtitel verblüfft. Zwar ist hinlänglich die Bedeutung des Vorderen Orients für die europäische Kulturwerdung bekannt, doch erstaunt die Verknüpfung von Europa mit dem Jordanfluß. Geographisch genauer zu bestimmen, wäre noch die Gegend um das Tote Meer zu nennen, denn Schoch sieht in der Gemeinschaft von Qumran den Versuch, in besonderer Beachtung des Gesetzes eine Reinheit zu erwerben, die es dieser abgeschiedenen Elite ermöglicht, für das Ganze des jüdischen Volkes Bedeutung und Heil zu wirken. Die verschiedenen Texte der Funde aus den Höhlen am Toten Meer werden nun gleichsam in eine neutestamentliche Zeitgeschichte eingebunden und ausgelegt. In Kenntnis der Lebensart der Qumranleute entwickelt sich eine Konfrontation mit der Botschaft Jesu; es verstehen sich seine Jünger und die weiteren Nachfolger als eine Elite im Kontrast zu Qumran: nämlich hinaus und hinein gesandt in die Welt, um darinnen »Reinheit« zu bewahren und durch die Botschaft von Frieden und Versöhnung zu wirken.

LeerSo kommt Schoch zu dem Begriffspaar »Elite und Anti-Elite«, wobei er letzterer die eigentliche Bedeutung beimißt, wonach die christliche Elite eine solche ist, die es im Grunde nicht gibt: eine unmögliche Möglichkeit. Als Beispiele für Eliten im beschriebenen Sinn gelten dem Autor die Aufbruchsbewegungen nach dem Ersten Weltkrieg. Für den römisch-katholischen Bereich nennt er zunächst Odo Casel und die dann von den Benediktinern getragene liturgische und mysterienorientierte Erneuerung; im protestantischen Bereich haben Roger Schutz und die Gemeinschaft von Taizé, Berneuchen und die Widerstandsbewegung des »Kreisauer Kreises« ähnliche Bedeutung. Aber auch in Amerika und Asien erkennt Schoch solche Aufbruchsbewegungen. Nicht zuletzt gilt ihm auch die lateinamerikanische Befreiungstheologie mit ihren Basisgemeinden als eine Erscheinung, die christliche Eliten der notwendenden Art bilden, die sowohl in der Kirche und in der Welt stehen.

LeerDer religiöse Aufbruch der Jesusbewegung geschah vom Jordan aus und wirkte in die damals religiös bestimmte Völkerwelt hinein. Heutige christliche »Eliten« wirken in eine säkularisierte Völkerwelt hinein, in der die Gottesfrage von historischen Religionen abgelöst erscheint. Gerade in einer solchen Situation kommt dem klaren und eindeutigen Bekenntnis und einem Lebensstil der Bergpredigt besondere Zeugniskraft zu.

Quatember 1997, S. 55-56
© Ernst Hofhansl

© Joachim Januschek
Letzte Änderung: 12-11-21
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