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Wort zur »Gemeinsamen Erklärung zur Rechtfertigungslehre«
Evangelische Michaelsbruderschaft

LeerDie Evangelische Michaelsbruderschaft hat die Gemeinsame Erklärung dankbar aufgenommen Die Erklärung ist als ein Ergebnis jahrzehntelanger Bemühungen und Zeichen für das Wachsen der Verständigungsfähigkeit zwischen der römisch-katholischen Kirche und den Kirchen der Reformation anzusehen. Es erfüllt uns mit Freude und Hoffnung, daß die Gesprächspartner beider Seiten überein gekommen sind, ihre Verkündigung des Evangeliums an den Worten der Heiligen Schrift neu zu überprüfen und daß sie dabei zur Einsicht gelangt sind, das Verbindende sei stärker als das Trennende. Die Zustimmung der beteiligten Kirchen und die daraus folgende Neubewertung der Lehrverurteilungen des 16. Jahrhunderts kann zeichenhafte Bedeutung gewinnen.

LeerNeben freudiger Zustimmung hat die Erklärung Widerspruch von theologischer Seite gefunden. Die Aufgabe der Theologie, kirchliche Vorgänge kritisch zu begleiten, ist dabei in ernstzunehmender Weise in der Öffentlichkeit zur Geltung gebracht worden. Diskussionen können freilich eine Eigengesetzlichkeit entwickeln, die der erstrebten Kommunikation hindernd im Wege steht. Im Streit um die Wahrheit entscheidet letztlich nicht die Subtilität der Begriffe, sondern die Nähe zur Sache, um die es geht; also (mit den Worten des reformatorischen Liedes): »Es ist das Heil uns kommen her von Gnad' und lauter Güte«, und : »Der Glaub' sieht Jesus Christus an, der hat für uns genug getan.« Diese Sachnähe finden wir in der Gemeinsamen Erklärung wieder. Dadurch werden evangelische und katholische Christen jetzt ermutigt, sich in größerer Gemeinsamkeit zu ihrem Glauben zu bekennen, auch wenn das Ziel voller Kirchengemeinschaft noch nicht erreicht ist.

LeerMit vielen anderen sind wir der Überzeugung, daß die gemeinsame Erklärung nicht als Endpunkt einer ökumenischen Entwicklung betrachtet werden kann. Sie stellt uns vielmehr vor wichtige und dringliche Zukunftsaufgaben: Der Kirche ist die Verantwortung auferlegt, die Botschaft von dem der Welt in Jesus Christus geschenkten Heil auf jede nur mögliche Weise den Menschen verständlich zu machen. Es geht nicht an, einen theologischen Erkenntnisstand nur formelhaft zu bewahren; sondern die am Evangelium gewonnene Einsicht muß allen unermüdlich und einfallsreich immer neu erschlossen werden.

LeerEs genügt uns nicht, eine Erkenntnisgemeinschaft zwischen den getrennten Kirchen festzustellen: Sie muß den Weg zur vollen Kirchengemeinschaft eröffnen, so daß die besorgte und vorwurfsvolle Frage des Apostels Paulus »Ist Christus zerteilt?« bei uns zur Wirkung gelangt. In jeder Eucharistiefeier tritt Christus selbst in unsere Mitte, er, dessen letzte Bitte vor seinem Leiden und Sterben war, »daß all eins werden««. Daß an seinem Tisch evangelische und katholische Christen getrennt sind, ist ein geistlicher Skandal, der Sonntag für Sonntag tief schmerzt. Die Kirchen dürfen nicht den Eindruck erwecken, als sei dieser Zustand der Trennung in irgendeinem Sinn etwas Normales.

LeerDer Übereinstimmung in der Rechtfertigungslehre müssen bald entsprechende Übereinstimmungen in der Lehre von der Eucharistie und vom kirchlichen Amt folgen, damit es endlich möglich wird, miteinander das Mahl des einen Herrn in einer Mahlgemeinschaft zu feiern. Der Ruf zur Einheit ergibt sich aus dem Wesen der Kirche. Er duldet kein Beharren bei der eigenen konfessionellen Lebensform und keinerlei Willen, diese ökumenisch durchzusetzen: »Nehmet einander an, wie Christus euch angenommen hat, zu Gottes Lob.«

(Auf dem Kapitels Exaudi 1998 verabschiedet)

Quatember 1998, S. 175


© Joachim Januschek
Letzte Änderung: 12-11-22
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