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Eine Bemerkung zuvor
von Frank Lilie

LeerWäre ich kein Berneuchener, so würde ich, gefragt, was denn nun der Kern der christlichen Botschaft wäre, antworten: »Jesus liebt Dich« Oh, ich sehe sie schon vor mir, die gerunzelten Stirnen und die hochgezogenen Augenbrauen: »Viel zu schlicht!« - »Mehr Niveau, bitte!« - »Theologisch völlig verantwortungslos!«- »Evangelikale Gefühlsduselei!« Liebe Kritiker, Ihr habt recht! Eine solche Sprache ist auch meine Sache nicht. Doch habt Ihr nicht auch, nach all' den enervierenden Debatten um die Frage nach der Rechtfertigungslehre, nur noch den einen Wunsch: Schlichtheit?! Es kann doch nicht angehen, daß die Erlösung, die uns Gott verspricht, bloß von Experten verstanden wird! Es kann doch nicht angehen, daß die Grundfragen unseres Lebens nur noch von Fachleuten in methodisch zulässiger Weise gestellt und methodisch sauber beantwortet werden können. Lieber klebe ich mir einen Fisch aufs Auto, hänge mir einen Jesus-Button ans Revers und gehe in die nächste Gebetsgemeinschaft, als daß ich mich in der gespreizt-gereizten akademischen Debatte um die Gemeinsame Erklärung zur Rechtfertigungslehre verliere. Deren Geschichte mag mittlerweile vielleicht Stoff für neue Dissertationen liefern, aber eine Vertiefung des Grundes, da ich mich gründen kann im Leben und im Sterben, die habe ich bisher noch nicht entdecken können. In einem Satz wie dem eingangs zitierten pietistischen Bekenntnis sehe ich immerhin noch etwas wie religiöse Ergriffenheit, Begegnung mit der Unverfügbarkeit des Heiligen. von solchen Erfahrungen kann ich in den kirchlichen Lehrdokumenten bisher nichts erkennen. Es herrscht bei ihren Apologeten eine papierene Bürokratensprache vor. Der hellsichtige und in dieser Hellsichtigkeit bösartige Sören Kierkegaard schimpfte einst: »Ein Pfarrer oder Bischof hat gar nichts anderes zu tun, als gleich einem Beamten, der in der befohlenen Zeit in seinem Büro sitzt, auf diese Weise in einer Kirche zu predigen - und dann im übrigen es zu vermeiden, daß er den Menschen zu nahe tritt ... Wenn man erst ein Amt bekommen hat, dann ist das Ausrichten in diesem Sinnentrug eingefangen: daß er uns das Christentum lehrt, weil es sein Broterwerb ist. Daß es sich so verhält, ist durchaus klar - aber was würde dann aus allen Broterwerbsmänner werden? Und da diese nun Legion sind, so haben sie das Verhältnis umgekehrt; sie sind nunmehr ernst mit Hilfe des Broterwerbs«.

LeerIch weiß, ich weiß, daß sind bittere und vielleicht sogar unberechtigte Vorwürfe gegen die Theologenzunft. Doch vermisse ich an der Auseinandersetzung den geistlichen Ernst, der das Rechtbehaltenwollen (ist das nicht das Gegenteil von Rechtfertigung allein aus Glauben?) über dem Staunen vor dem göttlichen Geheimnis schlicht vergißt: Daß er sich unser erbarmt, daß uns dies spürbar, erfahrbar wird, weil... - ach, liebe Berneuchener, gestattet mir den plakativen Satz noch einmal: weil Jesus uns liebt!?

LeerWir können gespannt sein auf die Entdeckungsreisen, die uns das Gespräch zwischen den Kirchen und ihren Theologen zumuten wird. Hoffen wir nur, daß es geistreich ist, glaubenszuversichtlich und liebevoll. sonst braucht es uns eigentlich nicht zu interessieren!

Es grüßt sie herzlich, auch im Namen der Herausgeber und der Schriftleiter,

Ihr Frank Lilie

Quatember 1999, S. 3

© Joachim Januschek
Letzte Änderung: 12-11-23
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