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Stellungnahme zur Erklärung Dominus Iesus
der Kongregation für die Glaubenslehre

Evangelische Michaelsbruderschaft

LeerDie am 6. August 2000 veröffentlichte Erklärung Dominus Jesus der Kongregation für die Glaubenslehre hat in der Ökumene Befremden und Proteste hervorgerufen bis hin zu scharf antikatholischen Artikeln.

LeerBei näherem Hinsehen erweist sich aber, dass
  • die Erklärung nicht auf den strittigen ekklesiologischen Anspruch der römisch-katholischen Kirche gerichtet ist, sondern - mit der Überschrift des dritten Kapitels - auf die „Einzigkeit und Universalität des Heilsmysteriums Jesu Christi”, die dem postmodernen Pluralismus widerspricht. Damit greift die Erklärung das wichtigste Thema der gegenwärtigen theologischen Diskussion auf und erhält auch für die evangelische Theologie Bedeutung. Dass - mit dem Zweiten Vatikanum - die Christusgnade auch außerhalb der Kirche zugänglich ist, schränkt die vom Herrn geforderte Mission der Kirche ad gentes gerade nicht ein; denn das eigene Bekenntnis wird durch den Dialog der Religionen nicht relativiert, sondern ermöglicht ihn erst eigentlich.
  • nur eines von sechs Kapiteln sich mit der „Einzigkeit und Einheit der Kirche” befasst, die „voll nur in der (römisch-)katholischen Kirche weiterbesteht” und in ihr verwirklicht ist (subsistit, LG 8). Dabei kommt es zu einer Abstufung der ekklesiologischen Qualität: Jene Kirchen, die wie die Ostkirchen - „die apostolische Sukzession und die gültige Eucharistie” bewahrt haben, werden anerkannt als „Teilkirchen ... , obwohl ihnen die volle Gemeinschaft mit der katholischen Kirche fehlt, insofern sie die katholische Lehre vom Primat nicht annehmen”. Die kirchlichen Gemeinschaften aber, „die den gültigen Episkopat und die ursprüngliche und vollständige Wirklichkeit des eucharistischen Mysteriums nicht bewahrt haben, sind nicht Kirchen im eigentlichen Sinn”, wenn sie auch durch die Taufe „in einer gewissen, wenn auch nicht vollkommenen Gemeinschaft mit der Kirche” stehen (No. 16 f.).
  • diese Aussagen keine Neuerung oder gar Verschärfung der römischen Position darstellen, sie sind Erinnerung an längst bekannte Erklärungen und Termini der beiden vatikanischen Konzile und des römischen Lehramts.
LeerDas vierte Kapitel ist für die nicht römisch-katholischen und insbesondere die reformatorischen Kirchen schmerzlich. Aber die Ökumene steht mit dieser Erklärung keineswegs an ihrem Ende, wie mancher befürchtet, denn es gibt zu ihr um der Glaubwürdigkeit des Zeugnisses willen keine Alternative: „damit die Welt glaube, dass du mich gesandt hast” (Joh 17,20f.). Sie wird im Gegenteil herausgefordert zur Weiterarbeit an dem schwierigsten Kapitel der Konsensfindung, dem Amt, für die es hinreichend Ansätze gibt, etwa in dem Konvergenztext des Ökumenischen Rates zum Amt (Lima 1982) und anderen bilateralen Dialogen. Enttäuschend ist der Stillstand des mit dem Zweiten Vatikanum begonnenen Dialogs, von dem mit Recht Fortschritte auf dem Wege zueinander erwartet werden. Diese Erklärung setzt an die Stelle der konziliaren Öffnung eine defensive Ängstlichkeit und kommt in Zeitpunkt und Ton für den ökumenischen Dialog, vor allem im Abendland, unglücklich gelegen.

LeerNoch problematischer ist die zugleich veröffentlichte, ursprünglich vertrauliche Note der Kongregation für die Glaubenslehre zum Begriff Schwesterkirchen vom 30. Juni 2000. Sie geht über das konziliare substitit hinaus, indem sie die altkirchliche Vorstellung von der Pentarchie zurückweist, „wonach die fünf Patriarchen die Kirche leiten und die Kirche von Rom den ersten Platz unter den patriarchalen Schwesterkirchen einnimmt” und auch die orthodoxen Schwesterkirchen Rom unterordnet: „Im eigentlichen Sinn sind Schwesterkirchen ausschließlich Teilkirchen (oder Teilkirchenverbände, wie etwa Patriarchate oder Kirchenprovinzen) untereinander. Es muss immer klar bleiben, dass die universale, eine, heilige, katholische und apostolische Kirche nicht Schwester, sondern Mutter aller Teilkirchen ist .- (denn) es gibt nur eine einzige Kirche, darum ist der Plural Kirchen nur auf die Teilkirchen anwendbar” (No. 10 f.). Dass es nur eine Kirche geben kann, ergibt sich aus ihrer Stiftung, aber findet sich „die Fülle” nur in der römisch-katholischen Kirche, ist sie durch die Tatsache der Kirchenspaltung, die das glaubwürdige gemeinsame Zeugnis verhindert, in ihrer Katholizität unversehrt geblieben?

LeerWie kann die Ökumene vorankommen? Das Modell der Versöhnten Verschiedenheit ist ein wichtiger Schritt auf dem Wege, aber noch keine wirkliche Lösung, weil in ihm die Wahrheitsfrage zurücktritt und die vom Herrn erbetene Einheit der Kirche noch nicht genügend zur Geltung kommt. Von beiden bzw. allen beteiligten Seiten müssen Schritte aufeinander zu gewagt werden. Ohne Umkehr und Buße im biblischen Sinn ist dies nicht möglich. Der Papst ist zum Heiligen Jahr mit seiner Vergebungsbitte schon einen Schritt in diese Richtung gegangen. Beide Seiten können nicht unverändert bleiben:
  • Einerseits ist kaum vorstellbar, dass die römisch-katholische Kirche ihren Exklusivanspruch wird durchhalten können. Der sich immer weiter verstärkende Zentralismus des Vatikans und die ausschließliche Zuständigkeit eines Bischofs für die Glaubenswahrheit sind die größten Hindernisse für die Versöhnung der Kirchen. In der Ökumene sind schon Modelle bereitgestellt worden, mit denen der Petrusdienst als Amt der Einheit für die ganze Kirche denkbar wird.
  • Andererseits kann die Begründung des bereits in den Pastoralbriefen zu findenden gegliederten Amtes - Bischof (im Singular), Presbyter (im Plural) und Diakone - und die dort ansetzende apostolische Sukzession im Protestantismus nicht dem geschichtlichen Zufall und prinzipiellem Belieben überlassen bleiben. Das Amt begründet sich nicht von der Gemeinde her, sondern von Gottes Auftrag für die Gemeinde So hat es die Reformation auch nie vom allgemeinen Priestertum aller Gläubigen hergeleitet. Die Wiederherstellung der apostolischen Sukzession - auch wenn man sie wie in der Lutherischen Kirche von Schweden nicht zum esse, sondern zum bene esse der Kirche zählt - würde nicht allein die römisch-katholische Kirche von dem Zweifel an der Gültigkeit von Amt und Eucharistie in den evangelischen Kirchen befreien, sondern auch ein Zeichen der Rückkehr zur ungeteilten Kirche und ihrer Geschichte sein. Die reformatorische Gleichsetzung episcopi seu pastores und damit auch die presbyteriale Sukzession waren ungeschichtliche Notlösungen, die Überfremdung des ephoralen Amtes durch die Verwaltung und die Verknüpfung der Ordination mit dem Beamten- und Versorgungsstatus sind längst als Fehlentwicklungen erkannt, die überwunden werden können.
LeerDie Erklärung Dominus Jesus bietet die Chance, den Konsensbemühungen der Kirchen neue Impulse zu geben, die schließlich der gemeinsamen Sache dienlich werden. Das erfordert Geduld, Vorsicht im Urteil und Rücksichtnahme auf den Gesprächspartner und seine Empfindlichkeiten.

Dresden / Wien, am 16. September 2000


Der Älteste
Pfarrer i. R. Reinhold Fritz
Der Sekretär für Ökumene
Prof. D. Dr. Hans-Christoph Schmidt-Lauber

Quatember 2000. S. 240-242

© Joachim Januschek
Letzte Änderung: 12-08-13
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