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Weihnachten feiern
mit dem neuen Tagzeitenbuch

von Reinhard Brandhorst

LeerDaß echte Liturgie nicht etwas streng Geplantes, sondern in einem oft langen Prozeß zusammengewachsen ist - manchmal auch mit widersprüchlichen Tendenzen -- spürt man besonders zu Weihnachten. In gerade mal zwölf Tagen zwischen dem Vorabend zum 25. Dezember und dem 5. Januar finden sich mehrere ‚Schichten’ der historischen Entwicklung:
  • Der frühkirchliche Rhythmus der Woche mit dem Sonntag (als Gedenken der Auferstehung), doch nun durch das Geburtsfest Christi mitgeprägt und ggf. verdrängt.
  • Das Christfest selbst, zuerst belegt in Rom für das Jahr 321 als Gegenüber zum antiken Sonnenwendfest in den dunkelsten Tagen des Jahres, die Menschwerdung Christ als Geburt des wahren Lichtes, der Sonne der Gerechtigkeit (natalis solis iustitiae) gefeiert.
  • Die frühmittelalterliche Praxis von drei Fest-Messen- dem „Engelamt” zur Nachtzeit (Lk 2, 1 ff), dem „Hirtenamt” in der Dämmerung mit der Anbetung (Lk 2, 14-20) und dem „Menschenamt” am Morgen, in dem die Menschwerdung des Wortes (Joh 1,1-14) verkündet wird.
  • Daneben eine Vigil mit Lesungen alttestamentlicher Verheißungen und die Christmette als eigenständiger mitternächtlicher Stundengebets-Gottesdienst.
  • Ein zweiter Feiertag, der nachreformatorisch den altkirchlichen Stephanustag am 26. Dezember überlagert.
  • Die Christvesper, inzwischen in vielen evangelischen Gemeinden der zentrale Weihnachtsgottesdienst, erst eine Entwicklung des 20. Jahrhunderts.
  • Der eher evangelische Brauch, den Jahreswechsel gottesdienstlich zu begehen, statt am 1. Januar das Fest der Beschneidung und Namensgebungjesu zu feiern.
  • Ferner gibt es in diesem Zeitraum - neben dem Gedenken des Erzmärtyrers Stephanus am 26. Dezember - seit alter Zeit das Gedenken des Evangelisten Johannes am 27. Dezember und der Unschuldigen Kinder am 28. Dezember, die als „Ehrengefolge des Christuskindes” (comites Christi) bezeichnet werden.
LeerEs war eine Absicht des Tagzeitenbuches, möglichst viel von den gewachsenen Traditionen aufzunehmen, sie einerseits zu einem stimmigen Ganzen zu verbinden, aus dem andererseits entsprechend den Verhältnissen vor Ort sinnvoll ausgewählt werden kann. Zu den meisten der genannten Anlässe gibt es ‚amtliche’ Vorgaben für gottesdienstliche Texte. Zugleich setzt das Tagzeitenbuch deutliche Akzente, etwa wenn als das Evangelium für den weihnachtlichen Festtag - mit der alten Tradition - Joh 1, 1 ff. herausgestellt wird. Insgesamt wird die Tradition des bisherigen Evangelischen Tagzeitenbuches von 1967 und 1978 fortgesetzt, jedoch ist manches gestrafft; von den seither 35 (1) verschiedenen Gelegenheiten zur Ausgestaltung von Tagzeiten sind 7 Gelegenheiten nicht mehr durch eigene Lesungsvorschläge berücksichtigt. Ansonsten mischen sich in der Leseordnung zwischen dem Christfest und der Jahreswende (zurückschauend) weihnachtliche Motive mit (vorausschauend) solchen zum Thema „Leben angesichts begrenzter Zeit”. Zu Anfang des neuen Jahres werden die vielfältigen Neu-Anfänge Gottes mit dem Menschen thematisiert, wie wir sie in den Bundesschlüssen des Alten Testaments (David, Josua, Mose, Abraham, Noah) finden und wie darauf das Evangelium mit seinem Verweis auf den Neuen Bund in Christus Bezug nimmt.

LeerDie Ausstattung mit zu singenden liturgischen Stücken ist deutlich erweitert gegenüber den bisherigen Ausgaben. Am Anfang steht eine ‚Grundausstattung’ mit Tages- und Wochenpsalmen (400 bis 405) sowie den wiederkehrenden Stücken zum Abend, Morgen und Mittag (406 bis 413 - sog. Commune). Damit ist der Block „Weihnachten” bereits so ausgestattet, daß eine abwechslungsreiche und vertiefte Feier der Stundengebete möglich ist. Wer darüber hinaus die (bzw. einzelne) Tagzeiten noch differenzierter gestalten möchte, findet mit dem sog. Proprium (414 bis 437) zusätzliche Elemente und präzise Hinweise zu speziellen Gottesdiensten (etwa die Christmette 415 bis 420). Dieses reiche Angebot des Buches ist keineswegs als Pflichtprogramm gedacht, sondern möchte strukturierte, wohlüberlegte, sachgemäße Vorschläge für das gemeinsame Gebet bieten, die entsprechend den Möglichkeiten übernommen bzw. ausgewählt werden.

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LeerVerschiedene Motive klingen in diesen Stücken immer wieder auf Allem voran „Das Wort ward Fleisch” (404, 4o6, 411, 418, 419). Ebenso freudig wird von Rettung und Heil gesungen: (400, 402, 408, 409, 422, 423). Auch das Motiv der wunderbaren Geburt des Sohnes (von der Jungfrau Maria) kehrt häufig wieder: (402, 411, 413, 414, 415, 418, 419, 429, 433.) Das liturgisch so typische „Heute” begegnet uns gerade am weihnachtlichen Festtag (415, 420, 422), in der Vesper gleich vierfach (424). Und natürlich finden sich die weihnachtlichen Grund-Motive von Licht, Glanz, Erscheinen: (400, 404, 409, 411, 421), zahlreich in der Christmette (416, 417, 418, 419, 420). Stücke zum Jahreswechsel sind u.a. bestimmt durch das Namens-Motiv (405, 432) oder durch die Erinnerung der Treue Gottes (in der Geschichte Israels): (401, 759, 402, 403), auch mit der Verheißung des Immanuel (432). In den drei weihnachtlichen Hymnen „Christus, Erlöser aller Welt” (407), „Vom hellen Tor der Sonnenbah” (410), „Aus des Vaters Herz geboren” (412) sind die genannten Motive jeweils dichterisch verknüpft (Quellen s. 996, 998).

LeerDer Einfachheit halber für den Benutzer, der Eindeutigkeit wegen und um gelegentlich besondere Abfolgen vorzuschlagen, wurden für viele Stundengebete der Weihnachtszeit die vorgesehenen Stücke genau angegeben, auch durch Querverweise auf Gesänge, die in anderen Teilen des Tagzeitenbuches zu finden sind. (Beispiele 414, 421 ff , 431, 434ff )- Gerade mit den inneren Bezügen all dieser Stücke zu den Lesungen, wie sie im ersten Teil des Buches aufgelistet sind (6 - 15 und 123 - 125), soll das Gehörte aufgeschlossen, vertieft und weitergeführt werden, zugleich aber die Weihnachtsbotschaft im Gesang ganz eigenständig erklingen.

LeerDies wird auch ein entscheidender Gesichtspunkt bei der konkreten Gestaltung der Stundengebete sein. Für den eigentlichen Gebetsteil enthält das Buch nur wenige Vorschläge (180, 281, 282), da gerade für die Weihnachtszeit das Angebot in sonstigen Gebetssammlungen recht vielfältig ist. Bei den Mittagsgebeten ist zu berücksichtigen, daß an Festtagen (hier 25. - 28. Dezember und 1. Januar) der jeweilige Festpsalm den Stundenpsalm ersetzen soll und für den 31.12. ein spezieller Vorschlag (430) gemacht wird. Auch das Gebet der Anbetung richtet sich an den Festtagen nicht nach dem Wochentag, sondern nach den Angaben unter der Nr. 171.8 und 171.10.

Wenn es gilt, Gottesdienste für die Weihnachtszeit vorzubereiten, wird vorab zu klären sein,
  • welche Feiern als Stundengebete gehalten werden sollen,
  • was vor Ort bisher an lebendiger Tradition da ist,
  • welche Stücke aus dem Tagzeitenbuch bekannt sind und
  • was ggf. neu hinzukommen bzw. noch angeeignet werden soll.
LeerWie das Buch (S. 409) selbst betont, wird eine Auswahl stets erforderlich sein. Zwei Beispiele: Eine Gemeinde feiert das Christfest vielleicht so, daß am Anfang eine festliche Vesper steht, die mit dem Luzernar (Lichtfeier 245 / 189.10) eröffnet wird, nur zwei der Lesungen aus der Christvesper (6) vorsieht und man sich - wie in der weiteren Weihnachtszeit - beim Magnificat für die Antiphon „Ein Kind ist uns geboren” (414) entscheidet. Dann gibt es zur Mitternacht eine Christmette entsprechend der Ordnung im Tagzeitenbuch (415), wozu drei Lesungen aus den Texten von Christnacht (7) und Uchte (8) (d.h. Morgendämmerung) ausgewählt werden. Am Festtag selbst ist die Messe morgens vom Proprium Christfest (9) bestimmt, man singt Psalm 96 (404) als Introitus, die Antiphon „Gottes Sohn ist uns geboren” (411) zur Austeilung (wie auch an den weiteren Tagen zum Benedictus). Am Abend gibt es die Weihnachts-Vesper, jedoch mit der Antiphon 414. Der 26. Dezember wird als Stephanustag (840) begangen.

LeerEine andere Gemeinschaft möchte intensiver Gebrauch vom Tagzeitenbuch machen: Auch hier wäre die festliche Vesper (414) mit Luzernar der Beginn, wozu bei den Lesungen auch solche aus der „Vigil” einbezogen werden (vgl. Vorabend- 6). Zur Mitternacht folgt eine Christmette (415 - 420), mit der Feier des Abendmahls verbunden. Soll dabei (nur) aus dem Tagzeitenbuch gesungen werden, könnte nach der Ansprache (statt Credo) der Halleluja-Gesang „Ja, wir alle bekennen” (916) angestimmt, zur Gabenbereitung ein eigener Offertoriums-Gesang mit Joh 1, 1.14 mit „Da alles still war...” (400) gebildet werden und bei der Kommunion Ps 96 mit der Antiphon 404 oder der Antiphon 422 Verwendung finden, (dann legt sich als 3. Psalm der Psalm 93 (400) nahe. In der Festmesse könnte sowohl die Antiphon „Gottes Sohn ist uns geboren” (411) als auch „Ich verkünde euch” (422) zur Kommunion gesungen werden. Bei einer Großen Vesper (wiederum mit Luzernar - ggf. mit Benediktion (189.18) - wären zusätzlich zu den vorgeschlagenen Stücken mehrere Lesungen wie auch der weihnachtliche Halleluja-Gesang „Im Anfang war das Wort” (9 15) denkbar.

LeerIm weiteren Sinn gehört zur Feier von Weihnachten auch dessen Vorbereitung im Advent, besonders hergehoben an den letzten sieben Tagen ab dem 17. Dezember mit den 0-Antiphonen (381 - 387) zum Magnificat und dem 24. Dezember (388, 389). Die nachfolgenden Wochen nach Epiphanias thematisieren das Offenbarwerden des Gottessohnes (450 - 480). Ebenso zählen jene besonderen Feste dazu, die im Laufe des Jahres auf die Menschwerdung verweisen: Neun Monate vor dem Christfest, am 25. März die Empfängnis Jesu bei der Verkündigung an Maria (810, 811), ein halbes Jahr zuvor - auf der Höhe des Jahres - am 24. Juni die Geburt des Vorläufers Johannes (713, 716 - 719) und am achten Tag danach (Oktav), dem 2. Juli, die Begegnung der beiden Mütter in Hoffnung: Heimsuchung Mariä (818, 819). Den Abschluß der Weihnachtszeit gibt es gleich doppelt: 40 Tage nach dem Christfest die Darstellung im Tempel, sog. Lichtmeß (802), bei der schon das Motiv von Hingabe und Passion anklingt, und der Letzte Sonntag nach Epiphanias als Fest der Verklärung Christi (463, 477 - 480), bei dem sich das Inkarnatorische und das Österliche miteinander verbinden.

© Reinhard Brandhorst
Quatember 2000, S. 249-252

© Joachim Januschek
Letzte Änderung: 12-08-13
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