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Bruderschaftliche und zünftige Vierzeiten
von Ludwig Fischer

LeerDie Quatember nahmen im Mittelalter einen weitgehenden Einfluß auf das private wie öffentliche Leben. Diese Einflußnahme der Quatember hat ihren Grund teils in dem kirchlichen Charakter derselben, teils darin, daß sie die Grundlage für die Vierteilung des Jahres waren und somit zugleich passende Termine, an denen die verschiedensten Zeitgeschäfte erledigt werden konnten.

LeerVor allem war das gesamte Vereinsleben, soweit es unter die Begriffe Bruderschaft und Zunft fällt, mit den Quatembern aufs engste verwachsen. An den Quatembern hielten die Bruderschaften ihre Quatemberversammlungen in der Kirche, die Zünfte hatten ihre Gottesdienste, ihre „Gebote”, quatemberlichen Versammlungen, wobei die Mitglieder ihre Quatemberbeiträge an die Zunftkasse bezahlten, die Angelegenheiten der Zunft besprachen, die Neuwahl der Zunftvorsteher vornahmen, Lehrlinge zu Gesellen und Gesellen zu Meistern machten. Dafür nur einige beliebig ausgewählte Beispiele von vielen.

LeerDas Statut der Schneiderzunft in Bischofswerda bestimmt im Jahre 1522: „Es sullen auch alle quattor tempor die Meister ane eynherlei gewere vnd waffen zewsammen gehen, vnd iezlicher meister yff iedem Tage nyder legenn tzwene pfennige.” Das Waffentragen war bei diesen Zunftversammlungen verboten. Die Bäckerordnung der Stadt Bregenz vom Jahre 1665 bestimmt: „Damit dann guette verstandtnuß und die Ordnung desto besser in steheter obacht gehalten werde, solle daß handtwerckh bey deme wohr die lad verwahrt ist, quartemberlich zusamen khomen unnd bey straff ain pfund wax ohne ehrhaffte ursach kheiner ungehorsam außbleiben.”

LeerDie Zunftordnung der Müller und Bäcker in Mittenwald verordnet im Jahre 1651: „Alle Quatember soll eine Versammlung der beiden Handwerke gehalten werden und jeder Müller- und Bäckerknecht vier Kreuzer zum Licht und Gottesdienst bezahlen, widrigenfalls um ein Pfund Wachs gestraft werden.”

LeerDie Zünfte hielten strenge auf ihre Quatembergottesdienste, und das Wegbleiben wurde empfindlich bestraft. Die einzelnen Zünfte hatten nämlich alle Quatember ihren eigenen Jahrtag, der sich vielfach bis in die Gegenwart herein erhielt. Im Franziskanerkloster in Ingolstadt hatten die Schneider (bis 1868) jeden Quatembermontag, die Melber (bis 1876) jeden Quatembermittwoch, die Bäcker (noch heute) jeden Quatemberdonnerstag, die Rotgerber (bis 1868) jeden Quatemberfreitag ihren eigenen Jahrtag. Diese Jahrtage mußten gewissenhaft besucht werden.

LeerAus dem Bisherigen ersehen wir, daß diese Handwerkervereinigungen in zwei Klassen ausgeschieden waren, in die Zunft, die Vereinigung der Meister, und in die Bruderschaft, die Vereinigung der Gesellen. Beide hatten ihre Quatemberversammlungen; in München hießen diese Versammlungen geradezu das „Kotember”. Die Gesellenbruderschaften sind jedoch mit den spezifisch religiösen Bruderschaften nicht zu verwechseln.

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LeerAus den Fronfastengeldern (auch Quartalsgroschen, Lagen genannt) wurden auch die Vorschüsse und Darlehen auf Pfänder kranker Mitglieder bestritten, also eine Art Krankenkasse erhalten, ferner die Begräbniskosten für verstorbene Mitglieder gedeckt, das Heizgeld für die Zunftstube bezahlt, durchwandernden Gesellen Herberge und Unterstützung gewährt, die „vom besetzten Tisch” für ihre Mühewaltung mit Wein oder Bier regaliert.

LeerWenn einer sein Fronfastengeld längere Zeit nicht bezahlte, so wurde ihm das Handwerk und die Zunft bezw. Bruderschaft gekündigt. So bestimmt die Schneiderordnung der Grafschaft Hohenzollern 1593: „...und ob auch ainer, der in der Bruderschaft begriffen das ordenlich Fronfastengelt zu erlegen sich waigern oder sperren wolle, dem solle von Stund an das Handwerk allerdings aufgehept und volgends auch aus der Bruederschaft gestoßen werden.” Die Schützengilde von St. Sebastian zu Offenburg bestimmte 1480, daß, wer sein Fronfastengeld zwei Jahre lang nicht entrichtet, von der Gesellschaft ausgeschlossen werde.

LeerAn den Quatembern vollzogen die Zünfte auch die Neuwahl ihrer Ämter. So bestimmt die Münchener Bäckerzunft 1447: Zu „Regenten” sollen „zween aus dem Kotember und zween aus den Peckhenknechten erwellt, gesetzt und geordnet werden, die zu Lobe, Ordnung und Zier benannter Bruderschaft von einer jeglichen Kotember in der Fasten bis hinwiederum in der Fasten ein ganzes Jahr handeln, handthaben und regieren”. Ebenso ernannten die Handwerksgesellen in Frankfurt zwei Büchsen- und zwei Rechenmeister, und von diesen gingen alle Quatember die ältesten ab und neue wurden gewählt.

LeerDiejenigen, welche bei den Quatemberversammlungen zu Meistern befördert wurden, mußten der Zunft an den Quatembern ein Meisteressen geben. Nach dem Rotulus der Zeitzer Bäcker sollte der neue Meister „allen Meistern ein Köstgen (kleines Essen) und nach demselben in einem Quartal, ein recht Meister-Essen, wozu alle Meister und Meisterinnen einzuladen, zu geben schuldig sein.”

LeerIn den Kalandsbruderschaften erfolgte an den Quatembern die Aufnahme neuer Mitglieder. So bestimmt der St. Clemens-Kaland zu Lübeck Ordinatie vom Jahre 1528: „Tom verden is belevet, dat eyn nye Broder to gewontlyker unde bequemer Tydt, als in den quater Temporenn de Collatie mit Krude, Wyne unde Bere upt olde unde syne egen Bekostinge schole holden.”

LeerFür ihre inneren Angelegenheiten hatten die Zünfte eigene Quatembergerichte. So bestimmt die Ordnung des Handwerks der Schlosser zu Rottweil (1566): Neben dem jederzeit vom Obmann einberufbaren „gepott” zur Schlichtung von Streitigkeiten, Bestrafung von Vergehen usw. „solle ... der Obmann zum yberfluß alle Fronfasten ain gepott halten in seinem Hauß, die Meister alle sampt berüeffen vnd vmb fragen ainen Jeden, waß jme straffpars bewißt sey, daß wider hanndtwerckhs geprauch, daß als dann dasselbig nach Ordnung gestrafft werde”. Dieses Gericht hatte auch die Armenpflege innerhalb der Zunft in der Hand. So ließ in Straßburg jede Zunft eine Spange mit ihrem Schild und Wappen machen und den armen Zünftigen, welche im Zunftgericht als des Almosens würdig und bedürftig erklärt worden waren, an den Hüten befestigen. Diese Personen schrieb der Zunftschreiber auf; alle Quatember hatten sie ihre Zeichen dem Zunftmeister zurückzugeben; das Zunftgericht entschied dann, ob sie dieselben noch ferner bekamen oder nicht.

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LeerAlle Verhandlungen, welche bei den Quatemberversammlungen gepflogen wurden, schrieb der Zunftschreiber in die sogenannten „Quatemberbücher”. So war es zum Beispiel in Freiburg. An den Quatember mußten die Handwerker auch ihre Gewerbesteuer bezahlen. An den Quatembern wurden auch die „Bänke”, d. h. die Verkaufsstände der Handwerker vergeben. In der Ordnung der Bäcker in Jena heißt es: „Und weil einem jeden Meister frey stehet, in denen öffentlichen Brot-Bänken feil zu haben. So soll man alle Quatember oder Viertel-Jahr, um die Bäncke oder Stände in denen Brod-Bäncken loosen, als den Sonntag Lamperti, den Sonntag Thomae, den Sonntag Reminiscere und den Sonntag nach Pfingsten”.

LeerAls in der zweiten Hälfte des Mittelalters die Zünfte in heißem Kampfe mit den Patriziern sich Teilnahme am Stadtregimente erzwungen hatten, konnte es nicht ausbleiben, daß die Zünfte ihre bisherigen Gewohnheiten auch auf die neuen Verhältnisse übertrugen. Mit den Zünften traten auch die im Zunftwesen so bedeutungsvollen Quatember noch mehr als bisher ins öffentliche Leben ein. So kam es z. B., daß auch die zahlreichen Ämter der Stadt, wie die Ämter innerhalb der Zunft, alle Quatember erneuert wurden: die Quatemberwahlen erhielten eine allgemeinere Bedeutung.

LeerEs ist kein Zufall, daß z. B. in Baden der Schultheiß und der neue Rat alle Jahre an der Johannissonnenwende ( „zuo Sungihten”) ernannt wurden. Ebenso wurde in Heilbronn der Rat zur Sonnenwende neu gewählt. Ähnlich wechselten in Luzern auf „St. Johannes Sungicht” im Sommer und im Winter die alten und neuen Räte. Die Wahlen wurden also an den Sonnwenden vorgenommen. Da die Quatember mit den Sonnwenden zeitlich zusammenfielen, wurden die Sonnwendwahlen auch auf die Quatember ausgedehnt.

LeerIn Landshut waren die quatemberlichen Bürgermeisterwahlen eine ständige Einrichtung. Im Jahre 1473 wurden das erste Mal auch vier Kämmerer gewählt, deren jeder ein Quartal im Amte war. Ebenso wurde es nach der Regensburger Chronik des Leonhart Widmann auch in Regensburg gehalten. Allgemein scheinen die Quatemberwahlen im Elsaß gewesen zu sein. Die sogenannten Vierer wurden in Eichstätt alle Quatember als Vorsteher der Westenvorstadt in der Stadt selbst aufgestellt.

LeerNach unseren Begriffen wäre solch häufiger Wechsel in der Besetzung der leitenden Stellen für das Wohl des Ganzen keineswegs vorteilhaft. In den mittelalterlichen Städten aber wollte die Eifersucht zwischen Geschlechtern und Zünften verhindern, daß die eine Partei allzu lange die höchste Gewalt in ihrer Hand vereinigte. „Die Quatember waren vorzugsweise die Momente, in welchen die Stürme gegen das gegenwärtige Regiment vorbereitet und ausgeführt wurden, und mit Besorgnis sah die regierende Partei jeweils diesen Tagen entgegen.”

Aus: Ludwig Fischer „Die kirchlichen Quatember” München 1914

siehe auch Ludwig Fischer - Die Quatember in Sage und Legende

Quatember 1954, S. 254-256

© Joachim Januschek
Letzte Änderung: 13-11-02
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