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von Karl Bernhard Ritter |
Lieber Freund! Du möchtest, nun die Weihnachtszeit wiederkehrt, gern einen Rat von mir haben, wie Ihr am besten für Eure Kinder zu einem Krippenaufbau kommt. Ich freue mich doch herzlich, daß Du bei Deinem Besuch im Vorjahre unsere Krippe noch gesehen hast, ehe sie abgeräumt wurde, und es zu diesem Wunsch bei Euch gekommen ist. Am besten wird es sein, ich erzähle Dir einfach, wie wir es machen; dann wirst Du schon selbst herausfinden, was für Euch paßt; wenn Ihrs anders anfassen wollt, soll es mir nur recht sein. Vor allem gilt es die rechte Unterlage zu schaffen, auf der man unbekümmert Krippe und Christbaum zugleich aufbauen kann. Denn ich finde es weitaus am schönsten, wenn die Krippe so ganz und gar unter den Zweigen des Christbaums geborgen ist, daß man sieht, der Heiland ist mitten im Wald geboren unter dem Schutz der großen feierlichen Tannen. Und der Weihnachtsbaum selber schaut ganz anders drein, wenn er aus solcher Krippenlandschaft herauswächst und nicht hilflos in einem eisernen Ständer, dem man gleich die Fabrikware ansieht, selbst verwundert darüber, daß er nicht umfällt, auf dem Fußboden oder auf dem Tische steht. Also in eine Zimmerecke holt man sich ein paar flache Kisten zusammen, und über sie werden die Bohlen gelegt, die ein für alle Mal zu diesem Zweck vom Schreiner zurechtgeschnitten sind und nach dem Fest der heiligen drei Könige wieder auf dem Hausboden verschwinden. Der Aufbau darf nicht zu hoch sein, damit hernach auch die Kleinsten vor der Krippe knieen und dem Christkind schön ins Gesicht schauen können. Damit man von dem Bretterwerk aber nichts sieht, hat mir meine Frau einen Streifen dunkelgrünen Fries zurechtgeschnitten. Den hefte ich ringsum an, daß er bis zum Fußboden niederhängt. Ehe der Schnee und arge Frost kommt, müssen die Buben schon einen Handwagen voll Moosplatten im Wald ausstechen und in den Garten bringen, wo das Moos solange lagert, bis der Aufbau in den Vortagen des Festes im verschlossenen Weihnachtszimmer beginnt. Viel Moos braucht man, denn der ganze Bretterboden muß damit bedeckt werden. Links wird bei uns immer ein kleines Gebirge aufgebaut mit großen Steinen, die wie Felsen aus dem Moos aufragen. Es muß nämlich in einem Jahr genau so aussehen wie im andern Jahr, sonst sind die Kinder unzufrieden, weils nicht richtig ist. Hast Du Dein Moos schön untergebracht, und auch den Bock, der die Weihnachtstanne aufrecht hält, unter einem Wurzelwerk von Zweigen und Moos verschwinden lassen, dann holst Du Dir einen Korb mit Kartoffeln aus dem Keller. Ja, wozu das? meinst Du jetzt. Den Stall hat mir der gute Freund geschenkt, von dem ich Dir oben schon erzählte. Er hat ihn selbst zurechtgezimmert. Er hat ein spitzes Giebeldach aus Kistenbrettern mit Borke abgedeckt. Hinten ist eine Wand mit einem Fenster darin, durch das man in den dunklen Winkerwald hineinschaut, vorn aber offenes Sparrenwerk, regelrecht nach dem Muster der alten Bauernhöfe gezimmert. Das Beste aber an dem Stalle ist die Beleuchtung. Rechts und links vom Eingang ist niederiges „Mauerwerk”. Ich pflanze meistens noch ein dichtes Gebüsch davor. Dahinter stehen verborgen die Kerzen. Damit nichts anbrennt, ist eine Asbestplatte unter dem Dach angebracht und darüber ein Eisenblech so zurecht gebogen, daß die Lichtlein ganz geschützt stehen. Es macht etwas mehr Mühe, aber es lohnt sich auch. Die allerschönste Stunde am Weihnachtsabend kommt erst, wenn die Kerzen am Baum gelöscht sind, dann leuchtet im großen dunklen Wald das Lichtlein aus dem einsamen Stall. Sein warmer Schein überstrahlt die liebe Mutter Maria und das Kind, es zittert lebendig über dem Haupt des Vaters Josef, und durch das Fenster dringt der Schein in die Waldnacht hinaus. Sein Glanz leitet die Hirten, die von den Bergen heruntersteigen, und das Geschmeide der heiligen drei Könige glitzert wunderbar in der tiefen heiligen Nacht. Dann werden unsere Kinder sehr still. Keines spricht ein Wort. Sie können sich nie satt sehen. Und ich denke, sie werden es nun ihr ganzes Leben lang nicht mehr verlieren, das himmlische Wunder, daß das ewige Licht hereingeht in diese dunkle Welt und uns zu Lichtes Kindern macht. Man kanns auch ganz anders machen als wir. Wir haben liebe Freunde, denen hat einmal ein junger Mensch mit andächtiger Seele eine Mutter Gottes geschnitzt mit dem Kinde auf dem Schoß und einen Josef dabei. Die stellen sie jedes Jahr unter ihren Baum in eine niedrige Mooshöhle. Und es ist, als ob man in das letzte Geheimnis, in den Anfang aller Dinge und allen Lebens selbst hinab schauen dürfte, wenn man vor dieser Höhle kniet. Es wird einem da wunderbar klar, wie doch in der Geburt der Weihnachtsnacht alles Muttersein und alles Geborenwerden von Kindern zu einem Heiligtum geworden ist. Ich will Dir also keine Vorschriften gemacht haben. Doch eine Krippe müßt Ihr haben, denn ohne Krippe geht den Kindern das Beste und Wichtigste vom Weihnachtsfest verloren. An diesem Feste, da unser Himmlischer Herr und König Fleisch und Blut angenommen hat, müssen sie das Heiligtum schauen können, und uns Großen tut es auch gut, wenn wir einmal eine Weile innehalten und uns mit stillem, gesammeltem Herzen über das Wunder Gottes freun. Also mach Dich rechtzeitig ans Werk und dann feiert miteinander und grüße Deine liebe Frau von Eurem getreuen Vetter und Freund. Jahresbriefe des Berneuchener Kreises 1931/32, S. 14-17 |
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