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Daß wir statt von der Konfirmation von der Einsegnung der Jugend reden, kennzeichnet den Weg, den wir geführt worden sind, und deutet schon an, welches unser entscheidendes Anliegen ist. Die Sitte der Konfirmation hat weder einen eindeutigen Ursprung noch einen eindeutigen, allein berechtigten Sinn; vielmehr ringen in der Geschichte bis zur Gegenwart sehr verschiedene Auffassungen der Konfirmation mit einander und der vieldeutige Name Konfirmation spiegelt diese innere Mannigfaltigkeit wieder. Da war die Konfirmation im lutherischen Norden wesentlich das Katechismusexamen, das eigentlich vor jeder begehrten kirchlichen Handlung (zum Beispiel vor der Trauung!), mindestens aber vor der ersten Abendmahlsfeier abgelegt werden sollte, oder (abgeschwächt) der feierliche Abschluß der kirchlichen Jugendunterweisung; da war die Konfirmation, wie sie Bucer in Straßburg einführte, eine deutliche Nachahmung des römischen Sakraments der Firmung und sollte durch das „Sakrament der Handauflegung” die Gabe des heiligen Geistes vermitteln; da wurde die Konfirmation zu der „Bestätigung” der Taufe, indem das zu den Jahren der Unterscheidung gelangte Kind nun mit eigenem Verstand und Willen das Bekenntnis und Gelöbnis „erneuerte”, das bei seiner Taufe der Pate für das „unmündige” Kindlein bekannt und gelobt hatte; oder sie wurde zu der Feier, da die Jugend „der Gemeinde hinzugetan” wurde und sich ihrer Ordnung „freiwillig” unterwarf. Stärker als alle diese älteren theologischen Deutungen der Konfirmation hat auf unsere heutige volkstümliche Auffassung gewirkt, was der Pietismus und der Rationalismus aus der Konfirmation gemacht haben; indem der Pietismus die Konfirmation erneuerte, verstand er sie als die Stunde der Entscheidung, in der der junge Mensch sich dem Heiland ergab und sich zu einem eigenen Glaubens- und Gebetsleben erwecken ließ, und der Rationalismus machte die Konfirmation erst wirklich populär, indem er sie als „Jugendweihe”, als die Weihe der Jünglinge und Jungfrauen an die Götter der bürgerlichen Gesellschaft, an Vernunft und Tugend, beging. So liegt von der Geschichte her eine große Zwiespältigkeit (und mehr als Zwiespältigkeit) über der Sitte der Konfirmation, und die Frage, ob man von Konfirmanden (die bestätigt werden sollten, nämlich in ihrem Christenstand) oder vielleicht besser von Konfirmanten (die selber etwas bestätigen sollten, nämlich ihren Taufbund und ihr Taufbekenntnis) reden sollte, ist der echte Ausdruck dieser Unsicherheit. Dazu kommt eine ganz andere Sorge. Gegen keine kirchliche Handlung hat sich so leidenschaftlich der Vorwurf der Unwahrhaftigkeit gewendet wie gegen die Konfirmation: hier sprechen die Kinder, angeblich als ihr eigenes Bekenntnis, den Ausdruck eines Glaubens, der ihnen im besten Falle verstandsmäßig klar geworden, dessen Tiefe aber ihrem seelischen Fassungsvermögen noch nicht erschlossen sein kann; sie geben ein Versprechen, dessen Tragweite ihnen auf dieser Stufe ihres Lebens, vor den Erschütterungen der Jugend- und vor den Entscheidungen der Reifezeit, noch nicht einsichtig sein kann, und die Kirche nimmt dieses Bekennen und Geloben ernst, obwohl sich jeder nüchtern denkende Mensch über die Fragwürdigkeit dieses kindlichen „Ja” klar ist, und obwohl die weit überwiegende Mehrzahl der eben Konfirmierten jede Beziehung zu der Kirche ein für allemal aufgibt. Indem wir von „Einsegnung der Jugend” sprechen, möchten wir gerade die Lebensstufe, auf der die Kinder konfirmiert werden, ganz ernst nehmen. Wir halten es für ein törichtes Geschwätz, daß die Kinder durch die Konfirmation in die „Gemeinde der Erwachsenen” aufgenommen würden, da sie ja doch eben erst im Begriffe sind, aus den Jahren der Kindheit in die Jahre der Jugend hinüberzuschreiten. Wir halten es auch gerade nicht für einen gangbaren Ausweg, das Konfirmationsalter hinauszuschieben und, so wie es in Holland, aber auch in etlichen Gegenden Deutschlands üblich ist, die jungen Menschen erst im Alter von etwa 18 Jahren zu konfirmieren; dabei tauchen wieder ganz andere Schwierigkeiten auf, und die Konfirmation würde dabei jedenfalls etwas vollständig anderes, als was die volkskirchliche Sitte (darin viel vernünftiger als die theologischen Theorien) daraus gemacht hat. Die vierzehnjährigen Konfirmanden aber sind weder „reif” noch „mündig”, sondern sie sind Kinder, die im Begriffe stehen, die Jahre der Kindheit hinter sich zu lassen und zum Teil auch äußerlich, jedenfalls aber innerlich ein anderes Verhältnis zu sich selbst, zu ihrer menschlichen Umwelt und dem ganzen irdischen Dasein zu gewinnen. Dabei ist die „Jugendlichkeit”, wie sie sich zunächst zeigt, keineswegs nur liebenswert - wir reden nicht umsonst von den Flegeljahren - aber sie ist auch in ihren besonderen Gefahren und Irrwegen ein notwendiges Durchgangsstadium zu dem eigentlichen Reifen in das Mannes- und Frauentum hinein. Diese jungen Menschen, an der Schwelle zwischen Kindheit und Jugend, werden nun „eingesegnet”. Das heißt nicht etwa, daß sie jetzt erst in die Kirche aufgenommen werden; sie sind durch ihre Taufe dem Leben der Kirche eingegliedert, und nur in irdischen Ordnungen, nicht aber im eigentlichen Sein der Kirche, kann der Erwachsene ein höheres Recht haben als das Kind. Die Kinder an der Schwelle der Jugend „einsegnen” kann nichts anderes bedeuten, als daß es für ihre Jugend lebendig und wirksam gemacht werden soll, daß sie der Kirche, daß sie Christus zugehören und einverleibt sind. Darum ist die Einsegnung der Jugend in erster Linie Taufgedächtnis, nicht Bestätigung der Taufe, sondern Tauf-„Erinnerung”. Beides, die tragende und bergende und die verpflichtende Kraft der göttlichen Gnade, soll der junge Mensch auf dem Boden der Kirche, ober vielmehr der Gemeinde, als konkrete Wirklichkeit erfahren und verspüren. Die Gemeinde bietet sich ihren jungen Gliedern an als das irdische Gleichnis der ewigen Heimat, als Brunnenstube geistlichen Lebens und als Stätte der Weihe zum täglichen Kampf. Es wäre daher wohl richtig, die Kirche ließe sich das alles nicht von den Kindern in einem feierlichen Jawort bekennen und versprechen, sondern sie sagte ihnen nur, wie es heute schon in einigen Gemeinden Ordnung ist: Ihr seid getauft, ihr seid in Christus einverleibt, ihr steht in der Gnade Gottes, ihr seid gerufen zum Kampf, ihr seid Glieder der heiligen Kirche, ihr dürft mit ihr hören und reden, singen und beten und kämpfen - und nun gebt mit eurer Jugend die Antwort auf den Ruf, mit dem ihr „berufen” seid; ja sie, die Kirche soll das, wie es dem inneren Bedürfnis dieser Altersstufe entspricht, ganz persönlich jedem einzelnen bezeugen, indem sie ihn bei seinem Namen aufruft, ihm seinen persönlichen Geleitsprach mitgibt, ihm die Hand reicht, um diese Verbundenheit zu bekräftigen, ihm die priesterlich fürbittende und segnende Hand aufs Haupt legt; und dies, Verkündigung und Erinnerung und Mahnung und Fürbitte und Segenswunsch, das alles kann die Kirche in voller Ehrlichkeit allen ihren jungen Gliedern gewähren, ja sie darf es ihnen nicht schuldig bleiben, mögen sie selbst dazu sich wie immer verhalten. Nicht, weil sie etwas verstanden haben, weil sie ein Bekenntnis gesprochen und ein Gelöbnis gegeben haben, gehören sie nun anders als bisher zur Kirche; sondern weil sie zu diesen Jahren gekommen sind, werden sie - Glieder der Kirche, Glieder am Leibe Christi seit ihrer Taufe - aufgerufen und eingeladen, nun in einer neuen Weise als Jugend, als die Jugend der Gemeinde, bekennend und betend, dienend und kämpfend im Leben zu stehen und dadurch ihre christliche Berufung bewußt zu ergreifen. Das alles bleibt freilich noch in der Sphäre der Theorie oder der rein persönlichen Beziehung zu dem Seelsorger, wenn die Kirche nicht in der konkreten Gestalt der Gemeinde für den jungen Menschen sichtbar in und über seinem Leben steht; als lebendige Kirche, von der man nicht nur im Unterricht hört, sondern die man als junger Mensch sehen, spuren und leibhaft erfahren kann als tragende, bergende, verpflichtende und wegweisende Macht. Gibt es diese Kirche nicht als leibhafte Wirklichkeit, so hat die „Einsegnung der Jugend” keinen Sinn. Darum wirft uns auch jede Überlegung über die Einsegnung der Jugend zurück auf die Frage, der unser Sorgen und Sinnen und unsere Arbeit gehört, auf die Frage nach dem Sichtbar- und Leibhaftwerden der Kirche. Jahresbriefe des Berneuchener Kreises 1931/32, S. 43-46 |
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