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Kloster Urspring und seine Umwelt II
Die Kapelle in Urspring
von Karl Bernhard Ritter

LeerDaß Kirche als leibhaftige Wirklichkeit unter uns erfahren werde, wachse und Gestalt gewinne, darum geht es der Berneuchener Bewegung, das ist ihre Hoffnung und das Ziel ihrer Arbeit. Darum ist es für sie von so großer Bedeutung, daß sie einen Raum besitzt, der geradezu Sinnbild der Bewegung zu sein vermag, wie er Andachtsstätte für ihre Freizeiten ist, soweit sie zu Kloster Urspring stattfinden können.

LeerEine Wiederherstellung der großen, in Folge der Säkularisation am Anfang des vorigen Jahrhunderts verwüsteten Klosterkirche überstieg bei weitem unsere Kräfte. Aber die traurige Zerstörung, die der Einbau einer Fabrikanlage in den Räumen Ursprings angerichtet hat, läßt uns nachdenken über den Geist der Zeiten, aus denen wir herkommen - so glaubte man damals, das Kloster „vernünftigen” Zwecken zuführen zu sollen! Nun haben wir ganz bescheiden in der großen, öden Kirche eine Kapelle eingebaut, unter dem mächtigen schweren Gewölbe der ehemaligen Nonnenempore. Es ist ein Anfang. Und es ist ein katakombenartiger Raum. Ist damit nicht überhaupt unsere Lage, die Lage der werdenden Kirche bezeichnet?

LeerDie Einrichtung der Kapelle ist denkbar einfach. Wir haben auf allen Schmuck, auf alle „Dekoration” gern verzichtet. Aber mächtig ragt über der schlichten Steinplatte des Altars das Kreuz auf, aus dunklen schweren Balken gefügt. Das Kreuz beherrscht den Raum. Nur ein Zeichen - aber dieses Zeichen ist wirklich ernst genommen. Wir sind in der evangelischen Kirche arm geworden an Worten, Bildern und Gestalten, die offenbarungsmächtig zu uns zu sprechen vermögen. Die Kapelle in Urspring ist ein ehrliches Bekenntnis zu dieser Armut, lind gerade deshalb spricht der Raum so stark, so verheißungsvoll zu unseren Herzen, eint er seine Besucher, zwingt er sie zusammen zu ernster Gemeinsamkeit der innersten Haltung. Es Ist ein Anfang, der Zukunft in sich birgt.

LeerUnsere arme schlichte Kapelle hat vor vielen großen und reichen Kirchen des Protestantismus zwei Vorzüge. Sie hat zur Beleuchtung nur das lebendige, warme Licht der Kerzenflammen, ein Licht, das eine Botschaft ausrichtet. Die Flamme des Altars wird aufgenommen von der Gemeinde und weitergetragen, daß es in uns und um uns hell werden kann. Und unsere Kapelle hat ein Gestühl, in dem man knien kann. Daß wir dort niederknien, uns leibhaftig beugen dürfen vor dem, der durch das Kreuz zu uns spricht, der sich in Brot und Wem uns austeilt, macht uns die Kapelle erst zur Heimat, zur Stätte des Gebets in der Stille und in der Gemeinschaft der Brüder und Schwestern.

LeerViele Einzelne haben mit ihren Gaben dazu geholfen, daß wir trotz der allgemeinen Not, trotzdem wir keine großen Geldgeber unter uns haben, den Ausbau unserer Kapelle wagen durften. Und wir hoffen, daß noch mancher Besucher der Kapelle und manches Glied unseres Kreises, das dort etwas von der Sichtbarkeit der unsichtbaren Kirche erlebt hat, uns helfen wird, die Baukosten abzutragen. Je mehr unser Kreis wächst, umso mehr dürfen wir dann auch hoffen, nach und nach die ganze große Kirche in Urspring zu erobern. Und auch das soll uns dann Sinnbild sein unseres Weges und unserer Aufgabe.

Jahresbriefe des Berneuchener Kreises 1931/32, S. 51-52

© Joachim Januschek
Letzte Änderung: 13-01-17
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