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Fasten oder „sparen”?

LeerDie evangelische Kirche der altpreußischen Union stellt den Kirchenbau ein. Auf Druck des Staates hat sie ihren Gemeinden verboten, neue Kirchenbauten in Angriff zu nehmen. Ein geradezu groteskes Symbol einer Kirche, die sich selbst aufgibt! So meint sie es natürlich nicht. Sie möchte nicht zurückstehen im Preisabbau, in der Sparsamkeit. Aber ist Sparsamkeit eine kirchliche Tugend? Sollte hier nicht eine Verwechslung vorliegen? Fasten, wie es in diesem Briefe darzustellen versucht wurde, heißt sich Genüsse versagen, um Kraft zu sammeln für die entscheidenden Aufgaben des Lebens. So fastet Christus, um die Teufel austreiben zu können; so fastet das Mittelalter, und baut in Hungerzeiten Dome. Wir aber - können es nicht ändern, daß Karneval gehalten werden muß, damit das Gastgewerbe Verdienst hat, - und sparen uns das Geld ab am Kirchenbau. Oder will jemand den Nachweis führen, daß das so nicht erhobene Kirchgeld bessere Anwendung finden wird als durch die Beschäftigung derer, die uns Kirchen bauen könnten, und die Schaffung der fehlenden Gotteshäuser?

LeerAber selbst wenn es, volkswirtschaftlich gesehen, von Vorteil wäre, den Kirchenbau einzustellen - wer gibt einer Landeskirche das Recht, in dieser Stunde dem entscheidenden Dienst an denen, die man ununterbrochen neu tauft, einsegnet, traut, die Grundlage zu entziehen? Wenn wir in den verflossenen Jahrzehnten unsre Pflicht getan hätten und hätten den Außenvierteln der Großstädte Kirchen und Pfarrhäuser gegeben, wie es nötig wurde; wenn man sich dann auch noch entschließen könnte, von jetzt ab all die Ersatzkirchen nicht mehr zu bauen, die dem entwurzelten Menschen unsrer Tage ein paar Stunden Sorgenfreiheit als Lückenbüßer für die fehlende Heimat der Seele anbieten, dann durften wir vielleicht für einige Jahre neue Bedürfnisse zurückstellen und unsre Kraft sparen für andere, bisher zu kurz gekommene Aufgaben. Die Not unsres Volkes aber damit beantworten, daß man seinem Willen zur Einkehr und Besinnung ein Verbot entgegensetzt, das heißt die Kirche für eine Einrichtung erklären, auf die man im Notfall auch verzichten kann!

LeerWie schön, daß es auch Gegenbeispiele gibt! Das südhannoversche Dorf Elvese mit 220 Evangelischen hat sich unter der Leitung des Hamburger Architekten Gerhard Langmaack im Jahre 1929 sein altes, bös verbautes Kirchlein in dörflicher Werkgemeinschuft hervorragend gut erneuert, mit günstigster Rückwirkung auf das Gemeindeleben, Im Advent 1931 konnte der Pfarrherr von Elvese, Henning Hahn, nun auch neben der Mutterkirche Hillerse (500 Seelen) eine bescheidene Kapelle einweihen lassen, um im Winter, wo es auf dem Lande vor allem in Frage kommt, unter der Woche in geheiztem Raum Gottesdienst halten zu können. Solche Aufbauarbeit verlangt freilich Opfer - nicht „Sparsamkeit”.

Jahresbriefe des Berneuchener Kreises 1931/32, S. 53-54

© Joachim Januschek
Letzte Änderung: 13-01-17
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