|
von Wilhelm Stählin |
Die römische Kirche feiert seit Pius XI. (1925) am Sonntag vor Allerheiligen ein eigenes „Christus-König-Fest”, vielleicht nicht ganz ohne die Absicht, durch den Glanz dieses dem Königtum Christi geweihten Festes das Reformationsfest der evangelischen Kirche zu überstrahlen. Christus aber ist immer König, in allen seinen Festen, - trägt doch im frühen Mittelalter selbst der Gekreuzigte die Siegerkrone. Besonders deutlich tritt die Königswürde des Herrn zu Anfang und zu Ende der Christuszeit des Jahres hervor. Im Advent (der über Weihnachten hin in Epiphanias gipfelt) mit dem Rufe: „Siehe, dein König kommt zu dir” und am Himmelsfahrtstage als dem letzten großen Herrenfest im Jahreskreis mit dem Bekenntnis: „Aufgefahren gen Himmel - sitzend zur Rechten des Vaters”. Eine vierfache Melodie erklingt an dem Fest der Himmelfahrt Christi, und in vielfältigen Verschlingungen hören wir diese vierfache Melodie aus den alten Himmelfahrtsliedern der Kirche zu uns dringen. Christus ist aufgefahren zu seinem Vater, heimgekehrt zum Thron der himmlischen Herrlichkeit; der durch Leiden Vollendete ist erhöht „zu der Rechten der Kraft”; es ist der endgültige Triumph des am Kreuze von Menschen Getöteten und von Gott Verlassenen: Gott hat ihm einen Namen gegeben, der über alle Namen ist. Es ist deutlich der Gipfel, zu dem der älteste Christus-Hymnus hinaufschreitet (1. Tim. 3, 16): Gott ist offenbart im Fleisch,Aber dieser zum Himmel erhöhte Christus ist zugleich der Herr seiner Kirche auf Erden, das Haupt seines irdischen Leibes. Ist Himmelfahrt die Thronbesteigung Christi, so ist es Antritt seiner Herrschaft über Himmel und Erde, seiner vollen Wirksamkeit vor allem in seiner Gemeinde: hier erst erfüllt sich der Gedanke des Königtums Christi. Daß der über alle Begrenzungen menschlicher Existenz hinausgehobene Christus in seiner Kirche gegenwärtig ist, in ihrem Sakrament sich den Seinen austeilt und spendet und durch seine Glieder eben als seine Glieder auf Erden handelt, das ist die eigentliche „Substanz” der Kirche und der Inhalt ihres Jubels. Drum jauchzen wir mit großem Schalln Drum sei Gott Lob, der Weg ist gmacht,Aber den eigentlichen Atem des Himmelfahrtsfestes spüren wir erst in dem Verheißungswort der Engel: „Dieser Jesus, welcher von euch ist aufgenommen gen Himmel, wird kommen, wie ihr ihn gesehen habt gen Himmel fahren.” (A.G. 1,11). Der Blick, der sich auf den Himmel und auf den zum Himmel erhöhten Herrn richtet, ist zugleich der Blick unerhörter Spannung, der von diesem Himmel her das endgültige Gericht über diese Todeswelt und die Vollendung der Erlösung erwartet. Jetzt ist „unser Leben mit Christo verborgen in Gott”, aber von diesem uns jetzt noch verborgenen Himmel her will die Herrlichkeit Christi und unsere Herrlichkeit erscheinen an jenem Tage, der alles neu macht. Und der zum Himmel entrückte Seher hört die Stimme des, der auf dem Thron sitzt und des Augen sind wie Feuerflammen, und sieht mit seinen Augen das Bild des neuen Jerusalem vom Himmel herabfahren wie eine geschmückte Braut ihrem Mann. Doch ist nun Gefahr, daß die überschwengliche Glut dieses Himmelfahrtfestes verlösche unter dem eisigen Hauch kritischer Überlegungen, denen wir uns scheinbar garnicht entziehen können. Es sind zwei verschiedene Gedankenreihen, von denen diese gefährliche Störung der Himmelfahrtsbotschaft ausgeht und denen wir hier nicht ausweichen wollen. Wir bedürfen des Bildes, in dem sich uns das Geheimnis des großen Festes verhüllt und offenbart zugleich; nur das Bild, dessen heimlichen Sinn unser inneres Auge erfaßt, vermag unsere Seele zu der Kühnheit eines solchen Welt und Himmel umspannenden Glaubens emporzuziehen. Aber hier muß, so scheint es, die Kraft der inneren Anschauung versagen. Was wäre das für ein „Himmel”, in den Christus aufgefahren sein sollte? Das antike Weltbild, das eine Welt „unter” der Erde und einen „Himmel” über dieser Erde und die Erde selbst als den Ort der Mitte kannte, ist unwiederbringlich zerstört; welchen Sinn hätten „oben” und „unten” in der Unendlichkeit des Weltraumes und auf einer mit rasender Geschwindigkeit rotierenden Erde? Wir kennen den Weltraum besser als die Alten und haben ihm mit Fernrohr, Photographie und Spektralanalyse seine Geheimnisse geraubt, aber wir haben dabei den Himmel verloren. Die Wandlung, die hier an uns selber sich vollzogen hat oder vollziehen will, ist aber keineswegs nur, nicht einmal in erster Linie, eine Wandlung unserer Naturbetrachtung. Die wieder neu geschenkte Möglichkeit, fast möchte man sagen das uns neu gegönnte Recht, die Natur und damit auch den räumlichen Himmel als religiöses Symbol zu erleben, hilft uns noch nicht zum Himmelfahrtsfest, wenn sich nicht zugleich in uns und unserer Frömmigkeit eine Wandlung ereignet. Nicht nur die Kälte des Weltenraumes, sondern noch mehr die Kälte unseres Herzens bedroht das himmlische Feuer dieses Festes. Gewohnt, immer nur uns selber und unser eigenes Herz zu sehen, haben wir den Himmel als das Reich des „Jenseits” verstanden und wissen von keinem anderen Himmel mehr als von dem heimlichen Himmelreich der Seele. Damit aber sind die Türen und Fenster zu den Weltenweiten verschlossen, in denen Gottes Ratschluß sich erfüllt, und wir haben den Herrn aller Himmelsräume eingesperrt in das enge Gefängnis unserer armseligen Innerlichkeit. Und dann freilich muß der volle Klang des Himmelfahrtsjubels verstummen, wenn es keinen anderen Himmel gibt, in dem der Thron Christi bereitet ist, als die Herzen seiner Jünger. Wenn aber dieses Gefängnis aufgetan wird, wenn diese Eiswand von dem heißen Atem des ewigen Geistes aufgetaut wird, dann erst entriegelt sich auch die Pforte zu den Himmelsweiten des echten Christusglaubens. Dann ahnen wir, warum Christus es bei seinen Jüngern als einen Mangel an Liebe getadelt hat, daß sie nur an sich und ihr Erleben denken können statt sich zu freuen seines Weges zu der Herrlichkeit des Vaters. Und dann ist auch die naturwissenschaftliche Erforschung der Weltenräume kein Hindernis mehr, den Himmel, die azurne Bläue des Sommerhimmels und den glitzernden Mantel der Nacht als Sinnbild der oberen Welt anzuschauen, mit der wir durch Christus verbunden sind, und das sich dem Licht der Himmelsräume zuwendende Auge erfährt etwas von der ungeheuren Spannung, die sich entgegenstreckt einer kommenden Welk, in der alles verklärt sein wird „von einer Herrlichkeit zur andern”, von einem „Lichtglanz zum andern”. Jahresbriefe des Berneuchener Kreises 1931/32, S. 77-80 |
© Joachim Januschek Letzte Änderung: 13-01-19 Haftungsausschluss |