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Laurentiustag

LeerDie abendländische Christenheit ist nicht zu denken ohne das Werk, das die Gemeinde zu Rom seit der Apostel Tagen getan hat. Obgleich wir in den Bischöfen dieser Kirche nicht nur das apostolische Erbe der christlichen Urzeit verkörpert sehen, sondern daneben auch den weltlichen Willen zur Macht, der von den Cäsaren des alten Rom, den Gegenspielern Christi und seiner Kirche, herstammt, so weigern wir uns doch nicht, uns durch zwei Tage an die christlichen Grundlagen der römischen und der ganzen abendländischen Christenheit erinnern zu lassen, durch den 29. Juni und den 10. August - jener dem Gedächtnis des Märtyrertodes der Apostel Petrus und Paulus gewidmet, dieser der Todestag des Archidiakons Laurentius in der Valerianischen Verfolgung 258. Das Gedächtnis des Laurentius betrachtet die römische Kirche in besonderer Weise als ihren Ehrentag, weil sie den Märtyrerruhm dieses Mannes als eines geborenen Römers mit keiner anderen Gemeinde zu teilen braucht, wie das doch bei den Apostelfürsten der Fall ist.

LeerSt. Laurentius wird abgebildet, wie er auf einem glühenden Rost von eifrig geschürten Flammen gemartert wird. Aber er ist nicht einfach ein Christ, der für seinen Glauben grausame Todesqualen leidet, vielmehr ist hier einer, an dem das Wort des Apostels eine eigenartige Umkehrung erfährt: „Und wenn ich alle meine Habe den Armen gäbe und ließe meinen Leib brennen und hätte der Liebe nicht, so wäre mirs nichts nütze.” Denn wenn der Apostel zwei Werke nennt, die ohne die Liebe nichts sind: hier sehen wir umgekehrt diese beiden Werke aus christlicher Nächstenliebe hervorgehen; denn hier läßt einer seinen Leib brennen, er ist zum Feuertod verurteilt, weil er die Kirchenschätze an die Armen hingegeben hat und es nun wagt, die Armen selbst als die Reichtümer der Kirche dem Präfekten der Stadt vorzuführen. Wir schauen in seinem Bild das Wesen christlicher Barmherzigkeit, hilfsbereiter Diakonie, wie sie dort lebendig ist, wo die Glieder der Kirche sich verzehren lassen von der Glut einer Liebe, die ganz Dienst und ganz Opfer ist.

LeerAber wir können das Wort des Apostels nicht überhören und sehen darum in diesem Bilde des Märtyrers Laurentius zugleich eine Warnung für die ganze abendländische Christenheit, eine Warnung vor solcher Arbeit an der Wohlfahrt der notleidenden Menschheit, die nicht sich selbst zum Opfer bringen wollte, der das Letzte fehlte: „Und hätte der Liebe nicht”. Es ist die Gefahr der Vielgeschäftigkeit, des Sichverzettelns in dem nach außen gewandten Werk der Weltgestaltung, hinter dem der heimliche Ehrgeiz menschlicher Leistung steckt, eine Gefahr wie sie der abendländischen Menschheit, und das heißt der abendländischen Christenheit aller Kirchen, immer von neuem droht, wo immer sie ihr Werk nicht im Angesicht des Todes tut wie Laurentius. Erst da, wo der Einsatz des ganzen Lebens hinter dem Werk der Barmherzigkeit steht, erst da kann es wirklich Gutes stiften, kann an ihm das Wort dieses Tages in Erfüllung gehen: „Wer da säet im Segen, der wird auch ernten im Segen”.

Jahresbriefe des Berneuchener Kreises 1931/32, S. 106-107

© Joachim Januschek
Letzte Änderung: 13-01-19
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