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Liturgische Reiseberichte
von Arndt von Kirchbach

I.

Leer. . , Auf der Hin- und Rückfahrt verbrachte ich den einen Sonntag auf hoher See und bat den Kapitän des betreffenden Schiffes um die Erlaubnis, einen evangelischen Gottesdienst abzuhalten. Die Erlaubnis wurde gern erteilt, da man Wert auf Gottesdienste für die Passagiere legt und alles an Bord darauf eingerichtet ist. Erstaunen erregte der Wunsch, daß auch die Besatzung des Schiffes an dem Gottesdienst teilnehmen möchte. Rücksicht in der Arbeitseinteilung auf den Sonntag wurde nicht genommen, aber es erschien doch in beiden Fällen der Kapitän persönlich und eine sehr begrenzte Zahl von Schiffsoffizieren und Mannschaften.

LeerFür die Musik stand die Schiffskapelle zur Verfügung. Sie legte Wert darauf, beim Gottesdienst geistliche Musik zu bieten; diese beschränkte sich freilich auf die üblichen „geistlichen Musikstücke” und war liturgisch eigentlich unbrauchbar. Übrigens erfolgte auch das Wecken an jedem Morgen durch einen Trompeter; aber unsere schönen Morgenchoräle zu benutzen vermied er ängstlich. Diese musikalische Lage ist wohl auch ein Zeichen der Zeit.

LeerAls Gesangbuch stand auf dem Schiff N. Y. ein deutsch-englisches zur Verfügung. Das war insofern zweckmäßig, als sich zum Gottesdienst eine nicht unbeträchtliche Zahl von Menschen einfand, die nur englisch verstanden. Sie konnten auf diese Weise an dem liturgischen Teil des Gottesdienstes teilnehmen und haben das dankbar empfunden. Dieses Buch enthielt zugleich einige Sprüche und liturgische Stücke, die den Ausbau des Gottesdienstes erleichtern können. Auf der Rückfahrt auf der H. war das deutsche evangelische Auslandsgesangbuch vorrätig, also für die Auswahl der Choräle an sich eine günstige Möglichkeit. Die liturgische Gestaltung eines Schiffsgottesdienstes ist naturgemäß dadurch erschwert, daß der Raum ein Schiffssalon ist und trotz des Blumenschmucks und des Altars seinen Charakter nicht ganz verleugnen kann. Auch sind unsere Gemeinden ja so wenige und so verschiedene Liturgien gewöhnt, daß man gleich auf Schwierigkeiten stößt, wenn nicht ein festgefügter Kreis zur Verfügung steht. Ich habe daher in beiden Fällen eine ganz einfache Anordnung angewendet: Eingangslied, Spruch, Schriftverlesung, Hauptlied, Predigt, Predigtvers, Gebet, Segen, Schlußvers. Es ist mir bestätigt worden, daß der Eindruck des Gottesdienstes feierlich gewesen sei. . . .


II.

Leer. . . An allen Sonntagen, die ich auf amerikanischem Boden zugebracht, habe ich mit einer Ausnahme selbst Gottesdienst gehalten, viermal in deutscher und zweimal in englischer Sprache, die fünf erstgenannten Gottesdienste innerhalb der United Lutheran Church, den letztgenannten in der American Lutheran Church.

LeerDie Gottesdienstordnung dieser beiden Kirchen ist durch Kirchenbücher geordnet, die gleichzeitig als Gesangbücher dienen, in einer durchaus zweckmäßigen und handlichen Form. Das Kirchenbuch der United Lutheran Church scheint mir verhältnismäßig alt zu sein, das der American Lutheran Church ist im letzten Jahr erschienen, Herausgegeben von meinem Freund Dr. P., der ein sehr starkes Interesse an den musikalischen und liturgischen Fragen nimmt. Diese Kirchenbücher enthalten die Ordnung der Gottesdienste, Introiten, Kollekten, Episteln, Evangelien; Invitatorien, Antiphonen, Responsorien für alle Sonntage; Kollekten und Kirchengebete, Ordnungen der verschiedenen kirchlichen Handlungen von der Taufe bis zum Begräbnis, Ordination, Kirchenweihe, Eröffnung der Synode usw. Von den Bekenntnisschriften das athanasianische Glaubensbekenntnis, die Augsburger Konfession und den Kleinen Katechismus; endlich die Psalmen und 595 Lieder. Das Buch der American Lutheran Church enthält 650 Lieder. Von beiden Kirchen gibt es das Kirchenbuch natürlich in deutscher und in englischer Sprache. In der Auswahl der Lieder ist daher auch auf die Übersetzungen Rücksicht genommen worden: so gibt es auch Lieder, die aus dem Englischen stammen.

LeerDie Ordnung des Hauptgottesdienstes ist folgende: nach einem kurzen Votum „das Sündenbekenntnis” in mehrfachem Wechselgespräch zwischen Pfarrer und Gemeinde, mit der Absolution schließend. Es kann knieend gesprochen werden, was ich jedoch nicht erlebt habe. Der Introitus ist für jeden Sonntag festgelegt und schließt mit dem Gloria patri, dann folgt Kyrie und Gloria in excelsis, Gruß und Kollekte, die wiederum unter dem Sonntagsabschnitt festgelegt ist. An die Epistel schließt sich das Halleluja an mit einem nach dem Kirchenjahr wechselnden Spruch. Es kann auch ein Lied gesungen werden. Auf das Evangelium folgt das apostolische Glaubensbekenntnis, Hauptlied und Predigt, nach der Predigt Abkündigungen.

LeerNun folgt das Offertorium, d. h. die Darbietung des Opfers durch die Gemeinde. 6-8 Männer aus der Gemeinde kommen in feierlichem Zuge zum Altar, empfangen dort die Opferschalen mit einem Segenswort, tragen sie in der Gemeinde umher und kehren ebenso feierlich zum Altar zurück, wo die Opferschalen, ebenfalls mit einem Segenswort, entgegen genommen werden. In allen Gottesdiensten, die ich mitgemacht habe, geschah das in einer so würdigen, feierlichen Form, daß ich keinerlei Einwendung dagegen empfand. Nun folgt das allgemeine Kirchengebet, Vaterunser, Schlußvers und Segen.

LeerDas Heilige Abendmahl wird nur an bestimmten Sonntagen gefeiert. Ich selbst habe es nicht erlebt. Das lag wohl daran, daß man es bei Gastpredigten nicht ansetzt. Auch die Sommerszeit war dafür nicht günstig. Man sagte mir, daß sehr feste Abendmahlssitten bestehen. Viele Kirchenglieder gehen zweimal oder viermal im Jahr. Das sind die großen Feiern, neben denen es aber an Möglichkeiten kleinerer Feiern entschieden fehlt. Die Ordnung des Heiligen Abendmahls deckt sich genau mit der unsrigen in Sachsen, nur daß zwischen Sanctus und Vaterunser eine Vermahnung eingeschoben ist und nach der Erteilung das Nunc dimittis gesprochen wird.

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LeerNeben der Ordnung des Hauptgottesdienstes ist eine Ordnung für die Vesper und für die Matutin aufgenommen, nach den alten Gebetsordnungen mit Magnificat oder Nunc dimittis am Abend und Tedeum oder Benedictus am Morgen. Bei dem wegen großer Hitze abgekürzten Sommergottesdienst wird auch im Hauptgottesdienst unter Umständen auf diese Ordnung zurückgegriffen, sodaß mein erster Eindruck in der Kirche von Br. das mir wohIvertraute „Herr, tue meine Lippen auf” war. Die Liturgie wird in der Regel vom Pfarrer gesprochen, die Gemeinde antwortet unter Führung des Chores singend.

LeerEs lag in der Natur der Sache, daß ich die Liturgie nicht selbst hielt, sondern der betreffende Pfarrer der Gemeinde, da ja auch vielfach kleine örtliche Verschiedenheiten zu beobachten sind. Die Gemeinden sind an sich sehr selbständig, was zum Beispiel auch in der Art der Talare zum Ausdruck kam: ich fand fast in jeder Kirche eine andere Art Talar, meistens ohne Bäffchen. Die Auswahl der Choräle war in Br. sehr erfreulich, kernige deutsche Choräle. In den anderen Gottesdiensten, vor allem in den englischen, war die Auswahl nicht immer ganz unserem Stil entsprechend.

LeerDer Chor und der Organist sind bei den kleinen Gemeinden naturgemäß meist freiwillige Hilfskräfte. Ich traf viel weibliche Organisten. Sie geben sich viel Mühe und haben außer an den sonstigen liturgischen Stellen während des Offertoriums ausgiebig Gelegenheit ihre Kunst einzusetzen. Eine besondere Rolle spielt der Chor in den rein englischen Kirchen. Da trägt er Choralba und schwarze Oxfordmütze. Es erfolgt auch meistens zu Beginn des Gottesdienstes mit dem Eingangslied der feierliche Einzug des Chors mit dem Pfarrer, und ebenso ein feierlicher Auszug. Diese Sitte hat mir an sich gut gefallen, aber sie verleitet doch offenbar sehr stark zur Betonung von Stimmungswerten. So wird zum Beispiel gern der 1. Vers des Liedes bei verschlossenen Türen gesungen, erst beim 2. Vers öffnen sich die Türen und da zieht der Chor lauter und lauter singend ein. Dieses Verfahren ist wohl übernommen von der hochkirchlichen Richtung innerhalb der Episkopalkirche, der man sich überhaupt sehr nahe fühlt.

LeerIn einer kleinen Dorfgemeinde am Eriesee fand ich einen Pfarrer, der besonders stark in diesem Sinne arbeitete, Alba und Casel waren dort in Gebrauch. Er verschaffte mir auch einen Artikel ans dem Monatsblatt der Missourisynode, in dem über die kirchlichen Bräuche in dem lutherischen Deutschland berichtet wird, allerdings nur geschichtlich ohne auf die gegenwärtige Lage einzugehen.

LeerDemgegenüber herrscht in den rein deutschen Gemeinden, die ja verhältnismäßig selten sind, eine bewußte Ablehnung dieser englischen Formen vor. Diese scheint mir in wesentlichen Stücken berechtigt, da, wie aus dem Gesagten hervorgeht, wohl infolge des Löhe'schen Einflusses bei ihrer Gründung und ihrem Ausbau, wertvolle liturgische Tradition ohnedies vorhanden ist. . . .

Jahresbriefe des Berneuchener Kreises 1932/33, S. 50-52

© Joachim Januschek
Letzte Änderung: 13-01-26
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