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Michael

LeerDer Erzengel Michael ist das Sinnbild der triumphierenden Kirche, welche den Satan, die alte Schlange, besiegt und entmachtet. Als Sieger über Sünde, Tod und Teufel ist Michael zugleich der Schutzherr der kämpfenden Kirche, die auf Erden im Streit mit dem Drachen liegt, solange die Erde bestehen wird. Was uns die Offenbarung Johannis berichtet, ist eine Vision der Zukunft - oder seltsamerweise, wenn man so will, eine Vision der Vergangenheit. Denn sie beschreibt den Kampf des Erzengels als im Himmel geschehend, und sein Sieg muß dazu dienen, daß ihre Stätte, die Stätte des Drachens und seiner Engel, nicht mehr gefunden wird im Himmel. Der große Drache, die alte Schlange, die da heißt der Teufel und Satanas, der die ganze Welt verführt, ward geworfen auf die Erde. Und während im Himmel der Triumphgesang der großen Stimme erschallt: Nun ist das Heil und die Kraft und das Reich unseres Gottes worden, und die Macht seines Christus, wird über die Erde das Wehe gerufen: Weh denen, die auf Erden wohnen und auf dem Meer! Denn der Teufel kommt zu Euch hinab und hat einen großen Zorn, und weiß, daß er wenig Zeit hat! So ist Michael der große Kämpfer, der gesiegt hat oder siegen wird, wie Christus, sein Herr gesiegt hat und siegen wird am Ende der Tage - so ist er für die Kirche der Gegenwart, die siegend unterliegt und unterliegend siegt, das Zeichen der Hoffnung, der Gewißheit des endgültigen Sieges. Er ist der helle Morgenstern, der das Kommen des Lichtes verkündet, und stärkt durch sein Erscheinen die Kämpfer im Tale des Todes und der Finsternis.

LeerDenn das ist die Aufgabe, welche der Kirche auf Erden gesetzt ist: der Kampf derselbe Kampf, den Michael kämpft; der Kampf gegen Sünde, Tod und Teufel, gegen die Mächte der Finsternis, des Ungehorsams gegen Gott und des Übermutes des Menschen, der sein will wie Gott. Die Kirche ist die Stätte des Kampfes für Christus und seine Macht, die schon auf Erden durchbrechen soll, in Anfängen wenigstens, in Schwachheit und Unvollkommenheit, aber dennoch lebendig und wirksam, ein Hinweis auf das, was kommen soll, wenn das Erste vergangen ist.

LeerEin Hinweis, ein Schatten des Zukünftigen, ein Spiegelbild des Reiches Gottes soll die Kirche auf Erden sein. Michael hat den Teufel besiegt und ihn ausgetrieben aus den himmlischen Örtern; von diesem Zustand der Vollkommenheit soll die Kirche auf Erden ein Zeuge sein. Nicht als ob sie selber das Reich Gottes wäre und die himmlischen Ordnungen auf Erden in Kraft setzen könnte; dafür, daß es nicht gelinge, sorgt die alte Schlange, die auf Erden ihr Unwesen treiben darf. Der Spiegel, der das Bild des Reiches Gottes mit seiner vollkommenen Liebe, seinem vollkommenen Gehorsam und der unbeschränkten Herrschaft Gottes empfängt, ist vielfach getrübt, ist vielfach zersplittert durch die Pranke des Ungetüms und dennoch bestimmt, so klar als möglich, so rein als möglich die Strahlen des himmlischen Lichtes zu sammeln und das Bild der göttlichen Ordnung, die sein  s o l l , auf Erden  e i g e n t l i c h  sein soll, zu entwerfen.

LeerAus dieser Aufgabe erklärt sich der Kampf, zu dem die Kirche Jesu Christi aufgerufen ist ... der Kampf in ihren eigenen Reihen gegen alles unreine und unlautere Wesen, gegen die Mächte der Lüge und der Gewalt, der Lieblosigkeit und der Herrschsucht, die nur das Ihre sucht, der Kampf für Christus gegen Belial! Der Teufel kommt und hat einen großen Zorn ... groß Macht und viel List sein grausam Rüstung ist, und am furchtbarsten ist er wohl dort, wo er sich verstellt zu einem Engel des Lichts und unter der Maske des scheinbar unangetasteten Evangeliums unerkannt eindringt in das Heiligtum, daß verführet werden in den Irrtum, (wo es möglich wäre) auch die Auserwählten!

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LeerDieser Kampf ist keine leichte Aufgabe; er fordert Bereitschaft des ganzen Menschen, unaufhörliche Wachsamkeit und unerschütterliche Geduld. Der Teufel weiß, daß er wenig Zeit hat - darum überträgt er die eigene Unruhe auf seine Diener, jagt sie von Abenteuer zu Abenteuer, verwehrt ihnen, zur Besinnung zu kommen und erhält die Welt in ewiger Unrast und Erregung, treibt sie von einem Taumel zum andern, stürzt sie in „Betrieb” und Betriebsamkeit und möchte auch die, welche gegen ihn streiten, in solche Unrast hineinziehen und sie sich dadurch unvermerkt hörig machen.

LeerAber den Streiter im Heere Michaels zeichnet im Gegensatz dazu die Ruhe aus, die aus der Gemeinschaft mit Gott erwächst. Hast ist immer ein Zeichen von Unsicherheit, und Unsicherheit ein Mangel an Glauben. Wer glaubt an den lebendigen Gott, der in Christus erschienen ist, darf seiner Sache gewiß sein und tritt für sie ein in Geduld. Er weiß: Gott hat Zeit und kommt zu Seinem Ziel - der Teufel hat keine Zeit und schießt beständig über das Ziel hinaus. Er weiß: Nicht Hetze und Ungeduld erringt den Sieg, sondern Treue und Beständigkeit, die das Notwendige tut in Gelassenheit.

LeerÜber den Kampf der Kirche Jesu Christi ist der Friede Gottes gebreitet, der höher ist denn alle Vernunft, weil sie weiß: der Sieg ist unser, die Macht des Teufels vergeht. Dieser Friede begleitet sie auch dann, wenn der Kampf gegen den alten Drachen die Formen letzter Entscheidung annimmt, wenn er mit der gleichen Rücksichtslosigkeit und Unerbittlichkeit durchgekämpft wird, mit der ihn Christus geführt hat - auch wenn er ein Kampf ist ohne Scheu vor den Folgen, ohne Sorge um den Leib, um Gut, Ehr, Kind und Weib - auch wenn er ein Kampf ist, der die Glieder der Kirche zu Narren werden läßt in der Welt um Christi willen - denn dieser Kampf ist für die Sache des ewigen, in sich ruhenden Gottes und gibt Zeugnis von einem Reich und seinen verborgenen Kräften, die nicht von dieser Welt sind, der alten Schlange zum Trotz!

LeerDieser Kampf ist die Aufgabe der Kirche - nicht nur in ihrer eigenen Mitte, sondern auch im eigenen Volk. Das ist ihre Sendung, daß sie dem Volk und seinen Führern den Spiegel vorhalte, der das Bild der wahren Ordnungen Gottes zeichnet und das Gesetz der Liebe einprägt, ohne das Recht und Gewalt ihren Sinn verlieren und an ihrer Unerfülltheit zugrunde gehen. Und ob die Kämpfer für Christi Sache vor Fürsten und Könige gefordert werden um ihres Zeugnisses willen, und ob ein Bruder den anderen überantwortet zum Tode und ein Vater den Sohn, und ob der Zorn des alten Drachen sie äußerlich überwältigt - der Sieg ist auf Seiten Michaels und seiner Engel, derer die mit ihm streiten und das Feld behalten.

LeerNichts anderes gilt vom Kampf der Kirche, den sie nicht nur im eigenen Volk, sondern auch unter den fremden Völkern zu führen hat, die im Heidentum leben. Auch hier, wo oft die Macht der Finsternis mit Händen greifbar ist, wo die Verkehrung der göttlichen Ordnungen in ihr Gegenteil und die Last des Mißglaubens und der Verzweiflung ungeheuerliche Formen annimmt, auch hier, gerade hier ist die Kirche berufen, das Schwert des Geistes zu entblößen, das durchdringt und die große Scheidung und Entscheidung erzwingt - für Christus gegen Belial!

LeerKampf ist die Losung der Kirche, Kampf bis zum Letzten. Und ob ihr äußerlicher Leib verdirbt - wenn nur der Schild des Glaubens rein und unbefleckt erhalten bleibt, in dem die Sonne Jesu Christi sich spiegelt. Wie Michael den Kampf mit dem Drachen aufgenommen hat und ihn bezwang, so soll die Kirche Christi auf Erden den Kampf aufnehmen im Blick auf jenen Morgenstern und es allezeit wissen: in hoc signo vinces!

Jahresbriefe des Berneuchener Kreises 1934, S. 135-137

© Joachim Januschek
Letzte Änderung: 13-11-09
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