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Von den „letzten Dingen”
von Heinz-Dietrich Wendland

Leer.... Wenn wir als Glaubende nicht zugleich Hoffende sein könnten und sein müßten, so wären wir die Elendesten unter den Menschen. Das ist es, was wir hier, versammelt aus vielen Nationen und Kirchen zu Tagungen des ökumenischen Rats für praktisches Christentum und des Weltbundes für Freundschaftsarbeit der Kirchen, von neuem lernen und erfahren. Das Ringen um ökumenische Gemeinschaft, um den Gehorsam wider die Einheit des Leibes Christi in ihm, dem Herrn der Gemeinde und dem Herrn der Welt, treibt die Hoffnung hervor. Da sind die Nationen mit ihrem verschiedenartigen Menschentum und ihrem ganz eigenen geschichtlichen Schicksal - das richtet Grenzen des Verstehens auf, die gerade dem Christen brennend spürbar werden, weil er doch weiß von der weltumspannenden Einheit der Kirche Christi. Da sind die Kirchen mit ihren in langer Geschichte gewachsenen Eigentümlichkeiten, die wiederum mit der nationalen Eigenart der Völker und der Sendung großer Menschen des Glaubens zusammenhängen. Da ist aber auch so viel Erstarrung, so viel Schuld, so viel Mangel an Liebe. Allenthalben stoßen wir hier, ob wir von Staat und Kirche oder internationalen und ökumenisch-kirchlichen Beziehungen in ihrem Verhältnis zu einander sprechen, auf die Grenzen allen Menschenwitzes, alles Verstehens und Denkens - und auf die Grenzen unseres Glaubens. Der Glaube kann nur durch die Hoffnung bestehen. Denn die Hoffnung weiß von Christus als dem Sieger, der einmal sein wird der offenbare Herr der Gemeinde, des vollendeten Gottesvolkes, der Herr der Welt. Er kommt und siegt, und wir werden erlöst sein: nicht mehr begrenzt und beschränkt, sondern befreit, nicht mehr sündig, sondern rein, nicht nur mehr Glaubende, sondern Schauende, nicht ohne Wert und Frucht, sondern ganz und gar, lautere Liebe. Alles, was uns hier geschenkt sein kann, und was wir nicht verachten, sondern als das Zeugnis der Wahrheit unserer Hoffnung lieben: Glaube, Heiligung, Gemeinschaft, Gegenwart Christi, Vergebung der Sünden - es ist nichts als der Anfang jener großen Erlösung, die da kommen soll, die ersten Garben der Ernte der Welt, die Christus einbringen wird. Wie wäre alles, was wir glauben, Traum und Schaum, wenn nicht dies kommende Geschehen als eine Wirklichkeit, als die Tat Gottes, die sein wird, dahinterstünde. Wie könnten wir wirklich Gottes Allmacht, Gottes Erbarmen, Gottes erneuernden Geist glauben, wenn er nicht der kommende Gott wäre, der seinen Sohn sendet, das Reich der Herrlichkeit aufzurichten? Wenn Christus nicht als der Sieger käme, niederzuwerfen alle Macht des Satans und der Finsternis, die uns knechtet und unseren Gottesgehorsam lähmt und vergiftet? Nur wenn ich dies hoffe, glaube ich wirklich. Diese Hoffnung scheint eine kindische Einbildung, und es ist wahr, daß in unserem eigenen Leben und in der Welt um uns her kein Grund zu solcher Hoffnung gefunden werden kann. Der Grund solcher Hoffnung ist allein Gottes heilige Verheißung und Zusage, Gottes unwandelbare Treue zu seinem Geschöpf, Gottes ewige Macht, die den Satan nicht den Herrn der Welt bleiben lassen kann. Ich hoffe, das heißt: ich glaube, Gott sei wirklich Gott, und nicht ein ohnmächtiges Wesen, das vergebens mit dem Bösen ringt.

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LeerUnsere Hoffnung ist nicht ein Erzeugnis unseres menschlichen Denkens. Das zeigt sich darin, daß sie an dem Glauben an die kommende göttliche Vollendung der Schöpfung und der Gemeinde Christi festhält, obwohl die Jahrhunderte kommen und gehen, Völker sich erheben und dahinsinken, Geschlechter geboren werden und sterben, als sei die Welt ein unendlicher Strom, und als sei es ein Wahnsinn, zu glauben, sie könne einmal ein Ende nehmen. Trotz Blut und Leiden und Untergang scheint sie so unerschütterlich wie die unwandelbaren Gestirne. Allein, die Hoffnung unseres Glaubens weiß, daß alles, was Menschenaugen unendlich und unermeßlich scheint, vor Gott sein Ende hat. Er ist der allein Ewige. Allein aus seinen Händen können die Geschöpfe ewiges Leben empfangen. Er hat allem, was ist, seine Gesetze gesetzt.

LeerVollendung der Welt, das ist Gericht und Tod. Wie der Mensch stirbt, so stirbt die Welt. Alles Lebendige hat den Tod in sich. Denn es ist beherrscht von der Gottentfremdung. Bei Gott ist die Quelle des Lebens. Alles, was aus sich selber leben und gegen Gott da sein will, muß sterben. Sonst gäbe es ja noch einen zweiten Schöpfer neben Gott, den Menschen! Das Weltgericht ist die große Vernichtung, der große Tod des ganzen Kosmos, die Zerstörung der Welt, in der wir leben, der Welt des Leidens, der Welt der Sünde, der Welt des Gotteshasses.

LeerVollendung der Welt, das ist eine neue Geburt, das ist Auferstehung zu ewigem Leben. Wie das geschieht, wir wissen es nicht und begehren es nicht zu wissen. Wir werden sein wie die Träumenden. Doch dessen sind wir durch Christus gewiß, daß Gott seine Schöpfung nicht haßt, daß sein Vernichten und Töten immer nur Leben schaffen kann. Darum sind die „letzten Dinge” nicht ein Nein, sondern ein Ja, das Ja der Liebe.

LeerDieses Ja der Liebe verklärt die Welt zu einer neuen Lebendigkeit, die dem Willen des Schöpfers entspricht und keinen Tod und keine Sünde kennt. Sie umfängt das ewige Leben aller, die durch Gott vollendet sind. Aber es gibt keine Hoffnung des Lebens, die bloß für uns Menschen Gültigkeit hätte. In der christlichen Hoffnung ist die Schöpfung mit umspannt.

LeerDieses Ja der Liebe führt zusammen von allen Enden der Welt das Volk Gottes - aus Völkern und Zeiten, aus Christen und Nichtchristen, aus Guten und Bösen, aus Armen und Reichen. Jetzt sind sie nur noch Eines: erlöste Geschöpfe, allen Schmutzes, aller Last, aller Enge ledig, nur noch solche, die anbeten und loben, die als Gott Schauende teilhaben am ewigen Werke des Herrn, die als Brüder sich lieben in geläuterter Gemeinschaft ohne Schranke und Grenze.

LeerDie Hoffnung macht einig. Die Hoffnung macht frei. Denn sie blickt allein auf den Herrn der Kirche, Christus, der wiederkommt zu seiner Kirche, auf den Herrn der Welt, der wiederkommt, weil Gott die Welt geliebt hat. Ohne diese Hoffnung gibt es keine ökumenische Gemeinschaft. Wenn wir die Lasten unserer Menschlichkeit und die Grenzen gegenüber den Brüdern schmerzhaft spüren, grüßt uns aus himmlischer Herrlichkeit die ewige Gottesstadt mit ihren Türmen und Zinnen. Unser Loben wird zur Schule der Hoffnung. Wir bitten Gott, immer von neuem unsere Wege zu richten auf das ewige Ziel.

LeerDas eint uns, wenn wir hier mit den Brüdern der anderen Kirchen und Völker ringen um Verständnis für Deutschland, um die rechte christliche, ökumenische Gemeinschaft, um die Verantwortung der Kirche Christi für die Welt.

Jahresbriefe des Berneuchener Kreises 1934, S. 164-167

© Joachim Januschek
Letzte Änderung: 13-11-09
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