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Von den Freizeitwochen in Urspring
von Oskar Planck

LeerSo stark wie in diesem Jahre waren unsere Urspringwochen noch nie besucht. Bei Wilhelm Stählins Woche gelang es trotz der vorher an alte Freunde ausgegebenen Bitte, neuen Besuchern den Platz zu überlassen, und trotz so und so vieler Absagen nicht, unter die fast unmögliche Zahl von 33 Besuchern herunterzukommen. So stark ist gegenwärtig das Verlangen nach einem richtunggebenden Wort und nach Eingliederung in eine leibhafte Gemeinschaft!

LeerEs hat sich als richtig erwiesen, daß wir zunächst eine besondere Einführungswoche hielten, in der die uns eigentümliche Schau der Kirche und Gestaltung des Gottesdienstes von den Grundelementen aus dargelegt wurde. Nachdem uns unser Weg so weit von der landläufigen Kirchlichkeit weggeführt hat, wird es erfahrungsgemäß doch manchem schwer, in den fahrenden Zug einzusteigen. Andererseits ist es heuer zum ersten Mal möglich gewesen, die Feier der Beichte und des Abendmahls ohne vorhergehende liturgische Einübung und ohne Benützung der gedruckten Agende zu halten. Dadurch ist für die Feiernden alles merkwürdig groß und mächtig geworden. So wenig jedes Gemeindeglied die Agende und jeder Konzertbesucher die Partitur vor sich hat, so wenig ist dies bei unseren Feiern nötig, so bald einmal die Voraussetzung erfüllt ist, daß ein Kreis von Menschen da ist, der die ganze Feier trägt.

LeerEine besondere Überraschung und Bereicherung war allen alten Besuchern von Urspring die Erneuerung der Kirche. Sie war im letzten Jahr noch ein schmerzliches Bild der Zerstörung und Entweihung, das Opfer eines Zeitalters, das mit einer Klosterkirche nichts besseres anzufangen gewußt hatte, als sie in eine Fabrik umzuwandeln. Nun hat sie Bernhard Hell nach den Plänen von Gerhard Langmaack wiederhergestellt. Im Blickpunkt steht an der östlichen Wand ein mächtiges eichenes Kreuz von 7 Meter Höhe: vom Altar hängt, in leuchtendem Rot und Weiß gehalten, Rudolf Kochs Sinnbild der 4 Paradieses ströme, die von Christus aus in die Welk strömen. Zum Altar führen - fast die ganze Breite der Kirche füllend - 7 Stufen. Eine ungemeine Ruhe und Sammlung liegt in dieser Anlage, die kaum mehr zum Bewußtsein kommen läßt, daß die Kirche als Nonnenkirche ja keinen Chor besitzt. Der ganze Raum ist in ein leicht abgetöntes Weiß getaucht, dadurch kommt die gewaltige Architektur, die sonst im barock durch den Rausch des Goldes und der Farben und das Wellengekräusel der Stukkatur überdeckt ist, ganz groß und rein zur Auswirkung. Wir haben nun einen lichten, weilten, die Seele frohgemut erhebenden Raum für die Morgenandacht, das Abendmahl und den Sonntagsgottesdienst mit der Schelklinger Diasporagemeinde. Für die Abendandacht, für Versenkung und Beichte ist nach wie vor die Kapelle mit ihrem warmen, dämmerigen Kerzenschein, den engumschließenden Pfeilern und dem niederen Gewölbe der richtige Ort.

LeerWährend der Stählinwoche konnte außerdem noch die einstige Reliquienkammer als Hauskapelle für Einzelbeichte eingeweiht werden. Sie hat einen Eingang von der Kirche aus, einen anderen in den Kreuzgang hinüber, was sie für diesen Zweck besonders geeignet macht. Nimmt man die große Nonnenempore für Chorsingen und das niedergewölbte Refektorium für besinnliche Ansprachen im kleinen Kreis hinzu, so haben wir nun für alle Zwecke einen passenden Raum. Daß jeder ursprünglich im Dienst Gottes und für den Gottesdienst erbaut ist, werden viele dankbar empfunden haben, und umgekehrt ist der Stachel des Vorwurfs genommen, den der Anblick des geschändeten Heiligtums ständig für alle Besucher bildete Ja mehr als das: uns allen ist es zur Verheißung geworden, daß die Kirche, wenn sie auch noch so lang von Menschen zerstört und entweiht ist, kraft der in ihr liegenden Bestimmung die Menschen nicht zur Ruhe kommen läßt, bis sie ihr wieder geben, was ihr von Gottes wegen gebührt.

Jahresbriefe des Berneuchener Kreises 1934, S. 167-168

© Joachim Januschek
Letzte Änderung: 13-11-09
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