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Er heißt Wunderbar
Betrachtungen über ein Weihnachtslied
von Wilhelm Thomas

LeerLauter Jubel, tapferes Bekenntnis, freundlicher Zuspruch, flehentlicher Hilferuf das sind Klänge, wie sie in unserm Gesangbuch immer wieder kehren. Selten aber finden wir jenes Stillehalten vor den Wundern Gottes, jenes demütige Anbeten, wie es in dem Weihnachtslied des Johann Olearius lebt. Dies Lied ist eine Huldigung vor dem Geheimnis Gottes, ein wahrhaft gottesfürchtiges Lied, und doch so, daß diese Gottesfurcht nichts von unerlöstem Grauen in sich trägt, sondern durchdrungen ist von der Erfahrung der unermeßlichen göttlichen Liebe. Der Dichter hat es geschöpft aus den Worten Jes. 9: Er heißt Wunderbar.

Noten

Die ganze Weise des alten Weihnachtsliedes „In natali Domini” ist ausgefüllt von einer Begrüßung dessen, an den sich der stille Beter wendet. Das Wunder, das in der Person des Christuskindes angeschaut wird, ist das Doppelwunder der Offenbarung Gottes in der Niedrigkeit. Gott ist herabgestiegen aus seiner verborgenen Herrlichkeit in die Niedrigkeit menschlicher Ohnmacht und Armut und diese Erniedrigung hat ihn nicht verhüllt, sondern offenbar gemacht in seiner ganzen Macht und Herrlichkeit. Es ist das eine Thema alles weihnachtlichen Gotteslobes, das auch diese Zeilen beherrscht. Der Ton liegt hier, wie meistens, auf der Botschaft von der Erniedrigung, von dem Wunder, daß sich Gott zu uns herabbeugt: „Ein kleines Kind, das man in der Krippen find” - das ist der Kern des Bekenntnisses (hier steigt die Melodie am höchsten!). Aber dies Bekenntnis von der Niedrigkeit Gottes ist eingebettet in das Lob seiner von Ewigkeit zu Ewigkeit währenden Majestät.

LeerEs ist nichts Neues, daß die Paradoxie der Gottheit im Elend, des Kindes von himmlischer Macht und Größe ausgesprochen wird. Aber während sonst manchmal fast etwas wie spielerische Lust an der Paradoxie spürbar wird, steht hier das Bekenntnis zur Paradoxie ganz unter dem Vorzeichen dankbarster Demut. Dieser Christus, der im Stall zu Bethlehem geboren ward, ist die Stätte, auf der die ganze Güte und Barmherzigkeit Gottes ruht: der Gnadenthron. Was der Fromme des Alten Bundes ahnend erfuhr, wenn der Hohepriester einging ins Allerheiligste zur Bundeslade, das erfährt der Christ, wenn er sich dem Geheimnis der Geburt Christi nähert: Gott ist gegenwärtig als der Allgütige.

2.   Du bist arm und machst zugleich
Leeruns an Leib und Seele reich.
LeerDu wirst klein, Du großer Gott,
Leerund machst Höll und Tod zu Spott.
LeerAller Welt wird offenbar,
Leerja auch Deiner Feinde Schar,
Leerdaß Du Gott bist wunderbar.
LeerDer Beter steht noch ganz bei dem Wunder, da der große Gott klein wird, aber er verkündigt dies Wunder sehr stark als das Wunder der Epiphanie, der Offenbarung und Erscheinung der Macht und Herrlichkeit Gottes. Wir spüren den österlichen Siegesklang dieses Bekenntnisses am stärksten in der Zeile, die wiederum den Höhepunkt der Melodie einschließt. Sollte das „Du bist arm und machst uns reich zugleich an Leib und Seele” sollte das ohne Hinblick auf das deutsche Weihnachtsfest mit dem Brauch der gegenseitigen Beschenkung gesagt sein? Aber diese naheliegenden Dinge sind nur der Ausgangspunkt der Glaube geht weit hinaus über die sichtbaren Zeichen und findet Sinn und Ziel der weihnachtlichen Gottesgabe erst im endlichen Sieg Christi über alle Mächte des Widerstandes am Ende der Dinge.

LeerVon dieser Versenkung in die großen Geheimnisse Gottes geht das Lied nun über in die persönliche Bitte für den eigenen Lebensweg.

3.   Laß mir Deine Güt und Treu
Leertäglich werden immer neu.
LeerGott, mein Gott, verlaß mich nicht,
Leerwenn mich Not und Tod anficht.
LeerLaß mich Deine Herrlichkeit,
LeerDeine Wundergütigkeit
Leerschauen in der Ewigkeit.
Leer„Güt und Treu”, „Wundergütigkeif” heißt das, was der Beter in der Betrachtung des Weihnachtswunders zu sehen bekommen hat; das soll ihn nun begleiten durch den Alltag, durch die Stunden der Gefahr, hinein in die letzte Not, und soll nicht von ihm weichen, sondern volle Gegenwart werden in der Ewigkeit. Wieder liegt der höchste Ton auf der Überwindung der Todesnot. Es ist ein deutlicher Anklang an Golgatha, der hier den andern Tiefpunkt der Erniedrigung Gottes zu dem weihnachtlichen hinzufügt. Aber er führt mit Notwendigkeit über alles irdische Elend hinaus zur Vollendung in der Gottesschau des ewigen Lebens.

Jahresbriefe des Berneuchener Kreises 1934/35, S. 14-16

© Joachim Januschek
Letzte Änderung: 16-02-03
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