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Stephanus, der Erzmärtyrer
Zum 26. Dezember
von Rudolf Spieker

LeerDer zweite Weihnachtstag wird von der Kirche als Stephanustag begangen. Auf den Tag von Christi Geburt folgt der Gedenktag vom Tode des ersten Märtyrers begeht doch die Kirche bei allen ihren Heiligen den Tag ihres Todes als Tag ihrer wahren Geburt.

LeerIn den Katakomben treffen wir das Bild des „Oranten” d. h. eines Menschert, der nach antiker Sitte mit erhobenen Armen betet, er ist dargestellt mit weitgeöffneten Augen. Was sieht er? Er sieht das, was Stephanus in der Todesstunde sah, da er, voll heiligen Geistes, sprach: „Siehe, ich sehe den Himmel offen und des Menschen Sohn zur Rechten Gottes stehen.” Die Stunde des Todes zerreißt die letzten irdischen Hüllen und gibt den Blick frei in die himmlische Herrlichkeit. Im Bilde des „Oranten” hat also die alte Christenheit den Anblick des Märtyrers festgehalten, wie sie ihn gesehen hat im Angesicht des Todes, sie hat ihn dargestellt als Betenden und Schauenden.

LeerWir schauen zur Weihnacht die himmlische Welt nur im Gleichnis der brennenden Lichter und des Lebensbaumes, wir schauen mit dem Auge des Glaubens das Kind in der Krippe, von welchem uns verkündigt wird, daß es Gottes Sohn ist, der zu uns ins Fleisch kommt, daß Er uns erlöse von Sünde, Tod und Hölle - wir schauen den Gottessohn am Anfang seines Weges, Stephanus schaut Ihn in der Verherrlichung. Er sieht die Hoheitsaussagen des Propheten, welche dem Kinde gelten (Jes. 9, 5), erfüllt. Er sieht „Jesum stehen zur Rechten Gottes”. Er sieht Ihn am Ende seines Weges, er schaut die himmlische Weihnacht.

LeerStephanus ist auf Erden dem Herrn auf seinem Wege gefolgt. Er folgt ihm nach als Kämpfer. Er kämpft mit den Waffen des Geistes. „Und sie vermochten nicht zu widerstehen der Weisheit und dem Geiste, aus welchem er redete.” Er wird beschuldigt, dieselben Lästerworte wider den Tempel geredet zu haben wie Jesus. Er wird vor denselben Hohen Rat geschleppt wie sein Herr. Da er sich verantworten soll, reißt ihn der Geist fort, und seine Rede gipfelt in der furchtbaren Anklage wider allen Undank und Ungehorsam Israels in seiner Geschichte von Mose an bis zu Christus: „Welchen Propheten haben unsere Väter nicht verfolgt? Und sie haben getötet, die da zuvor verkündigten die Zukunft dieses Gerechten, dessen Verräter und Mörder ihr nun geworden seid.” Damit hat er Öl ins Feuer geschüttet, und die Flamme des Hasses schlägt ihm entgegen und verzehrt ihn.

LeerDas Geschick des Stephanus ist eine Warnung, sich allzu stimmungsselig der Freude der Weihnacht hinzugeben. Wer wirklich mit diesem Kind in der Krippe etwas zu tun hat, der muß darauf gefaßt sein, daß ihm diese Gemeinschaft nicht bloß Seligkeit und Freuden einträgt, sondern vorerst Kampf und Widerspruch der Welt. Denn wer zu Christus gehört und sieht den wirklichen Zustand der Welt, der kann nicht schweigen, sondern muß reden und anklagen und - die Folgen tragen. Das ist der Weg zur wahren Vereinigung mit Christus. Von solcher echten unio mystica weiß des Mystikers Tauler Adventslied zu künden:

Und wer dies Kind mit Freuden
Küssen, umfangen will,
Der muß vor mit ihm leiden
Groß Pein und Marter viel.
Darnach mit ihm auch sterben
Und geistlich auferstehen,
Ewigs Leben zu erben,
Wie an ihm ist geschehn.
LeerEs ziemt uns aber auch zu sehen, mit welchen Waffen Stephanus gekämpft hat, warum er gekrönt ist als Sieger und also den Namen verdient hat, den er trägt, nämlich „Kranz”. Seine Waffe ist die Liebeskraft, die macht ihn unüberwindlich. Die Christusliebe macht ihn stark, daß er den wütenden Feinden nicht weicht, ja daß er, der Steinwürfe ungeachtet, nur die offenen Arme des Erlösers schaut und betet: „Herr Jesu, nimm meinen Geist auf”. Die Nächstenliebe läßt ihn fürbittend eintreten für seine Verfolger: „Herr, behalte ihnen diese Sünde nicht.” So folgt er Dem nach, der für die Übeltäter gebeten hat in Seinem Sterben. - Die Liebe ist stärker als der Haß. Noch ist Saulus unter den Verfolgern und hat Wohlgefallen am Tode des Stephanus, aber das Bild des sterbenden Zeugen wird ihn nicht loslassen, und was Stephanus im Sterben geschaut und verkündigt hat, wird ihn begleiten, bis daß auch ihm die Augen geöffnet werden und er Christus schauen wird in der Herrlichkeit. Wie es am Schluß der Weihnachtsgeschichte von den Hirten heißt: „Sie breiteten das Wort aus, welches zu ihnen von dem Kinde gesagt war”, so diente das Blut des ersten Zeugen und die aus dem Tod sich erhebende Verfolgung der Ausbreitung des Worts.

LeerZusammenfassend hat die Kirche mit solchen Worten dem Geburtstag des Erlösers den Todestag ihres ersten Blutzeugen gegenübergestellt:
„Gestern haben wir den zeitlichen Geburtstag unseres ewigen Königs begangen:
heute begehen wir das überwindende Leiden des Kämpfers.
Jener nahm das niedrige Gewand unseres Fleisches und trat ein
    in das Schlachtfeld dieser Erdenwelt, um zu kämpfen:
dieser legte das verderbliche Kleid unserer Sterblichkeit ab
    und stieg empor zum himmlischen Palast, um ewig zu regieren.
Jener stieg herab, ins Fleisch verhüllt:
dieser stieg auf, durchs Blut wie mit Siegerlorbeer gekrönt.
„Ehre sei Gott in der Höhe” -
so sangen gestern die seligen Engel im Jubel:
heute nahmen sie Stephanus mit Frohlocken auf in ihre Schar.
Gestern ward Christus für uns in ärmliche Tücher gehüllt:
heute ward Stephanus von Ihm mit dem Gewand der Unsterblichkeit gekleidet.
Gestern hat die enge Krippe Christus getragen als Kind:
heute hat der unermeßliche Himmel Stephanus aufgenommen als Sieger.
Allein stieg der Herr hernieder, daß Er viele erhebe:
erniedrigt hat sich unser König, daß Er Seine Kämpfer erhöhe.”

Jahresbriefe des Berneuchener Kreises 1934/35, S. 22-24

© Joachim Januschek
Letzte Änderung: 16-02-03
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