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Von der Kirche in Kloster Urspring
von Bernhard Hell

LeerÜber ein Jahrhundert war die schöne Kirche in Urspring ein Ort der Verwüstung, mißbraucht zur Aufbewahrung von Warenballen, entwürdigt und dem Verfall überlassen. Am 26. November 1832 hatte der letzte Gottesdienst stattgefunden; dann wurde die Kirche ausgeräumt, und was sie in sich barg, nach allen Winden verstreut. Liebe der Menschen hatte vor Jahrhunderten das Gotteshaus gebaut, Profitgier von damals hatte sie verkommen lassen.

LeerJetzt hat Gerhard Langmaack, der. auch die Pläne der Kapelle in Urspring gemacht hat, einen Plan zur Wiederherstellung der Kirche entworfen, und die Urspringschule konnte ihren sehnlichen Wunsch, das Gotteshaus wieder herzurichten, erfüllen. Noch im vorigen Jahr hatte sie fast keine Fenster, und das Dach drohte einzustürzen. Einen Tag noch, ehe die Volkskirchliche Vereinigung von Württemberg nach Urspring zu ihrer Freizeit kam, ein Vorbote unserer Berneuchener Wochen, wurde am Fußboden gearbeitet. Weil aber Alles zusammen arbeitete, wurde man fertig. Wenige Tage danach konnte man in der Kirche den ersten Gemeindegottesdienst halten, in dem Stadtpfarrer Buder die Predigt hielt und der Prälat von Ulm, D. Hoffmann, weihende Worte sprach. Nun steht die Kirche wieder würdig und feierlich da.

LeerAuf der Süd- und Ostwand wurden bei den Wiederherstellungsarbeiten Fresken entdeckt, die eine Verwandtschaft mit den Fresken in der Schelklinger Afrakapelle zeigten. Leider waren sie aber so zerstört, daß wir sie wieder zudecken mußten. Nicht leichten Herzens geschah das. Wir hätten uns gern der Bilder, die Jahrhunderte verborgen waren und sicher allerhand zu sagen gehabt hätten, gefreut. In die Bilder waren auf der Südwand gotische Fenster eingebaut, die dann später wieder zugemauert wurden. Bei den Fresken der Ostwand waren die meisten Köpfe so wenig gut erhalten, daß man sie hätte ganz neu malen müssen. Immerhin war baugeschichtlich wertvoll die Bestätigung, daß die Kirche früher frei stand und daß der Anbau mit der Äbtissinnenwohnung erst um die Mitte des 17. Jahrhunderts dazu gekommen ist.

LeerEs ist bekannt, daß um das Jahr 1289 Urspring eine Wallfahrtskirche besessen hat, denn eine große Zahl von Erzbischöfen und Bischöfen, darunter der von Adrianopel und Toul und Avlona, verliehen allen denen große Ablässe, die die Kirche des heiligen Ulrich zu Urspringen in frommer Pilgerschaft besuchen, oder die sich durch Stiftungen und sonstwie um die Kirche verdient machen. Ans dieser Zeit, um das Jahr 1300, müssen die Fresken stammen, wie die in der Afrakapelle. Später wurde dann die gotische Kirche umgebaut, die dann 1622 abbrannte. Paradies und Kreuzgang sind die letzten Zeugen der gotischen Zeit. Die Gründung des Klosters geschah 1127. Ein schlichter Taufstein, der bisher in einer Gartenwirtschaft stand, ist glücklich zurückgekommen als einziger Rest aus romanischer Zeit.

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LeerDie energische Äbtissin Barbara Hundin von Lauterbach, deren Wappen in der Kirche noch heute sichtbar ist, ging sofort nach dem Brand an einen Neubau, und am 25. Nov. 1627 konnte die Kirche geweiht werden. Es ist die Barockkirche, wie wir sie heute noch haben. Wie schön der Baugedanke im Barock sein kann, sieht man erst jetzt, wenn er ohne das störende Vielerlei klar erscheint. Überaus schön sind die Verhältnisse der Raumgestaltung, wunderbar das Spiel von Licht und Schatten, das durch die Farbgebung erhöht wird, gewaltig ihre Hörsamkeit. Wenn unsere Frau Ehrecke auf der Empore Geige spielt, füllt sich der ganze Raum mit Klang. Wie voll müßte erst eine Orgel klingen!

LeerDer Zugang zur Kirche führt durch das Tor, das den Klostergarten gegen die Außenwelt abschließt. Man muß erst, sich vorbereitend, einen Weg zwischen den Bäumen und der Kirche machen, bis man die Kirchenpforte erreicht. Durch den Glockenturm tritt man ins Schiff der Kirche, nimmt Richtung nach Osten zum Altar. Auf sieben Stufen, die in 2 Absätzen über die ganze Breite der Kirche gehen, befindet sich der freistehende Altar. Hinter ihm erhebt sich das sieben Meter hohe Kreuz aus Eichenholz, den ganzen Raum beherrschend. Auf der Südseite führt eine Tür zur Beichtkapelle, die einen eigenen Ausgang in den Kreuzgang hat. Links und rechts im Schiff liegen die alten Grabplatten, die von vergangenen Geschlechtern Kunde geben, aus gotischer Zeit und der Renaissance. Im Gewölbe begegnet sich die Bewegung, die von den Pfeilern auf den beiden Seiten ausgeht und oben, im Unendlichen zu verschwimmen scheint. Eine Wand mit den Zeichen A und O schließt die Kirche von der Kapelle ab, die als Unterkirche für die abendlichen Gottesdienste dient. Darüber ist die große Nonnenempore, zu der früher unmittelbar vom Dorment aus ein Zugang für die Klosterfrauen war. Über die halbe Kirche erstreckt sich die Empore. Noch über das Paradies geht sie, so einen besonderen Raum für Vorträge und dergl. bildend. Von dem gotischen Paradies hat man den schönen Blick in den Klostergarten, der jedem lieb ist, der einmal in Urspring gewesen ist. Der Garten, in dem während der Freizeiten, wenn es irgend möglich war, die Vorträge von Stählin, Ritter und Planck stattfanden, erstreckt sich bis an den Urspringtopf, jenes lebendige reine Wasser mit seiner seltsamen Farbe, das in ewiger Bewegung aus dem Innern der Erde strömt und dort alle Unreinigkeit zurückgelassen hat

LeerVoll sinnbildlicher Verkündigung ist die ganze Klosteranlage. Viel Liebe und fromme Sehnsucht ist hineingelegt, und hat sich auch über die Zeit herzloser Vernützlichung erhalten. Fordernd steht der Bau da, daß die Menschen selbst „Kirche” werden, lebendige Bausteine in dem großen Gefüge, das wir als Corpus mysticum Christi verehren.

Jahresbriefe des Berneuchener Kreises 1934/35, S. 54-56

© Joachim Januschek
Letzte Änderung: 16-02-03
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