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Sitzend zur Rechten Gottes
von Karl Bernhard Ritter

LeerIn seinem unvergleichlichen und dabei so unbekannten Adventslied, das mit der Sprachkraft uralter Saga von dem „Helden” raunt, der ans dem „königlichen Saal” hervorgeht, seinen Weg durch die Welt zu eilen, singt D. Martin Luther: „Sein Lauf kam vom Vater her, und kehrt wieder zum Vater, fuhr hinunter zu der Höll und wieder zu Gottes Stuhl”. Es ist dieselbe mächtige und männliche Kraft der Anschauung, die uns in dem männlichsten Evangelium, des Markus, begegnet, das mit den knappen, wuchtigen, das Ganze zusammenfassenden Worten abschließt: „Und der Herr, nachdem er mit ihnen geredet hatte, ward er aufgehoben gen Himmel und sitzt zur rechten Hand Gottes. Sie aber gingen aus und predigten an allen Orten; und der Herr wirkte mit ihnen und bekräftigte das Wort durch mitfolgende Zeichen.” Wir verstehen, warum man von dem Evangelium des Markus gesagt hat, es sei für das männliche Volk der Römer geschrieben, für das politische Volk, das Herrenvolk jenes Zeitalters. Das Markusevangelium ist in der Tat die Urkunde von der Errichtung des Königreichs Christi. Das Zeichen des Evangelisten Markus is! der Löwe. Der Löwe, gekrönten Hauptes, der die Schlange unter seinen Pranken hält, ist ein altes Symbolum Christi. Christus sitzt „zur Rechten” Gottes. Er thront. Er herrscht. Durch ihn handelt Gott. Er wird einmal das Reich „Gott und dem Vater überantworten, wenn er aufheben wird alle Herrschaft und alle Obrigkeit und Gewalt. Er muß aber herrschen, bis daß er alle seine Feinde unter seine Füße lege.” So spricht Paulus von der Herrschaft Christi in dem großen Kapitel 15 des ersten Korintherbriefes, das wie eine Predigt über den Schluß des Markusevangeliums anmutet und ausklingt in dem Jubelruf: „Gott sei Dank, der uns den Sieg gegeben hat durch unseren Herrn Jesus Christus” und endet mit der Mahnung: „Darum, meine lieben Brüder, seid fest, unbeweglich und nehmet immer zu in dem Werk des Herrn, sintemal ihr wisset, daß eure Arbeit nicht vergeblich ist in dem Herrn.”

LeerIn den Basiliken der ersten Jahrhunderte wird Christus als der thronende Herr dargestellt. Um ihn versammelt sind die Apostel, seine Boten. Diese gewaltigen Mosaiken und Fresken sind der Versuch, im Bilde die Schau festzuhalten, mit der Markus schließt. Christus herrscht über den Erdkreis. Er gebraucht die Wortwalter zur Ausbreitung seiner Herrschaft. Wo sein Wort erschallt, da ist er selbst am Werke. Er hat seinen Boten das bindende und lösende Wort aufgetragen, das beruft und zusammenfügt zu neuer Gemeinschaft, das zur Entscheidung zwingt: „Gehet hin und prediget das Evangelium aller Kreatur. Wer da glaubet und getauft wird, der wird selig werden; wer aber nicht glaubet, der wird verdammet werden.”

LeerUngemein bildkräftig wird in diesen letzten Sätzen aus dem Evangelium des Markus, die zum Feste der Himmelfahrt Christi verlesen werden, ausgesprochen, worin die Herrschaftsübung Christi erscheint: „Die Zeichen aber, die da folgen werden denen, die da glauben, sind die: in meinem Namen werden sie Teufel austreiben, mit neuen Zungen reden, Schlangen vertreiben, und so sie etwas Tödliches trinken, wirds ihnen nicht schaden; auf die Kranken werden sie Hände legen, so wirds besser mit ihnen werden.”

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LeerS i e  w e r d e n  T e u f e l  a u s t r e i b e n. Sein königlicher Zug durch die Welt ist ein Kriegszug. Wie ist's möglich, daß wir das vergessen konnten? Heute wissen wir es wieder, da wir wieder vor Augen haben, daß Ströme von Märtyrerblut fließen in diesem Kampfe. Es ist aber ein Krieg mit dem Reiche des Satan, mik den „Fürsten und Gewaltigen, nämlich mit den Herren der Welt, die in der Finsternis dieser Welt herrschen, mit den bösen Geistern unter dem Himmel.” Den Generationen vor uns eine unverständliche, fremdartige Rede, ist es uns zum entscheidenden Merkmal der echten Kirche Christi geworden, daß sie die Front ist, die gegen das Reich des Satans kämpft. Ja wir wüßten kaum zu sagen, wozu die Kirche und ihr Amt da sind, wenn nicht eben dazu, ihre Vollmacht auszuüben und die Teufel auszutreiben. Wer freilich nichts ahnt von der unheimlichen und zugleich höchst realen Herrschaft satanischer Machte, der weiß im Grunde nicht, wozu Gott seine Kirche hineingestiftet hat in diese Welt. Dem ist auch das Ohr noch verschlossen für die gewaltigsten Gesänge und Gebete der Kirche, ihres Kriegsgeschreis, ihrer Zuversicht und ihres Glaubenstrotzes. Man kann aber auch mit gutem Grunde sagen: erst dort, wo Manschen wirklich im Namen Jesu aus Glauben ihr Leben zu ordnen beginnen und Seinem Willen Macht einräumen über ihre Gemeinschaft, erfahren sie den Angriff der satanischen Mächte, werden ihnen die Augen geöffnet für den Kampf, der auf uns in der Gefolgschaft Christi wartet. Eine Kirche, in der dieser Kampf nicht aufgenommen ist, wird dagegen vom Teufel gar nicht ernst genommen, denn sie ist nicht nur keine Erschütterung seines Reiches, sondern viel eher ein Schutz der satanischen Mächte.

LeerS i e  w e r d e n  m i t  n e u e n  Z u n g e n  r e d e n. Es ist das vollmächtige Wort, das die wahren Boten Christi reden, das Wort, das in die Seelen eindringt mit der Gewalt der „neuen” Rede, die nie Gehörtes ausspricht, die herausreißt aus aller toten Gewöhnung und Sicherheit, die den Blinden die Augen auftut und den Tauben das Gehör gibt. Denn es ist die Rede, in der die „Geheimnisse” Gottes ausgeteilt werden. So ist es auch die Rede, die scheidet, da das Evangelium den einen eine Torheit ist, den anderen beseligende Kraft, die endlich erschlossene und nun alles erleuchtende Wahrheit.

LeerS i e  w e r d e n  S c h l a n g e n  v e r t r e i b e n. Denn das Licht dieser Wahrheit erleuchtet auch die innersten Höhlen und Abgründe unserer Seelen und vertreibt die Finsternisse. Zu dem Kampf gegen das Reich des Satans gehört ja auch, ja vor allem der Kampf gegen das, was aus der dunklen Tiefe uns anschleichen und versuchen will, vergiftend, ekles Gewürm. Christi Reich ist ein Bereich der Klarheit und reinen Ordnung. Es ist eine überaus befreiende Beobachtung, wie sich in aller echten Gestaltung der Kirche diese Macht klarer und reiner Ordnung bewährt, wie da die Seele über alle dumpfe Schwüle, allen Rausch, alle Verzauberung erhoben wird und der Mensch in dem Bereich heiliger Einfalt und Lauterkeit geborgen ist. Man könnte unter diesem Gesichtspunkt eine Geschichte der Auswirkung des Christusgeistes auf die Gesamtheit des menschlichen Lebens in allen ihren Äußerungen schreiben.

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LeerS o  s i e  e t w a s  T ö d l i c h e s  t r i n k e n , w i r d  e s  i h n e n  n i c h t  s c h a d e n. Johannes der Evangelist wird auf den Bildern des Mittelalters häufig mit dem Kelch in der Hand dargestellt, aus dem eine Schlange entweicht. Die Legende erzählt, daß der Jünger vergiftet werden sollte durch einen Trank. Aber sein Segenswort über dem Becher zwang das Gift, als Schlange zu entweichen. Durch die ganze Geschichte der Kirche ziehen sich die Berichte von der wunderbaren Bewahrung ihrer Boten, von der Unantastbarkeit derer, die im Namen Jesu „Panier aufwerfen”, die in seinem Gehorsam es wagen, durch Feuer und Wasser zu gehen. In wieviel Liedern jubelt die Erfahrung: „Nun kann kein Feind uns schaden mehr”. Wer sich seinem Herrn gelobt hat, der ist in einer unangreifbaren Sicherheit und Überlegenheit. Er ist über alle Gefahr hinaus. Das gehört zu den grundlegenden Erlebnissen der Jüngerschaft.

LeerA u f  d i e  K r a n k e n  w e r d e n  s i e  d i e  H ä n d e  l e g e n , s o  w i r d  e s  b e s s e r  m i t  i h n e n  w e r d e n. Heute wissen wir wieder etwas von den Hintergründen der leiblichen Krankheit. Die Arzte selbst sprechen es als ihre Erfahrung aus, daß nur zu oft die Krankheit Ausdruck einer innersten Heillosigkeit ist dafür, daß der Mensch in einem ganz anderen als im medizinischen Sinne „ungeheilt” ist. Wir wissen wieder mehr als die Geschlechter vor uns von dem unlösbaren Zusammenhange zwischen Leib und Seele. Wir ahnen wieder, daß Christus es mit dem ganzen Menschen zu tun hat, daß er der Heiland ist für Geist, Seele und Leib. Wir entdecken, daß die Kirche in den Sakramenten und in all ihrem leibhaftigen Handeln die Verheißung Christi über Geist und Leib bezeugt, daß der Herrschaftsanspruch Christi Geltung hat in allen Bereichen des Lebens. Der Tod ist wirklich der Sünde Sold. Die Absonderung von Gott, die sich in der Sünde vollzogen hat, ist die letzte Ursache alles Zerfalls, aller Lebensstörung; und in dem Christus, der die Gemeinschaft mit dem Gottesursprung des Lebens wiederherstellt, ist wirklich der Heiland des Lebens erschienen.

LeerVon da aus gewinnt der Entscheidungscharakter der Botschaft eine erschütternde Nähe zu den uns alle bedrängenden Lebensfragen. Im Evangelium des Johannes heißt es: Alles Gericht hat Gott dem Sohn übergeben. Gott richtet nicht von außen. Vielmehr vollzieht sich dieses Gericht fortwährend in den Entscheidungen, die um Christus fallen. Entweder findet das Leben durch Ihn die Verbindung mit seinem Ursprung und erschließt es sich zugleich den letzten Zielen des göttlichen Liebeswillens, oder aber es verhärtet sich und treibt in die Leere, in den Abgrund der Unfruchtbarkeit und des Todes, in dem alle Anstrengung, aller Einsatz des Lebens sein Ende findet, der nicht aus dem Glauben kommt, d. h. aber in der unbedingten, schöpferischen, unerschöpflichen Liebe Gottes gründet, die sich uns in Christus erschlossen hat.

LeerDie Frage nach dem Werden des Christusreiches, der neuen Schöpfung aus der freischenkenden Liebe Gottes, aus dem in Christus erschlossenen unergründlichen Geheimnis der ewigen und heiligen Majestät Gottes, diese Frage ist die Frage nach dem Leben überhaupt und der Rettung des Lebens vor dem Tode. Der zur Rechnen Gottes sitzt, kämpft den Kampf gegen den Tod und sein Sieg ist der Sieg des Lebens über den Tod. Darum ist das Bekenntnis, daß er zur Rechten Gottes sitzt, das sieghafte Bekenntnis zum Leben, das einzige wahre Bekenntnis zum Leben, das möglich ist. Es ist das Bekenntnis des Glaubens, daß er, der sein Werk in uns angefangen hat, es auch vollenden wird.

Jahresbriefe des Berneuchener Kreises 1934/35, S. 74-78

© Joachim Januschek
Letzte Änderung: 16-02-03
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