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von Herbert Krimm |
EinführungEs gibt gewiß kaum einen Menschen, der so ernstlich und mit vollem Herzen bereit wäre, Leben und Stand des Hauses und der Familie zu ehren und zu pflegen, wie dies der gläubige Christ tut. Er weiß von der stillen Mütterlichkeit fester Sitten, von dem geheimen Lebensborn des trauten Beisammenseins wie von den lauernden Gefahren der zunehmenden lauten Familienauflösung und möchte sich in dem Wissen davon von niemandem übertreffen lassen. Und doch kann der Christ nicht in den lauten Chor mit einstimmen, der allenthalben Weihnachten als „das Fest der deutschen Familie” preist und seine Bedeutung damit erschöpft zu haben glaubt. Wohl freut er sich wie alle anderen, mit den Seinen unter dem Lichterbaum im Geben und Nehmen neu vereinigt zu werden, aber er weiß, daß diese Freude und dieses Licht nur Ausstrahlungen einer anderen Freude und eines anderen Lichtes sind und allzu leicht versiegen oder verflachen, wenn sie nicht aus ihrer wahren Quelle gespeist werden. An der Art dieser Quelle aber gibt es keinen Zweifel: es ist die große Tatsache des göttlichen Heiles, daß Christus „Fleisch geworden ist vom Heiligen Geiste aus Maria der Jungfrau und ist Mensch geworden”. So sprechen wir im alten Glaubensbekenntnis der Kirche. Und wer Johann Sebastians Bachs Hohe Messe kennt, der weiß, wie an dieser Stelle die Töne leiser werden und dann aus tiefer Stille die reinen Stimmen in mächtigen Stufen herabsteigen, eine nach der andern, als wollten sie uns immer von neuem das unsagbare Geheimnis verkünden: Die Geburt des menschgewordenen Gottes im Stall von Bethlehem, das alleine ist es, was unserm Weihnachtsfest seinen Sinn und seine Vollmacht verleiht. So stand im heidnischen Rom an jenem Tage der Wintersonnenwende das Fest des sol invictus, der unbesiegten Sonnengottheit. Zu diesem Feste und seiner neuen chrstlichen Sinngebung sagte Bischof Gregor von Nyssa dieses: „An diesem Tage beginnt die Finsternis abzunehmen, und der wachsende Sonnenstrahl drängt die Herrschaft der Nacht mehr und mehr zurück. Heute leuchtet vor dem menschlichen Auge auch ein göttliches Leben auf: Christus. Ich meine die Schöpfung gleichsam sprechen zu hören: O Mensch, du siehst diese Erscheinungen der Natur; bedenke, daß das Sichtbare dir etwas Verhülltes erschließt. Erwäge, daß heute auch der unheilvollen Nacht der Sünde auf ihrem erstiegenen Gipfelpunkt mächtigste Schranken gesetzt werden. Siehst du, wie der Sonnenstrahl wächst und erstarkt und die Sonne höher geht? Denke dabei an die Ankunft des allerwahrsten Lichtes, das nun mit den Strahlen des Evangeliums den Erdkreis erhellt”. Damit hat der große griechische Kirchenvater auch für unser d e u t s c h e s J u l f e s t die richtigen Worte gefunden. Nur daß hier im germanischen Bereich die völlige Neuwerdung aller sichtbaren und unsichtbaren Dinge durch Christus noch deutlicher zur Erscheinung kommt. Wußten doch die alten Deutschen von den zw ö l f R a u h n ä c h t e n zu sgen, in denen die wilde Jagd mit den nächtlichen Wolken der Winterstürme über die Erde braust und Mensch und Tier sich hüten müssen vor der freigelassenen Zaubermacht der Unholden. Nun aber hat Christus, der den Geistern gebietet, die unheiligen Mächte entkräftet und zerbrochen und unter dem Glanz seines himmlischen Leuchtens wandeln sich die Rauhnächte zu den zwölf h e i l i g e n Nächten zwischen dem Tage seiner Geburt und dem Fest seiner Erscheinung, die hellen freundlichen Nächte, in denen die Lichterbäume brennen und die Altäre der christlichen Gotteshäuser um des neugeborenen Kindleins willen in das strahlende Weiß, „der Engel und aller Heiligen Farbe” (Luther), gekleidet sind. So möchte man es immer wieder neu überwältigt verkünden: all unser christlicher Glaube hat seine Wurzel in dem Geschehen der heiligen Nacht. Alle Gnaden, die wir hier auf Erden empfangen dürfen, und alles Heil, das wir in einem anderen Leben erhoffen, sind gegründet im Weihnachtsgeheimnis. Wir sind der Kirche auf diesem Wege in den letzten Jahren und Jahrzehnten nicht mehr gefolgt. Das macht, wir waren nicht mehr imstande, anders als vom Menschen her zu denken und meinten, wir könnten auch das Weihnachtsfest und seine Gottesdienste unseren menschlichen Bedürfnissen dienstbar machen. Wir wußten wohl, daß es da mehr Gottesdienste gibt als sonst, aber wir meinten, das geschähe, damit jeder Mensch die angenehme Auswahl hätte, zu der ihm passenden Zeit auch einmal eine Weihnachtspredigt zu hören, ganz unverbindlich, ganz nach Belieben. Keiner kam auf den Gedanken, da etwa auch selbst öfter zum Gottesdienst zu gehen, da man doch hier ohne Zweifel „immer dasselbe” hören würde. Und keiner hatte eine Ahnung, daß diese Mehrzahl von Gottesdiensten aus dem Wissen um einen inneren Gang geboren ist, von dem man keine Stufe ohne Schaden überspringen kann. Und oft genug war diese Erkenntnis auch bei denen nicht lebendig, denen der Dienst am Altar und auf der Kanzel anvertraut war. Dieselbe Verminderung unseres Wissens muß man bei der Art unserer Lieder deutlich genug bemerken. Während wir nunmehr die „Kinderlein alle” kommen ließen, „in reinlichen Windeln das liebliche Kind” zu betrachten, während unsere Sinne nur mehr die stille Nacht oder den Christbaum oder die fröhliche Weihnachtszeit aufnahmen, umgab die alte Kirche das Fest der Geburt des Herrn mit einer brausenden Fülle von Hymnen und Lobgesängen, in die sie nicht selten den ganzen Kosmos mit einstimmen ließ, der Grenzenlosigkeit des Heilsratbeschlusses bewußt. Der älteste Weihnachtshymnus stammt aus dem 5. Jahrhundert und wurde der gläubigen Gemeinde durch D. Martin Luthers Übersetzung neu geschenkt:
Am F e s t t a g e selbst hatte sich seit den Tagen Gregors des Großen, also seit dem 6. Jahrhundert, in der Kirche Roms die Sitte ausgebildet, dreimal anstatt einmal wie sonst die Messe zu feiern. Diese drei Messen, mit denen der 25. Dezember ausgezeichnet werden sollte, hießen das Engelamt, das Hirtenamt und das Hauptamt. Eine Verdreifachung des Altarsakraments erschien der Reformation als ein Mißbrauch an der Gnadengabe Gottes und sie teilte die Feier des hl. Abendmahles als einmalige dem dritten, letzten Gottesdienst zu. Wohl aber behielt die lutherische Kirche den inneren Gang der drei Ämter durchaus bei und feierte sie in ihrer Dreiheit mit ihren hergebrachten Lesungen zu der Stunde, die sich mit innerer Notwendigkeit aus ihrem Inhalt ergab. An der Schwelle des neuen Tages, um die Mitternacht, steht die C h r i s t m e t t e und in ihrer Mitte die Lesung des alten Engelamtes, Luk. 2, 1-14. Denn es war ja „wohl zu der halben Nacht”, daß das Kind geboren wurde und die himmlischen Heerscharen den Hirten auf dem Felde die große Freude verkündigten. Da darf uns der Schlaf nicht packen, so wenig wie die Sünde, die wir fliehen, um dem Lichte entgegenzueilen, da die „heilsame Gnade Gottes allen Menschen” erschienen ist, wie uns die Epistel der Mette, Tit. 2, 11-14, gemahnt. Daß hier im nächtlichen Gotteshaus der Engelsgesang des Gloria besonders jubelnd erschallt, verwundert uns nicht. Mahnt er uns doch immer daran, daß Gottes Ehre nicht von uns Menschen abhängt, daß es auch in der unsichtbaren Welt Kenner und Anbeter Gottes gibt, die zum ersten Mal die Weihnachtsbotschaft verkünden mußten, ehe sich ein Mensch dafür fand, und daß seither all unser Singen und Beten nur ein armes Abbild jenes Engelsgesanges ist, der in dieser Nacht auch menschlichen Ohren hörbar geworden war. Darum erhielt die Christmette auch die reichste Ausschmückung durch Chor und Instrumente. Vier Knabenchöre stellten sich an verschiedenen Orten der Kirche auf und sangen den Quempas, das uralte Kinderlied, und nicht selten erwuchsen aus der Liturgie auch anschauliche Gebräuche - Schüler in Engelsgewändern, eine Wiege, in der das Kind von „Josef, lieber Josef mein” und Maria gewiegt wurde, eine Krippe, in der es lag - um das Weihnachtswunder noch lebendiger vor Augen zu malen. „Vom Himmel hoch, da komm ich her” ist das Lied dieser Stunde. Das H a u p t a m t zur Stunde des gewöhnlichen Gottesdienstes bringt uns mit dem Anfang des Johannesevangeliiums (1, 1-14) und dem Sakrament die volle Entfaltung des Weihnachtsgeheimnisses. Nun sehen wir, wie dies kleine Kind die volle Wirkungsmacht und Majestät Gottes umfaßt und alles in sich schließt, was über Gottes Sein der Welt offenbar werden kann: das Kindlein ist Herr des Weltalls, und auch die unsichtbaren Geister sind, wie uns die Epistel des Tages (Hebr. 1, 1-6) verkündet, ihm untertan. Hier aber will uns Luthers mächtiger Hymnus „Gelobet seist du Jesu Christ” helfen, daß das göttliche Geheimnis unter Menschen seinen vollen Widerhall finde. Dies sind die Gottesdienste des Weihnachtsfestes. Aber dieses Fest hat noch ein „Gefolge” von drei kleineren, jedoch nicht wenig bedeutsamen Festtagen, die in ihrer Eigenart ein untrügliches Zeugnis für die Wahrheit und Fruchtbarkeit der Ankunft Gottes im Fleisch bilden. Der 26. Dezember steht unter dem G e d ä c h t n i s S t e p h a n u s' , des ersten Märtyrers und ist ein sehr ernster Fingerzeig nach all den frohen und unbekümmerten Stunden, ein Fingerzeig auf das Ende des Weges, das des Menschen in der Nachfolge des Christkindes warten kann: Und wer dies Kind mit FreudenDer 27. Dezember ist der Tag J o h a n n e s d e s E v a n g e l i s t e n . Der Lieblingsjünger war es, der das „rechte Hauptevangelium” (Luther) geschrieben und den Gott zum Kronzeugen seiner Wahrheit erwählt hatte. Sein Weg in der Nachfolge war bis ins hohe Alter der des unblutigen Märtyrertums der Liebe und selbstvergessenen Demut. Am 28. Dezember gedenken wir der u n s c h u l d i g e n K i n d l e i n v o n B e t h l e h e m , der Erstlinge in der unübersehbaren Schar der christlichen Märtyrer. Ahnungslos mußten sie ihr Leben für das Jesu Christi hingeben und wurden eben dadurch zu Zeugen seiner göttlichen Macht über die Menschen, über die guten wie über die bösen. Denn seit Christus müssen auch die Bösen offenbar werden in ihrer finsteren Abhängigkeit von den Dämonen: der Kindermörder Herodes war der erste, der in seiner Angst vor Christus und in seinem Gotteshaß ans Licht kam, doch gewiß nicht der letzte. Die Kirche aber, die viele ihrer Kinder seither als Blutzeugen verlieren mußte, fühlt in jedem Jahr neu den Schmerz der Mütter von Bethlehem nach und läßt darum an diesem Tage den Engelsgesang des Gloria verstummen, den sie sonst doch gerade in der Weihnachtszeit so freudig und festlich anstimmt. Ist dieses Gefolge der drei Tage nicht ganz die Wirkung und Frucht der Menschwerdung Gottes? Es zeigt, wie sich die erste Ankunft Christi fruchtbar erweist an den Menschen, um ihre Seelen auf dem Wege der Lebenshingabe, der Liebe und Opferung dem Tage entgegenzuführen, an dem die Christenheit die zweite Ankunft des Erlösers, diesmal in seiner unverhüllten göttlichen Herrlichkeit feiern wird. Jahresbriefe des Berneuchener Kreises 1936/37, S. 9-15 |
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