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Osterbräuche unter den Sudeten- und Karpathendeutschen
von Walter Stökl

LeerVon dem reichen völkischen Brauchtum, das den Jahreslauf begleitet und das die christliche Kirche geläutert, gewandelt und geheiligt hat, ist wenig mehr vorhanden. Aber manches lebt noch und manches lebt wieder auf. Freilich gegenüber den slawischen Völkern, gegenüber den zahlreichen halb heidnischen, halb kirchlichen Sitten und Gebräuchen, etwa bei den Slowaken und Ruthenen ist das Deutschtum nicht nur in den sudetendeutschen Gegenden Böhmens, Mährens und Schlesiens, sondern auch in den Sprachinseln des östlichen Teils der Tschechoslowakei arm an Volksbräuchen. Doch finden wir unter andern noch einige Sitten, die das Osterfest umranken.

LeerIn vielen sudetendeutschen Dörfern reiten am Ostermorgen die „Osterreiter”. Die junge Mannschaft des Dorfes zieht alle Pferde aus den Ställen und richtet sie festlich her zum österlichen Ausreiten. Der erste Reiter trägt ein Kreuz, geschmückt mit dem ersten Laub des Frühlings. Sie reiten zur Ortskirche und empfangen den Segen des Priesters. Mitunter reitet ein junger Kaplan selbst mit auf einem Pferd. Dann reiten sie im fröhlichen Trab über alle Fluren des Dorfes, das Kreuz mit dem Frühlingsschmuck voran. Der alte Glaube, daß die Fluren nur unter des Himmels Segen gedeihen können, erscheint hier in christlicher, kirchlicher Form.

LeerIn denselben Gegenden ist es auch überall Sitte, zu Ostern am Rande der Felder und Äcker drei kleine Holzkreuzlein aufzustellen und sie mit Palmkätzlein zu schmücken. In manchen Gegenden ist es auch nur ein großes Holzkreuz, das man in den Rand des Ackers steckt. Darf man hier sagen, daß die Schöpfung unter die Macht des Gekreuzigten und Auferstandenen gestellt werden soll, indem man sein Siegeszeichen mitten in ihr aufrichtet? Der aufgeklärte Maschinenlandwirt freilich tut es nicht mehr. Er segnet auch das Brot nicht mehr mit dem Kreuzzeichen, bevor er es aufschneidet. Er zeichnet sich auch nicht mehr mit dem Zeichen des Kreuzes, bevor er mit seiner Sämaschine über den Acker fährt, wie er es einst getan hatte, da er noch als Bauer mit dem Saattuch über die Felder schritt. Und doch sieht man noch viele Kreuzlein zu Ostern auf den Feldern.

LeerIn der Zips schweigen auch die evangelischen Kirchenglocken am Karfreitag und schnarren stattdessen die Ratschen der Dorfjugend. Man hört oft, es sei „evangelisch”, die Glocken am Karfreitag, „unserm höchsten Feiertag”, möglichst laut zu läuten, während die katholischen Kirchenglocken „nach Rom fliegen”. Hier haben wir ein evangelisches Gegenbeispiel. Jedenfalls stammt dieses Schweigen der Glocken aus Trauer noch aus vorreformatorischer Zeit in dieser Gegend. Wie viel heller klingt dann der Osterjubel der Glocken nach ihrem bangen Schweigen in den Stunden des Schmerzes und der Trauer!

LeerAm Karsamstagvormittag findet in den katholischen Kirchen die Wasserweihe statt, nicht mehr verstandene Verbindung zwischen Taufe und Ostern aus der altchristlichen Osternachtfeier wirkt hier nach. Auch die deutschen evangelischen Bewohner solch eines Dorfes begehren nach diesem geweihten Wasser und suchen es sich heimlich durch katholische Nachbarn zu verschaffen. Man wäscht sich an diesem Tag im Dorfbach. Das Osterwasser ist Glück und Segen verheißend. In dieser verweltlichten Form des Aberglaubens lebt eine alte Verbindung heidnischen Wassersegens im Frühjahr und christlicher Osternachtfeier mit dem Taufgedächtnis noch fort.

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LeerAuch das „Schmeckostern” und das „Osterbadern”, das in allen deutschen Gegenden und nicht nur bei den Deutschen hierzulande geübt wird, daß am Ostermorgen die Mädchen mit Ruten geschlagen und mit Wasser begossen werden, hängt wohl damit zusammen, daß die Fruchtbarkeit durch diesen Brauch erhöht werden soll. In der slowakischen Hauptstadt Preßburg sieht man am Samstag vor Ostern viele Straßenvverkäufer, die „Osterwasser” feilhalten, Parfümfläschchen zum Bespritzen der Damen zu Ostern! In dieser lächerlichen, von jeglichem Glauben gelösten Weise lebt der alte Osterbrauch in der Großstadt fort.

LeerAm volkstümlichsten ist die „Auferstehung” am Karsamstagabend. Eine kultisch und dogmatisch in der katholischen Kirche weder geforderte noch begründete volkstümliche Andacht und Prozession mit viel Lichtern und lautem Jubel. Musikkapellen, Böllerschießen, beleuchtete Fenster, Läuten aller Glocken - eine bunte Verbindung kirchlicher und weltlicher Sitten erfüllt fast zu laut und lärmend diesen Abend der hereinbrechenden Osternacht, während die kirchlichen Auferstehungszeremonien schon am Karsamstag vormittag, fast ohne Teilnahme des Volkes vor sich gegangen sind. Die evangelischen Christen fühlen sich irgendwie in der Feier des Osterfestes benachteiligt. Ihnen fehlt die Osternacht der Ostkirche mit ihrem Freudenglanz, ihnen fehlt die „Auferstehung” der römisch-katholischen Volksgenossen, sie feiern nur „rein geistig” ihr Osterfest am Sonntagvormittag durch die Predigt in der Kirche. Die evangelische Ordnung einer „Feier der Osternacht”, die im Johannes-Stauda Verlag herausgekommen ist und die hie und da in deutschen Landen schon im kleineren Kreise gefeiert wird, könnte einem Verlangen gerade der evangelischen deutschen Bevölkerung entgegenkommen, die unter den anderen Volksgenossen und Fremdvölkischen mit reicheren Ostersitten leben und würde auch den evangelischen Volksteil einordnen in diese mit dem völkischen Leben so stark verbundene Osterfeier am Vorabende oder in der Osternacht. Es würde in diesem Zusammenhange auch bedeutsam sein die Osternachtbräuche der neu gegründeten ukrainischen Gemeinden in Ostgalizien kennen zu lernen, die zwar die reformatorische Lehre angenommen, aber weitgehend die östliche Liturgie beibehalten haben. Die betont „geistige” Osterfeier des Protestantismus führt leicht zu einer „Vergeistigung” der Auferstehung selbst und Verflüchtigung des entscheidenden Ereignisses in eine blasse Idee. Oder man hält dogmatisch fest an der „Auferstehung des Fleisches” und sucht sie mit rein rationalen Mitteln gegen alle Zweifel immer wieder lebhaft zu begründen. Die ganze Wirklichkeitsfülle der Auferstehung, die am tiefsten nur kultisch und sakramental erfahren werden kann, bleibt in beiden Fällen fern. Versuche haben bewiesen, daß auch die evangelische Bevölkerung gern zu einer „Auferstehung” kommt am Ostervorabend. Wenn man sie hält bei hereinbrechender Dunkelheit und sie einfacher und volkstümlicher gestaltet, als sie die erwähnte Ordnung uns bietet, würde auch für die evangelischen Christen ihr volkstümliches Empfinden, ihr Mithineingebundensein in die Sitte ihres Volkes mit der kirchlichen Feier der Auferstehung zu einem echten Zusammenklingen gebracht werden können.

Jahresbriefe des Berneuchener Kreises 1936/37, S. 91 - 93

© Joachim Januschek
Letzte Änderung: 12-10-02
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