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Wort Gottes und menschliche Sprache (1)
von Ottoheinz v. d. Gablentz

LeerUnter den Werken der gegenwärtigen Philosophie, die zu den Grunderkenntnissen des Christentums durchstoßen, (2) ist in erster Linie auf die Schriften Ferdinand Ebners hinzuweisen, der als Volksschullehrer in Niederösterreich gelebt hat und 1931 mit 49 Jahren gestorben ist. Seine entscheidende Einsicht ist die Erfahrung von der Wirklichkeit des Geistes. Diese Erfahrung wird aber nur gemacht in der Hingabe an den gegenwärtigen, im Augenblick den Menschen ansprechenden Gott. Gegenüber dieser persönlich verpflichtenden und unmittelbar bestimmenden Wirklichkeit ist ihm alle metaphysische Deutung der Welt - auch eine „christliche” - nur ein „Traum des Geistes”. Diese Wirklichkeit vom göttlichen Du, auf das der Mensch bezogen ist, dem er sich zu öffnen hat, wenn er nicht in „Ich-Einsamkeit” den Sinn seines Lebens verlieren will - sie offenbart sich im Wort.

LeerSchon an den Lauten „ich” und „du”, an den verschiedenen Formen des Zeitwortes „sein”, dann an einer Fülle von Wortstämmen verschiedener Sprachen macht Ebner das deutlich. Ein sinnvoller Zusammenhang ist überhaupt nur im Wort zu finden und Gott hat uns für jede Erfahrung des Sinnes das entsprechende Wort gegeben. Uns wird „nicht die Wahrheit des Wortes an der Wahrheit des Seins offenbar, sondern umgekehrt”. Von hier aus versteht er die Schöpfung durch das Wort: „daß Gott sprach - das an und für sich war schon das Licht”. Wenn aber nur von Gottes Gegenwart aus Mensch und Welt zu verstehen sind und wenn das Verstehen eben darin besteht, daß unsere Vernunft Gottes Wort vernimmt, dann heißt das: alles echte Leben hat seine Kraft durch das gegenwärtige Wort Gottes, durch den auferstandenen Christus. Ebners Philosophie - oder wie er lieber sagt: Pneumologie - mündet nicht nur im Christentum, sondern ist christlich vom ersten Satze an.

LeerWenn der Mensch zum „Ich-Bewußtsein” erwacht, sind drei Haltungen gegenüber der Welt möglich. Entweder wird nur die Welt auf den Menschen bezogen, sie wird zum bloßen Objekt und darüber verliert schließlich das vereinsamte „Ich” selbst den Sinn seines Lebens. Oder der Mensch wird als bloßes Glied der Welt aufgefaßt, in der er mystisch wieder verschwindet; die „Ich-Erfahrung” ist also umsonst. Oder aber hinter der Erfahrung Welt taucht ein verpflichtendes Du auf, an das der Mensch sich hingeben muß, wenn er zu sich selber kommen will, mit dem er aber nicht einfach in seliger Schau verschmelzen kann, sondern das ihn gewandelt wieder in die selbständige Verantwortung zurückweist. Daß diese Deutung des Urerlebnisses von Mensch und Welt die einzige ist, die der Persönlichkeit Recht und Grenze weist, dies mit der größten Eindringlichkeit klargestellt zu haben, ist die erkenntniskritische Leistung Ebners.

LeerVon ihr nicht zu trennen ist seine sprachwissenschaftliche. Wenn es der Sinn des Wortes ist, dem Menschen diese Erkenntnis zu vermitteln, dann ist die Sprache keine willkürliche Vereinbarung, kein Instrument zu bestimmten Zwecken, sondern erst sie macht den Menschen zum Menschen. Dann steckt aber in ihr auch ein gemeinsames Element, das hinter jedem noch so abgewandelten Wort jeder einzelnen Sprache aufzuspüren sein muß: eine Ursprache, ein Ursinn der einzelnen Laute. Auch hierzu gibt Ebner wesentliche Hinweise. (3)

LeerEine Weltdeutung, die vom Wort Gottes ausgeht, muß den Sinn der durch Gottes Wort gewordenen Schöpfung im Fleisch-gewordenen Gotteswort, in Christus erblicken. Es ist besonders wichtig und überzeugend an den Lehren Ebners, daß er eine christliche Weltdeutung nicht von der Voraussetzung des kirchlichen Dogmas her entwickelt, sondern, daß er alle überlieferten Lehren riskiert in dem festen Vertrauen, ihren Sinn auf dem Wege der eigenen Erfahrung wieder zu finden. Für uns ist dabei besonders bedeutsam, daß diese Schrift auf dem Boden der katholischen Kirche entstanden ist und daß sie trotzdem nicht thomistisch im Sinne eines starr übernommenen Lehrgebäudes ist. Im Gegenteil hat sich Ebner stellenweise mit leidenschaftlicher Schroffheit gegen eine Festlegung der christlichen Kirche auf bestimmte gesellschaftliche Wirklichkeiten und historisch gegebene Meinungen ausgesprochen aus Sorge davor, daß im Dogma „die Wahrheit in der Todesstarrheit eines abstrakten Gedankens liegen” könnte. („Die Wirklichkeit Christi”, Brenner 1936.)

LeerDie in dem kleinen Heftchen „Stimmen der Freunde” gesammelten Beiträge evangelischer und katholischer Denker zeugen davon, wie er Denkern sehr verschiedener Art den Blick für das Wesentliche, den Blick auf Christus eröffnet hat. Hervorzuhaben sind die Beiträge von Emil Brunner und Karl Heim auf evangelischer, von Joseph Bernhart, Otto Karrer und Karl Thieme auf katholischer Seite.

LeerIn seinem philosophischen Hauptwerk wird die Schärfe des Gedankens durch eine starke Einseitigkeit erkauft. Als „Traum des Geistes” lehnt er auch solche Metaphysik ab, die von der Erfahrung des Du ausgeht und sich dauernd daran ausrichtet. Er will das Du Gottes nur im Mitmenschen wiederfinden, nicht in der Schöpfung außerhalb des Menschen. Aus Sorge vor einer Auflösung in mystische Versenkung läßt er den ganzen Bereich des Bildbewußtseins bei Seite und wird darum ungerecht auch gegen echte christliche Mystik. Diese Einseitigkeit ist in seinen letzten Jahren offenbar verschwunden. In dem Aphorismusband „Wort und Liebe”, vor allem in dem von ihm selbst zusammengestellten letzten Drittel dieses Bandes wird deutlich, wie er sich geweitet hat. Die Geschichte wird in die Offenbarung mit einbezogen, vor allem aber auch die Natur. „Dem tieferen Blick des Menschen offenbart sich, daß alles Sein in der Natur nicht Ruhe ist, sondern Bewegung nach aufwärts, denn Gott zieht alles Sein zu sich empor.”

Anmerkungen
(1) Ferdinand Ebner: Das Wort und die geistigen Realitäten. Pneumatologische Fragmente. 244 S. RM 3.80. Friedrich Pustet, Regensburg.
Ferdinand Ebner: Wort und Liebe. 292 S. RM 4,80 Friedrich Pustet, Regensburg.
Für Ferdinand Ebner: Stimmen der Freunde. Herausgegeben von Hildegard Jone. 54 S. Friedrich Pustet, Regensburg.

(2) Vgl. den Hinweis auf die Bücher von Otto Julius Hartmann im Johannisbrief 1935. Besonders sind die Arbeiten von Berdjajew und seinem Kreis zu nennen.

(3) Zur Frage der Ursprache und der Urverwandtschaft der Sprachen ist jetzt das wichtige neue Werk zu vergleichen: Kurt Wadler „Der Turmbau zu Babel”. Verlag Rudolf Geering, Basel 1936).

Evangelische Jahresbriefe 1937, S. 150-152

[Ferdinand Ebner in Wikipedia]

© Joachim Januschek
Letzte Änderung: 12-10-24
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