|
von Oskar Planck |
Auf der Tagung der Michaelsbruderschaft in Neuendettelsau gab Stadtpfarrer Oskar Planck-Stuttgart einen Bericht aus der Arbeit der Bruderschaft und des Berneuchener Kreises. Er gibt im folgenden die fünf Leitgedanken seines Berichtes für die Leser der Evangelischen Jahresbriefe wieder. D. Schr. 1. Wir haben ein bestimmtes Bild vom P f a r r e r . Man sagt heute, der Pfarrer solle im Volksleben stehen. Es ist für uns gar keine Frage, daß er das muß. Das Entscheidende aber ist, ob er hindurchstößt bis zu dem eigentlichen Wurzelboden jeden echten Pfarrerlebens, nämlich zu der geistlichen Wirklichkeit, zu der wir durch Versenkung in die Schrift, durch lebendiges Gebet und durch gewissenhafte Seelsorge Zugang haben. Aus dieser Wirklichkeitsschicht erwächst weder der betriebsame, noch der streitbare Pfarrer, sondern der stille, gesammelte „Gottesmensch” (1. Tim. 6, 11) von Ernst und Güte, der anderen den priesterlichen Dienst der Fürbitte und Seelenführung tun kann. Wir wissen, wie ich ausdrücklich hervorheben möchte, auch um die Unentbehrlichkeit der Theologie. Aber in einer Zeit, in der von der Theologie schöpferische Kräfte erwartet werden, die sie als Wissenschaft der kritischen Besinnung und begrifflichen Formulierung ihrem Wesen nach nicht zu haben vermag, bekennen wir uns ganz bewußt zum Primat des Lebens gegenüber der Lehre, zur Jüngerschaft Jesu im Unterschied von der theologischen Zunft. 3. Das Antlitz unserer G e m e i n d e n wird von zwei Typen bestimmt: das eine sind die ausgesprochen kirchlichen Elemente, die je nach den landeskirchlichen Verhältnissen als pietistisch oder lutherisch oder positiv anzusprechen sind, aber darin einander gleichen, daß sie mit einer gewissen Naivität sich selbst zum Maß aller Dinge machen. Die anderen sind die bürgerlichen, die sich zwar hüten, allzu kirchlich zu sein, die aber unter allen Umständen vom Pfarrer beehrt sein wollen. Nach der Vorgeschichte unserer Bruderschaft gehören wir keiner dieser beiden Gruppen an. Jedenfalls die Älteren unter uns kommen vom Rand der Kirche her, freilich nicht aus der Bürgerlichkeit, sondern aus dem Protest gegen sie, aus der Jugendbewegung und dem deutschen Idealismus, und sie sind auf die Bruderschaft gestoßen, weil sie am Ende dieser Wege waren. Unter unseren Jüngeren sind nicht wenige, die mit dem Pietismus oder der Orthodoxie ihrer Umgebung nichts anzufangen wußten und nach einer geistlichen Heimat verlangten, die ihnen Lebensmöglichkeit bot. Damit haben wir einen besonderen Auftrag an die Menschen, die am Rand der Kirche stehen und sich nach wahrer Kirche sehnen. Das ist nicht eine persönliche Liebhaberei von uns, sondern eine Lebensnotwendigkeit für die Gemeinde selbst. Mit wachsender Beunruhigung sehen wir, daß entscheidende Fragen und Erkenntnisse gerade im außerkirchlichen Raum aufbrechen, und daß Theologen, die nur das innerkirchliche Gespräch führen, taub und stumm werden für den heutigen Menschen, zu dem sie doch gesandt, und für dessen Seele sie verantwortlich sind. Sie zu gewinnen, ohne die anderen zu verlieren, muß unsere vornehmste Sorge sein. 5. Das führt zum Letzten, zu dem Ziel, das uns vor Augen steht. Wir wollen Kirche bauen, Kirche Christi. Kirche aber baut man nur mit lebendigen Bausteinen. Wir brauchen Menschen, die bereit sind, sich von Christus formen zu lassen, und die sich einfügen, wo Er sie braucht. Was uns in unserer Bruderschaft weitergeholfen hat, sind O r d n u n g und B i n d u n g , und eben damit müssen wir auch den innerlich angefaßten Gliedern unserer Gemeinden und unserer Freizeiten weiterhelfen. Die Schwierigkeit ist die, daß der Protestant darin zunächst nur ein Joch sieht, das er instinktiv ablehnt. Es gibt uns aber eine Hilfe gegen die eigene Zerfahrenheit und gegen die Auflösung unserer Kirche, unter der wir doch alle zugestandenermaßen leiden. Jedenfalls müssen wir darum ringen, aus der Sphäre kindlicher Anregungen und Aufregungen herauszukommen, weil das auf die Dauer wahrhaft seelengefährlich ist und für wirkliche Aufbauarbeit unfähig macht. Eine besondere Sorge sind uns die Brüder und Schwestern in der Zerstreuung, Freizeitteilnehmer, die in besonders traurigen Gemeindeverhältnissen leben und für die in weitem Umkreis keine andere Kirche sichtbar wird als - der Berneuchener Kreis. Wir müssen sie in regelmäßigen Abständen, und zwar öfter als bisher, über ein Wochenende bezirksweise zusammenrufen und sie dabei an unserem Gemeindeleben teilnehmen lassen. Die Probe auf unsere ganze Arbeit wird sein, ob die Menschen, die wir auf diese Weise gewonnen haben, tragende Pfeiler im Tempel unseres Gottes werden, auf denen der Name Jesu neu geschrieben steht. Ludwig Heitmann hat einmal erzählt, wie die großartigen neuen Versuche, den Meeresstrand mit gewaltigen Betonmauern zu schützen, gleich bei der ersten Sturmflut zusammengebrochen sind, während die armseligen Büschel Strandhafer im Dünensand das Ufer zusammengehalten haben. Manche Front, die jetzt mit so hohen Erwartungen aufgebaut wird, mag in den Stürmen, die in allen Ländern über unsere Kirche hingehen werden, dröhnend zusammenbrechen. Wir wollen dankbar sein, wenn sich dann unsere Brüder als solche Strandhaferbüschel im Dünensand bewähren. Gott helfe uns, daß wir so fest in Christus verwurzeln, daß wir selber Halt haben und anderen Halt geben können, wenn der Sturm kommt, dessen Brausen wir vernehmen! Evangelische Jahresbriefe 1938, S. 33-35 |
© Joachim Januschek Letzte Änderung: 13-02-15 Haftungsausschluss |