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Babels Sturz und der Sieg der Gemeinde
von Heinz-Dietrich Wendland

Einführung in die Offenbarung des Johannes Kap. 14,1 - 19,10

LeerÜber der Welt liegt die Herrschaft des Antichristen und seines Propheten, die alles bannt und der Gemeinde Christi auf Erden den Tod bereitet - das war das Gesicht des 13. Kap. Nun wendet der Seher von neuem den Blick nach oben, und es folgt das Gegensatzthema: das  K o m m e n  d e s  h i m m l i s c h e n  M e n s c h e n s o h n e s  z u m  G e r i c h t  (14, 1-20). Er schaut den Erlöser, in der Gestalt des Lammes, vereint mit den Seinen, den 144000 Erwählten, die durch das Zeichen Gottes und Christi an ihnen errettet sind. Auf dem Berge Zion steht das Lamm, der nach alter Prophezeiung die Stätte der Gegenwart und der Herrschaft Gottes ist und in der Endzeit zu neuem Glanz erhoben werden soll. Hier ist die Erfüllung der im 7. Kap. geschauten und dort verheißenen Bewahrung und Errettung der Gemeinde Gottes. Weil Christus und die Seinen zusammengehören, können den Gläubigen die beiden dämonischen Tiere trotz ihrer Todesmacht nichts anhaben. Des zum Zeichen erklingt das „neue Lied” der Engelchöre; es ist das Siegeslied über den kommenden Fall des Antichrists; darum kann kein Ungläubiger es hören und verstehen außer der Gemeinde Gottes. Denn sie allein ist heilig und rein, sie lebt in der gehorsamen Nachfolge Christi. Sie ist das Erstlingsopfer, das von der Ernte dargebracht wird - die ganze, volle Ernte wird noch folgen; denn sie hat sich und ihr Leben Gott und dem Lamme dargebracht.

LeerAuf dieses erste Bild (14, 1-5) folgt ein zweites von der Botschaft der drei Engel (14, 6-12). Die erste Botschaft ist der letzte Aufruf zur Anbetung des allein wahren Gottes, der vor dem Weltgericht an die ganze Menschheit ergeht. Gott fordert als der Herr und der Schöpfer diese Anbetung. Der zweite Engelruf weist voraus auf den Fall Babels (Kap. 17 bis 19), die das Bild der gottlosen, in den Dienst der Götzen versunkenen Welt ist. Wo aber Götzendienst ist, da waltet auch Gottes Zorn und Gericht. Der Engel verkündet dasjenige als schon geschehen, was sich erst noch ereignen wird, weil auch das Kommende in Gottes Ratschluß und Willensmacht schon vollzogen ist. Die dritte Engelsbotschaft aber zeigt das Gericht an, das unentrinnbar und ewig über die Anbeter des Tieres ergehen wird. Entweder der rechte Name - Christus - und sein Zeichen, - oder das Zeichen des dämonischen Tieres. Hier die Erlösung, dort die Verdammnis, ein Drittes gibt es nicht. So warnt der Seher die Christenheit auf Erden vor der furchtbaren Versuchung des Kaiserkultes. Darum endet sein Gesicht in der Mahnung, Standhaftigkeit zu bewähren und den Glauben festzuhalten.

LeerJetzt wird mit 14, 13 die unaufhörliche Folge der Gesichte unterbrochen durch ein Wort des Trostes für die Gemeinde der Gegenwart, ein Wort, das dem heiligen Geiste entstammt. Die ewige Herrlichkeit für die in Christus Entschlafenen ist ein Ausruhen von aller Qual und Not; denn die Leiden dieses Äons gibt es für die Vollendeten nicht mehr. Aus dem Leiden aber wächst die göttliche Frucht der Werke - das sind nicht die großen oder kleinen irdischen Taten, die Menschen zu tun pflegen, sondern die Werke des Gehorsams und der Treue in der Bewährung des Glaubens und der Liebe, die die Gemeinde Christi allein zu vollbringen vermag. Diese Werke sind würdig des ewigen Lebens, sie gehören mit hinein in die ewige Herrlichkeit.

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LeerIn einer neuen Bilderfolge 14, 14-20 erreicht nun dies Kap. seinen Höhepunkt. Weil hier das Bild des Menschensohnes, d. h. des himmlischen Welterlösers, erscheint und dies Zeichen den Beginn des Gerichtes bedeutet, liegt hier ein tiefer Einschnitt im Aufbau der Offenbarungen: die Zeit der Leiden ist vorbei, stufenweise entfaltet sich die göttliche Macht Christi von nun an und schrittweise werden die satanischen Mächte überwunden. Die Schau des Menschensohnes knüpft an Daniel 7, 13 an: er ist der Auserwählte Gottes, der von Uranfang bei Gott ist, der himmlische Mensch, weil er die Menschheit erneuern wird. Die Sichel des Schnitters und der Kranz des Siegers zeigen ihn als den Richter der Welt. Durch einen Engel, der aus dem Tempel, der göttlichen Gegenwart naht, empfängt er den Auftrag Gottes, das Gericht zu vollziehen. Wie in der Verkündigung Jesu ist das Gericht im Gleichnis der Ernte dargestellt. Ein zweiter Engel erscheint, der eine Sichel trägt, das Werkzeug des Erntens, und ein dritter ruft den göttlichen Befehl ihm zu, mit dem Werk der Ernte zu beginnen. Erde und Menschheil sind der Weinstock, der abgeerntet wird, und die Kelter ist das Bild des Gotteszornes. „Draußen vor der Stadt” wird sie getreten - diese Stadt ist wohl Jerusalem, vor dessen Toren nach jüdischem Glauben das Gericht über alle Völker stattfinden soll. - So ist durch die Erscheinung des Menschensohnes und der drei Engel der Beginn des End- und Weltgerichtes angekündigt, und diese Vision ist gleichsam Prolog und Vorwort zu dem Gesicht von den letzten Plagen (Kap. 15-16) und dem Falle Babels (Kap. 17-19)

LeerDie  s i e b e n  S c h a l e n v i s i o n e n  (15, 1-16, 21) offenbaren noch nicht das letzte Gericht selber, sie geben nur die letzten Strafzeichen dazu. Auch diese letzten, grauenvollen Plagen sollen Buße und Bekehrung wirken (16, 9.11), aber die gottlose Menschheit beharrt im Unglauben, ja dieser steigert sich jetzt bis zur direkten Lästerung Gottes (16, 9. 11. 21). Wie in den sieben Posaunenvisionen (8, 2 ff.), treten auch hier sieben Engel auf, die zu ihrem Werke zugerüstet werden, indem sie goldene Schalen, angefüllt mit dem göttlichen Zorn, empfangen, die auf die Erde ausgegossen werden sollen (15, 5-16, 1). Jede dieser Schalen enthält eine andere furchtbare Plage und Gottesstrafe: Ordnung und Leben der Erde und des Kosmos werden schauerlich verwandelt und verstört, doch der Engel der Wasser muß die Gerechtigkeit des göttlichen Richtens anerkennen und preisen (16, 5).

LeerDas Reich des Tieres wird verfinstert (16, 10-11); so richtet sich jetzt der Angriff des Engels Gottes geradeswegs gegen den Antichrist. Das ist ein Vorzeichen seines endgültigen Sturzes. Der Entfesselung dieser Plagen geht aber eine ganz andersartige Szene voraus: der Gesang der Überwinder am kristallenen Meer, der die Heiligkeit und Gerechtigkeit Gottes preist (15, 2-4). Sie stehen schon auf dem Himmelsgewölbe (das ist das kristallene Meer, mit Feuer vermischt, weil nach uralter Vorstellung der Himmel das Feuer spendet). Wieder enthüllt sich in dieser Vision das Grundanliegen des Sehers: die leidende und kämpfende Gemeinde auf Erden ist schon jetzt die überwindend siegende, die Herrlich-erlöste, und Gottes Werk ist nicht nur Gericht und Zornesschrecken über das Reich des Antichrist, sondern immer damit zugleich das Wunder der erlösenden Gerechtigkeit, der dereinst noch alle Völker huldigen werden.

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LeerImmer höher und steiler gleichsam führt den Seher der Weg der Visionen bis zum letzten Ende empor. Es folgen jetzt wiederum  s i e b e n  V i s i o n e n  v o m  G e r i c h t  ü b e r  B a b e l  (17, 1-19, 10).

LeerBabel ist nicht eine einzelne Stadt, sondern die Weltmacht schlechthin, wie sie den Götzen dient, Gott lästert und aller Sünde und Ungerechtigkeit ergeben sich selber das göttliche Vernichtungsgericht zuzieht. Auf den Götzendienst bezieht sich die Bezeichnung als „große Hure” (17,1). Der Seher Johannes geht hier in den Wegen der Propheten Jesaja und Jeremia, die teils Babylon, die Stadt an vielen Wassern, teils Tyrus als die gottlosen, Israel, dem Gottesvolke feindlichen Wellmächte gebrandmarkt und ihnen das göttliche Gericht angesagt haben (Jer. 51, 1ff.; Jes. 23, 1ff.). Zuerst zeichnet Johannes in 17, 1-6a das Bild des macht- und reichtumstrotzenden Weibes, das auf dem Tiere sitzt, also von der Macht des Antichrists getragen wird (13, 1 ff.). Menschliche Weltmacht - aber von dämonischer Macht gestützt, der sie sich im Götzendienst hingegeben hat -, das ist das Wesen Babels. Dieser Name ist ein Geheimnis, er muß gedeutet werden. Wenn schon die jüdischen Rabbinen und die Weissagungsschriften des Judentums den Namen Babel für Rom verwendeten, so ist es klar, daß auch für Johannes die Weltstadt Rom mit ihrer Kaiservergottung und der Fülle der götzendienerischen Kulte die Darstellung und Zusammenballung zugleich allen gottlosen Weltwesens ist, das Gott und seinem Christus nicht die Ehre geben will.

LeerIn 17, 6b-18 folgt auf die Zeichnung des Bildes seine Deutung durch einen der sieben Schalenengel. Sie ist wiederum Gerichtsverkündigung. Das Tier aus dem Abgrunde wird dem Verberben verfallen. Die große Weltstadt wird verwüstet und verbrannt werden (17, 8. 15ff.). Hier wird nun deutlich gesagt, daß es sich um Rom handelt; denn Rom ist die „Stadt der sieben Hügel” , und das dunkle Wort von den Königen bezieht sich auf sieben Kaiser des Weltreiches, wenn wir auch nicht mehr zu sagen vermögen, wie der Seher diese Zahl aus die einzelnen Herrscher gedeutet hat. Doch erwartet er als Letzten einen antichristlichen Herrscher, den er mit dem Tiere gleichsetzt, weil er ja wiederum die Verkörperung des christusfeindlichen Weltreiches ist. Die Gestalten antichristlicher Mächte können gleichsam ineinander übergehen, weil sie alle Darstellungen und Wirkungen der einen, die Welt beherrschenden, dämonischen Grundmacht sind. Ihr werden auch die Könige der Welt (17, 12 ff.) ihre Macht zu verdanken haben, und ihr Tun wird der Kampf gegen Christus sein. Schließlich aber fällt Babel durch das Tier und dessen Verbündete selber - ein sehr merkwürdiger Gedanke. Gott lenkt ihr Herz. Auch die dämonischen Mächte müssen seinem Plane dienen (17, 17). So werden sie sich gegenseitig zerstören. In ihrem eigenen Tun muß sich Gottes Wille mit ihnen, Gottes Gericht über sie vollziehen.

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LeerAn den folgenden Visionen ist das Eigenartige und eigentümlich Erschütternde dies, daß der Sturz Babels direkt überhaupt nicht dargestellt wird. Wir hören vielmehr zwei Engelrufe, von denen der erste verkündet, daß Babylon gefallen ist. Es wird also nur die Tatsache des vollzogenen Gerichtes festgestellt (18, 1-3). Der zweite Ruf aus dem Himmel ist sodann eine Aufforderung zur Flucht, wobei das Gericht über die gottlose Stabt nun wieder als ein noch ausstehendes, zukünftiges gedacht ist (18, 4-8): wir denken an die prophetische Aufforderung an die Juden, Babylon zu verlassen (Jer. 51, 6. 45 ff.). Das Volk Gottes soll sich endgültig scheiden von der gottlosen Welt; denn diese verfällt jetzt dem Gericht, und doppelte Vergeltung wird sie treffen. Die Ursünde Babels wird uns hier enthüllt: es ist ihr maßloses Selbstbewußtsein, das absolute Macht- und Sicherheitsgefühl, die Selbstverherrlichung (18, 7). Aber Gottes Macht und Gericht ist stärker als sie.

LeerBabel war die Macht der Welt, weltweit wirkend ist darum auch ihr Sturz. Das klingt aus den erschütternden Klageliedern wider, die die Könige der Erde, die Kaufleute und die Schiffer um sie anstimmen (18,10-19). Noch einmal entrollt sich so indirekt durch die Chöre der Wehklagenden ein gewaltiges Bild von Babels Herrlichkeit, Reichtum und Macht, aber auch von der Furchtbarkeit und Endgültigkeit ihres Unterganges. Die einen klagen um das jähe Ende ihrer Macht und Stärke, die anderen um den Untergang des Reichtums und aller irdischen Lust und Üppigkeit, die dritten um das Ende der großen Hafenstadt, von der die Seeleute gelebt haben. Der Mittelpunkt alles Handels und Wandels, die Hauptstadt der Weltzivilisation - sie ist dahin.

LeerAuf die Klagelieder aber antwortet in schneidendem Gegensatz der Ruf zur Freude (18, 20): der Himmel als die Wohnung Gottes und seiner Engel und die Gemeinde Gottes sollen sich freuen; denn das Gericht über Babel ist Grund zur Freude für alle, die auf Gottes Seite stehen. Und die zweite bestätigende Antwort gibt die Gleichnishandlung des Engels (18, 21-24), die den Vollzug des göttlichen Gerichtsurteils andeutet. Licht und Leben, Hochzeitsjubel und Arbeitslärm sind erloschen und verstummt. Babel hat nun keine Stätte mehr.

LeerAls Antwort auf den Ruf zur Freude erschallen jetzt die zwei Siegeslieder im Himmel (19, 1-10), deren erstes der Verherrlichung Gottes, deren zweites der Ankündigung der „Hochzeit des Lammes” gilt. Nicht Babel, die Welt, sondern die Gemeinde ist die erkorene Braut Christi, die in der ewigen Gemeinschaft mit ihm verherrlicht wird. Die „Hochzeit” ist, wie in der Predigt Jesu, das stehende Gleichnis für den Anbruch der großen Freuden- und Heilszeit des Endes, für die Aufrichtung der Gottesherrschaft durch den Messias. Heil, Herrlichkeit und Macht sind unseres Gottes geworden. Daß er jetzt in vollem Sinne die Herrschaft angetreten hat, das bezeug! sich in der Gerechtigkeit seiner Gerichte, das bewährt sich in der Vernichtung der gottlosen Weltmacht. Jetzt werden die Türen aufgetan zum Siegesmahl der Gottesherrschaft, und Heil empfangen alle, die dazu geladen sind.

Evangelische Jahresbriefe 1938, S. 114-118

© Joachim Januschek
Letzte Änderung: 13-04-04
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