|
von Wilhelm Stählin |
Es ist deutlich zu spüren, daß sich unsere Freizeitenarbeit in einer bestimmten Richtung wandelt und weiter entwickelt. Von einer verheißungsvollen Möglichkeit war im vorigen „Brief” die Rede; daneben sehe ich mit besonderer Freude, daß jetzt da und dort der Versuch gemacht wird, die Freizeiten unseres Kreises in eine Gemeinde hineinzustellen, sodaß das gottesdienstliche Leben der bodenständigen Gemeinde und der neue Wille zur leibhaften Kirche, der unter uns aufgewacht ist, sich gegenseitig durchdringen und fördern. Von einer solchen Freizeit wird mir geschrieben: „Ich möchte Ihnen wünschen, daß Sie einmal dabei sein könnten, wenn Bauerngemeinde und der „Kreis” sich so ergänzen, wie es in diesen Tagen geschah. Es geht einem dabei auf, wie sehr die Freizeiten nur ein Behelf sind und - wie es eigentlich sein müßte. Bei unseren Gottesdiensten waren immer einige Gemeindeglieder dabei, und es kam uns ganz merkwürdig vor, wenn diese mit großer Sicherheit unsere Ordnung sangen, manchmal sicherer als wir, oder wenn sie das Wochenlied konnten und wir nicht. Es war ein gegenseitiges Geben und Nehmen... Und etwas ist dort nicht da, was ich als eine besondere Freizeitengefahr bezeichnen möchte: man schämt sich vor den Bauern der eigenen Gefühlsübersteigerung... Es hat mir Eindruck gemacht, wie der Bauer ruhig und bedächtig, meist schweigend zur Kirche geht; nicht gewollt feierlich, sondern selbstverständlich. Sicherlich ist die äußere Haltung oft eine Hilfe; aber ich weiß aus eigener Erfahrung, daß es manches Mal zum Krampf führt und nicht zur Sammlung, zur Ich-Betonung und nicht zum Geöffnetsein. Es half schon vieles, wenn man sah, wie da einzelne Bauern ganz Ohr waren... Merkwürdigerweise hat auch der viele Arbeitsdienst, der hier notwendig war, mehr zur Sammlung beigekragen, als alles gewollte Sich-Sammeln. Es war auch einfach keine Zeit zu allen jenen „Gesprächen”, die immer wieder da sind, wo Freunde sich von Zeit zu Zeit wiedertreffen...” Die stärkste Erinnerung an diese Tage ist mir aber das von Micheelsen geleitete „Gemeindesingen”; es wurden einige neue Lieder gesungen, die Rudolf Alexander Schröder gedichtet und Micheelsen vertont hat. Wirklich christliches Bekenntnis, lebendige Dichtung, echtes Gemeindelied; die schönen, kraftvollen und einprägsamen Weisen wurden von den paar hundert Menschen schnell und mit großer Freude aufgenommen und gelernt. Wieviel Grund zu danken haben wir, wenn unserer Kirche in diesen unsern Tagen ein neues Lied geschenkt wird! Zwei Sätze aus den einleitenden Worten unseres Singmeisters will ich gern hier weitergeben: „Wenn uns jüngeren Menschen heute die Heilskatsache neu aufgebrochen ist, so können wir davon in unserer gehärteten Zeit nicht mit weichen Melodien, sondern nur in einem harten und männlichen Gemeindelied singen”. „Das Lied der Kirche ist immer Loblied gewesen”. Darum setzt das eine Lied, das wir gesungen haben, mit den Worten ein: O Christenheit sei hoch erfreut,Unter dem Eindruck dieser Stunde haben wir schon überlegt, ob wir nicht im nächsten Jahrgang unserer Jahresbriefe den Liedbetrachtungen solche neuen Lieder zugrunde legen sollen. Evangelische Jahresbriefe 1938, S. 147-149 |
© Joachim Januschek Letzte Änderung: 13-04-04 Haftungsausschluss |