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von Walter Uhsadel |
Hatten wir den Blick für den Dienst des Baumeisters von Weihnachten her gewonnen, so können wir das Werk des Malers von Ostern her verstehen. Es ist sicher nicht von ungefähr, daß das weihnachtliche Geschehen, die Fleischwerdung des Wortes, zur räumlichen Darstellung drängt und von den kleinsten und zartesten Bildungen an bis hin zur gewaltigen Gestalt des Domes gefunden hat, - daß dagegen das Geheimnis der Auferstehung der räumlichen Nachbildung widerstrebt und nur selten zu solcher Darstellung gekommen ist. Während das weihnachtliche Geschehen sich in der Nacht tastbar und greifbar abspielt, ereignet sich die Auferstehung Christi in einer Lichtfülle, in der das menschliche Auge geblendet ist. Wie ein Blitz leuchtet der Engel herab und dem Lichte der aufgehenden Sonne schreiten die Frauen entgegen. Das Licht, das als ein heller Schein in der Krippe aufging, ist zur überwältigenden Fülle geworden. So ist es nun der Auftrag des Malers im Dienste der Kirche, dem Geheimnis dieses Lichtes nachzugehen, es in die Farbfülle des diesseitigen Lichtes hineinzuverweben. Es kann uns nicht wundernehmen, daß diese hohe Kunst mit ganz besonderer Inbrunst gerade in der Ostkirche, die ganz anders als die Kirche des Westens im Osterjubel lebt, gepflegt worden und zu großer Reife gelangt ist. Die Ikonenmalerei des Ostens ist mit ihrem goldenen „Assist” ein einziger unermüdlicher Versuch, zu zeigen, wie das Osterlicht das Licht des ewigen Lebens, das Naturlicht mit der Dunkelheit und Sattheit seiner Farben durchwirkt und umfängt. Blicken wir uns in der Kirche des Westens um, so finden wir eine ebenbürtige Gestaltung des Osterlichtes in Matthias Grünewalds Auferstehungsbild vom Isenheimer Altar. Auch hier - freilich mit ganz andern Mitteln - eine geheimnisvolle Zusammenschau von irdischem und ewigem Licht, in der uns ganz deutlich wird, daß es in der Darstellung der Auferstehung nicht mit der Wiedergabe eines emporschwebenden Leibes getan ist. Erst wenn es dem Maler gegeben ward, jenes Lichtgeheimnis einzufangen, hat er der Kirche ein Osterbild geschenkt. Darum aber auch wird es der Tafelmalerei nur selten beschieden sein, diesen Dienst zu tun. Was für den Osten die Ikonenmalerei leistet, vermag im Westen vielmehr die Glasmalerei zu geben. So ist denn die Geschichte der Glasmalerei in der abendländischen Kirche ein Gradmesser dafür, wie nahe oder wie fern sie jeweils dem Ostergeheimnis war. Wir kommen aus einer Zeit, in der sie ihm recht fern war. Daher auch konnte man in dieser Zeit Glasfenster schematisch-illustrativ herstellen - stimmungsvoller Zubehör des Kirchenraumes, wie auch der Altar in dieser Zeit fast nur noch als ein Inventarstück des Gotteshauses verstanden wurde. Es ist nicht der Auftrag der Glasmalerei, eine freundliche Augenweide oder einen lehrhaften Anschauungsunterricht zu bieten, sondern Osterpredigt zu sein. Christ lag in TodesbandenIn den Gestalten und erdhaften Farben der Fenster des Chorraumes sehen wir die Todesbande, die Fesseln des Vergänglichen, aber das hereinflutende Licht löst sie auf und führt sie einer überirdischen Leibhaftigkeit zu. Die Gemeinde aber erlebt an solchen Bildern das Geheimnis der Heiligen Schrift, die in der Gestalt armen Menschenwortes ihr zum Gotteswort werden will. Anmerkung Die Abbildung dieses Osterbriefes stellt einen Ausschnitt aus dem nördlichen Chorfenster von St. Moritz in Halle dar, geschaffen 1939 von Walter Kohler, Stuttgart. Dieses Fenster gibt in fünf übereinanderliegenden Kreisen den 2. Glaubensartikel (Geburt Christi, Taufe, Gethsemane, Kreuzigung und Auferstehung) wieder. Das Mittelbild zeigt zum 1. Glaubensartikel die Erschaffung des Menschen, das südliche Chorfenster zum 3. Glaubensartikel die Christenheit nach Luthers Erklärung (. . . beruft, sammelt, erleuchtet, heiligt und bei Jesus Christus erhält. ..: das große Abendmahl, die Arbeiter im Weinberge, den verlorenen Sohn, den barmherzigen Samariter und die Ausgießung des Heiligen Geistes). Über die Glasbilder in St. Moritz in Halle berichtet Prof. D. Dr. Joh. Ficker in seiner Schrift „Die neuen Glasgemälde in St. Moritz in Halle und die besonderen Auf gaben der kirchlichen Glasmalerei in der Gegenwart”, Halle 1940. In „Kunst und Kirche”, Heft 5/6 1940, schreibt Walter Kohler über „Die Glasmalerei der Gegenwart”. Es sei in diesem Zusammenhange auch zurückverwiesen auf die Wiedergabe aus dem Chorfenster der Trinitatiskirche in Düsseldorf-Rath von Hilde Ferber und die Erläuterung von Hermann Kappner im Michaelisbrief 1939, sowie auf die Betrachtung Kurt Schellmanns zu Matthias Grünewalds Auferstehungsbild und die neben dem Bilde wiedergegebene Sequenz Notkers im Osterbrief 1938. Zu dem Bilde eines Chorraumes im Weihnachtsbrief 1940 sei bemerkt, daß das darauf sichtbare Glasfenster ein Provisorium ist. Ev. Jahresbriefe 1941, S. 57-58 |
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