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Diener an der Gestalt der Kirche - 3. Der Bildhauer
von Walter Uhsadel

LeerWährend die Ostkirche in ihrer Ikonenmalerei die Herrlichkeit des neuen Lebens im Lichte der Auferstehung in feierlicher Weltabgeschiedenheit beschreibt, breitet die abendländische Kirche in ihren Domen die ganze Gestaltenfülle der Schöpfung in Stein und Holz, Ton und Erz aus. Im Unterschiede zu ihrer östlichen Schwester ist sie der Welt mit starkem Gestaltungswillen zugewandt. Lebt die Ostkirche vornehmlich vom Ostergeschehen, so die Westkirche vom Pfingstereignis her.

LeerIn der österlichen Zeit der Erscheinungen des Auferstandenen leben die Jünger in der Verborgenheit, nach dem Pfingstereignis aber treten sie in die Welt hinaus. Der „Geist vom Vater und vom Sohne” beginnt die Welt zu durchwirken und in der Welt aus Menschen von Fleisch und Blut und inmitten ihrer Lebenswelt die „Gemeinde der Heiligen”, den geheimnis- vollen Leib Christi zu gestalten. Von hier aus verstehen wir den Auftrag des Bildhauers in der abendländischen Kirche. Sein Werk verkündet die Herrschaft des Christus pantocrator, des Herrn, dem alle Gewalt gegeben ist im Himmel und auf Erden. Die Christusherrschaft in seiner Gemeinde ist eingebettet in die Schöpfungswelt und in sie hineinverwoben. So umfaßt das Werk des Bildhauers die ganze sichtbare Welt von Stein und Baum angefangen über die seufzende Kreatur, den „ersten Adam”, den Menschen, Dämonen und Engel bis hin zum „neuen Adam”, Christus, und seiner himmlischen Glorie.

LeerNiemals gestaltet der christliche Bildner irgendetwas um seiner selbst willen, und sei es nur ein Blatt an einem Pfeilerkapitell, ein Menschenantlitz an einer Konsole, eine dämonische Fratze in einem Kragstein, - es hat alles seine Beziehung zu dem alles beherrschenden Bilde, zu Christus selbst.

LeerVon den Gestalten der Portale, von den Pfeilern, Bogen und Schlußsteinen, von Grabplatten und Stifterbildnissen spricht das Werk des Bildhauers zur Gemeinde: Du, Menschenkind, lebst in der Welt unter den Blumen und Tieren, Brüdern und Schwestern, unter Engeln und Dämonen, Zeugen der Gnade und der Verdammnis, aber du lebst unter dem allen durch und mit Christus. Die Zeichen und Zeugen menschlichen Werkes, der Berufe und geschichtlicher Taten, irdischen Leides und irdischer Freude sind um dich her, - doch nichts ohne Christus.

LeerVon den Tagen an, da sich das Werk des Bildhauers aus dieser Bindung löste, ward es zum leeren Schmuck. War es nicht notwendig, daß sein Dienst mehr und mehr auf das einzige eingeengt wurde, das unentbehrlich schien: das Bild des Gekreuzigten, und daß dies - als der letzte Rest des Wissens um den Auftrag des Bildhauers schwand - durch Fabrikware ersetzt wurde? Die Kruzifixe aus billigem Guß und die Gipsabgüsse, in Massen hergestellt, sind eine schwere Anklage gegen die Kirche.

LeerWir sind dankbar, daß uns wieder die rechte Erkenntnis geschenkt ist und der Wille, das Unwürdige auszumerzen, daß wir auch wieder christliche Bildhauer haben, die wissen, was ihr Auftrag ist, - der Gemeinde Christi das Bild der Welk unter der Herrschaft Christi vor die Seele zu stellen, daß die Gestalten ans irdischem Stoff wieder in tausend Zungen mit den Betenden rufen:
Komm heiliger Geist,
erfülle die Herzen Deiner Gläubigen
und entzünde in ihnen das Feuer
Deiner göttlichen Liebe,
der Du durch Mannigfaltigkeit der Zungen
die Völker der ganzen Welt versammelt hast
in Einigkeit des Glaubens.
Halleluja, halleluja!
Ev. Jahresbriefe 1941, S. 80-81

© Joachim Januschek
Letzte Änderung: 12-09-17
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