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Gestaltwandel des christlichen Grabmals
von Walter Klose

LeerUnter dieser Überschrift hat Dr. Martin Kautzsch an dieser Stelle (Evang. Jahresbriefe, Osterbrief 1941) einen dankenswerten Rückblick auf die Wandlung der inneren Einstellung zum Tode gegeben, wie sie im Laufe der Jahrhunderte in der Gestaltung des christlichen Grabmals zum Ausdruck gekommen ist. Zu diesen Ausführungen seien nachfolgende Bemerkungen gestattet:

LeerEs ist richtig, daß das Entscheidende für die Grabmalgestaltung allein die rechte Einstellung zum Tode ist. Indessen führt diese richtige Erkenntnis weder weiter, noch schützt sie vor Entartung, wenn allein aus der historischen Betrachtung Maßstäbe für den gegenwärtigen Gestaltungswillen gewonnen werden sollen. Entweder kommt man dann zu rein äußerlichen Reformen, oder man übersieht die Gegebenheiten, mit denen die Gegenwart zu rechnen hat, oder man resigniert überhaupt mit dem Hinweis auf die gute alte Zeit. Diesen Gegebenheiten kann eine Vergleichsziehung zu schlichten Dorffriedhöfen oder der Gestaltung brüdergemeinlicher Ruhestätten nicht gerecht werden. Entweder führt dieser Weg zur Sentimentalität oder zur Romantik. Beides aber gilt es gerade in der heutigen Zeit zu überwinden.

LeerIn der Gegenwart sind die großstädtischen Massenfriedhöfe Tatsache. Mit ihr muß gerechnet werden. Es ist die entscheidende Frage, ob die Gegenwart so lebensstark ist und Kraft genug besitzt, hier eine ergreifende und große Form der Grabmalgestaltung hervorzubringen. Ein Blick auf die Kriegerfriedhöfe und ihre Gestaltung scheint jedenfalls zu beweisen, daß solche in und aus der Gegenwart gestaltende Kräfte vorhanden sind.

LeerBei der Gestaltung der großstädtischen Massenfriedhöfe müssen mancherlei Erwägungen (z. B. sanitärer oder gärtnerischer Art) naturgemäß eine wichtige Rolle spielen. Sie zu übersehen, wäre nicht gut und ratsam; vielmehr sind sie zu verknüpfen und in Beziehung zu setzen zu den Gesichtspunkten, die vom christlichen gottesdienstlichen Leben her nachdrücklich berücksichtigt werden wollen.

LeerDie Friedhofsverwaltung der Stadt Hannover hat beispielsweise bestimmte Richtlinien für die Grabgestaltung schon vor geraumer Zeit ausgestellt, die vielfach in Deutschland als vorbildlich bezeichnet werden und anerkannt sind. Sie halten sich von öder und absoluter Gleichmacherei frei, bringen aber bestimmte Vorschriften über Höhe und Lage der Steine, sowie den Werkstoff und seine Behandlungswelse. So dürfen beispielsweise keine synthetischen Steine, kein geschliffener Granit, keine ausgefärbten Schriften oder ausschließlich mechanisch hergestellte verwendet werden; ebenso bestehen bestimmte Vorschriften für Reihensteine; auch geschieht eine straffe Überwachung aller Formen und Entwürfe.

LeerSchon mit diesen Richtlinien wird ein Anliegen zur Geltung gebracht, das zu pflegen uns auch am Herzen liegen sollte: Der Gedanke der Persönlichkeit wird durch die Gestaltung des Grabmals nicht unterdrückt, sondern gepflegt und unterstrichen, ohne daß ihm überbetontes Gewicht gegeben und sentimentalem Persönlichkeitskult Raum gelassen wird. Damit ist aber auch die Voraussetzung geschaffen für den Gestaltungswillen, der vom Evangelium her die Botschaft des Christussieges über den Tod zum Ausdruck bringen will und muß.

LeerDiese Botschaft drängt wie alle christliche Botschaft zum Wort als ihrer wesentlichen Gestalt. Das Wort kann aber nur dargestellt werden durch den Buchstaben. Der Buchstabe muß aber wiederum „Form sein, die lebend sich entwickelt”, damit er auch als Form wirkt wie das Wort, von dem die Bibel sagt, es sei „schärfer denn ein zweischneidig Schwert”.

LeerHierzu will uns aber die Schriftkunst helfen, lind hier hat die evangelische Kirche sich eines Mannes in Dankbarkeit zu erinnern, dem als schlichten „Laien” die theologische Fakultät der Universität Münster i. W. den D. theo!, verliehen hat. Wir meinen Prof. Rudolf Koch, den „Schreiber Gottes”, wie man ihn auch genannt hat.

LeerEr hat der evangelischen Kirche ein Erbe hinterlassen, das zu pflegen sie allen Anlaß hat. Das „lebendige” Wort in lebendige Form und Gestalt zu fassen, ist sein Vermächtnis für die Gegenwart. Wir werden Sorge tragen und alle Sorgfalt anwenden müssen, den Menschen mit der Schriftkunst die Hilfen zu geben, die ihnen bei der Grabmalgestaltung der Gegenwart das Anliegen groß machen, den Tod zu bezeugen als den letzten Feind, den Christus überwunden hat und den Toten als den, der Anteil an diesem Sieg des Herrn hat. Damit bezeugt die Schriftgestaltung des Grabmals, daß eben dieser Tote Glied jener Gemeinschaft ist, in die er mit seiner Taufe hineingestellt wurde: Die Gemeinschaft der Heiligen.

LeerAber: Eben dieser Tote. Wenn oben darauf hingewiesen wurde, daß schon von säkularer Seite dem Gedanken der Persönlichkeit bei der Grabmalgestaltung Raum gegeben wird, so darf dieses Anliegen auch von der Bibel her unterstrichen werben. Für sie ist der Mensch und seine Hantierung wie sein Berufsleben nicht gleichgültig, sondern eben mit hineinbezogen in die Gemeinschaft der Heiligen. Christus nimmt in seiner Verkündigung immer Bezug auf den Menschen in seinem „Stand”. Er treibt keine abstrakte Seelsorge, sondern trifft die Menschen in ihrer konkreten Lage mitten in ihrem Werktag. Das muß sich bei der Schriftgestaltung des Grabmals deutlich ausprägen. Gerade der historische Rückblick in dem angezogenen Aufsatz von Kautzsch ist in dieser Beziehung sehr aufschlußreich. Was die Alten in treuherziger Naivität bringen, das werden wir auch heute noch lebendig zu gestalten haben. Es wird durchaus nicht evangelischer Haltung widersprechen, wenn z, B. bei einer wirklich treu sorgenden Mutter auch aus ihrem Grabstein geschrieben stände, was sie mit ihren 6 Kindern an Freude und Leid erfahren hat, ober daß ein aufrechter Mann nach vielerlei Zweifeln und Fährnissen seinen Glauben gefunden und bewährt hat. Das kann dann zum Zeugnis werden und der Aufdringlichkeit, mit der der Name des Toten sich aus den Grabmalen in den Vordergrund drängen will, die Spitze bieten.

LeerAus eigener praktischer Erfahrung und Mitarbeit in der Werkstube des Schriftkünstlers, Studienrat Heinrichsen, kann ich mit großer Dankbarkeit bezeugen., daß in der Schriftgestaltung des Grabmals wirklich mit viel Fleiß und Treue Wege und Vorstöße in Neuland gesucht werden. Wer sich selber mit lebendiger Schriftgestaltung beschäftigt, wird bestätigen können, daß gerade auf diesem Wege sich Möglichkeiten zur Gestaltung des christlichen Grabmals öffnen, die eine große Verheißung haben. Das bestätigt neben dem erwähnten Aufsatz von Kautzsch auch die Veröffentlichung in „Kunst und Kirche” Jahrgang 1938, Heft 6. Wenn mit großer Freude und mit gutem Erfolg das Gespräch zwischen Dichtern und Theologen aufgenommen ist, sollten wir auch die Zusammenarbeit von Kirche und Schriftgestaltern in der Frage der Grabmalgestaltung mit allem Ernst suchen zur Förderung und zur Freude beider.

Ev. Jahresbriefe 1941, S. 93-95

© Joachim Januschek
Letzte Änderung: 12-09-17
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