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Eine ökumenische Liturgie
von Walter Lotz

LeerUnter dem Titel „The Way of Worship” erschien in New York 1944 das Buch des reformierten Theologen Scott Francis Brenner. Der Verfasser ist Pastor der reformierten St. Pauls Gedächtniskirche in Reading Pennsylvanien. Er ist Mitglied der liturgischen Kommission der Reformierten Kirche und vertritt seine Kirche außerdem in dem entsprechenden Ausschuß der Weltkonferenz „Faith and Order”. Sein Buch ist mit einem Geleitwort von John R Mott versehen, Ein große Anzahl auch nicht reformierter, namhafter Theologen hat die Herausgabe des Werkes gefördert. Brenner erscheint also keineswegs als ein Außenseiter seiner Kirche. Er ist anerkannter und über die Grenzen seiner Kirche hinaus geachteter Exponent der Reformierten Kirche Amerikas. Sein Wort wird gehört, wenn es um Fragen der gottesdienstlichen Gestaltung geht. Ein um so größeres Gewicht kommt seiner jüngsten Veröffentlichung zu, und wir werden gut daran tun, auch bei uns in Deutschland sein Wort zu hören und weiterzusagen, Vor allem in reformierten Kreisen Deutschlands dürften die Vorschläge Brenners einiges Aufsehen erregen. Wir hoffen, daß sie nicht ohne ernsthaftes Nachdenken bei Seite geschoben werden.

LeerBrenner stellt als großes Ziel vor die Augen des liturgisch Interessierten nicht die Wiederherstellung irgendwelcher Formen der Vergangenheit, sondern die Gewinnung einer Form, nach der die ökumenische Entwicklung unserer Tage ruft. Er gibt der Überzeugung Ausdruck, daß eine ökumenische Liturgie ein ganz wesentlicher Beitrag für die Entwicklung der ökumenischen Zusammenarbeit der Kirchen und für die Erholung aus der kirchlicher Krise der Gegenwart sei.

LeerAm Anfang des Buches steht das Wort des Herrn: „Dies ist mein Leib, der für Euch gegeben ist. Solches tut zu meinem Gedächtnis.” Der Verfasser zeigt dann wie die eucharistische Feier im Mittelpunkt des Gottesdienstes der neutestamentlichen Gemeinde steht, wie sich die Liturgie der Messe folgerichtig daraus formt, und wie erst durch den beklagenswerten Verfall in der mittelalterlichen Kirche und im nachreformatorischen Protestantismus Wortverkündigung und Sakrament auseinanderfallen. Er zeichnet sodann die brennenden Aufgaben einer Erneuerung der Christenheit aus Wort und Sakrament und das Ziel eines lebendigen Bekenntnisses zur einen, allumfassenden Kirche. Heute geht eine liturgische Bewegung durch alle Konfessionen der Welt, und an vielen Einzelheiten wird deutlich, daß die Grundforderungen dieser Bewegung überall die gleichen sind. In Deutschland ist die Meinung weit verbreitet, daß die Reformierte Kirche sich diesen Forderungen gegenüber verschlossen zeige. Aber diese Meinung muß nun wohl gründlich revidiert werden.

LeerDie ökumenische Liturgie, die Brenner in seinem Buche vorschlagt sei hier in einigen Umrissen geschildert: Der Gottesdienst beginnt mit der Vorbereitung, die in der Hauptsache ein Sündenbekenntnis umfaßt. Es wird ausdrücklich vermerkt, daß diese offene Beichte unter keinen Umständen als ein notwendiger Teil der Liturgie zu verstehen ist Dann entfaltet sich in einem ersten Teil die Liturgie der Katechumenen. Sie beginnt mit dem Eingangspsalm (Introitus de tempore), an dessen Stelle ein Lied treten kann. Danach folgen: Kyrie, Ehre sei Gott in der Höhe, das Gebet des Tages, die Epistel des Tages, das Graduale oder ein Psalm oder Lied, die Ankündigung des Evangeliums mit „Ehre sei dir Herr”, das Evangelium des Tages, mit „Lob sei Dir o Christe” das nicaenische Glaubensbekenntnis (das Glaubensbekenntnis kann auch ganz ausfallen), die Predigt und ein Lied.

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LeerDer zweite Teil des Gottesdienstes wird nach altkirchlichem Vorbild Liturgie der Gläubigen genannt. Er beginnt mit dem Opfergang. Es wird zunächst das Geldopfer gesammelt und dargebracht, dann werden Brot und Wein zum Altar gebracht und für die Konsekration zugerüstet. Danach folgt der alte Wechselgesang des Sursum Corda (die Herzen in die Höhe), die Danksagung nach der Zeit, das Sanctus. Nach den Worten der Einsetzung steht die Epiklese (Segnungsgebet) und das eigentliche Opfergebet (Oblation). Danach folgt das große Fürbittengebet, das aber auch an den Anfang des zweiten Teiles gerückt werden kann. Das Gebet des Herrn, das Agnus Dei und der Friedensgruß gehen der Kommunion voraus. Nach der Kommunion folgt ein Dank- und Schlußgebet, das Te Deum oder Nunc Dimittis oder ein Lied und der Segen.

LeerFür das eigentliche eucharistische Gebet sind in einem besonderen Anhang verschiedene Auswahlvorschläge gemacht, die jedoch inhaltlich kaum voneinander abweichen. In jedem dieser verschiedenen Vorschläge, die aus reformierten und anglikanischen Agenden stammen, finden sich neben den Worten der Stiftung Gebete, die das Anliegen der Epiklese und der eigentlichen sakramentalen Darbringung ausdrücken.

LeerDie gesamte Ordnung dieses ökumenischen Gottesdienstes baut sich, wie jede abendländische Meßordnung auf der römisch-katholischen Messe auf, sie vermeidet deren Schriftwidrigkeiten (deren Umfang freilich meist überschätzt wird), vermeidet aber auch die Überängstlichkeit Luthers gegenüber dem in seiner Zeit entarteten Meßopfergedanken. Dem sakramentalen Opfer wird hier durchaus sein biblisch begründetes Recht gelassen.

LeerEs ist interessant zu beobachten, wie dieser reformierte Vorschlag sich in allen Punkten deckt mit dem Vorschlag des vorläufigen liturgischen Ausschusses der Evangelischen Kirche in Deutschland, wie er in dem Amtsblatt 1945 Nr. 21 -22 veröffentlicht worden ist. Die Verfasser dieses Vorschlages wiesen ausdrücklich darauf hin, daß zwischen den Worten der Einsetzung und dem Vaterunser eine empfindliche Lücke in der Ordnung klaffe, für deren Ausfüllung es wohl schon Vorschläge gäbe, ohne daß man sich aber auf einen dieser Vorschläge festlegen wolle. Die Evangelische Michaelsbruderschaft hat diese Lücke geschlossen durch ihre Vorschläge einer Anamnese und einer Epiklese, die nun durch viele Jahre hindurch erprobt und bewährt sind und im Jahre 1946 in einer endgültigen Formulierung vorgelegt worden sind.

LeerEs ist sehr aufschlußreich und erfreulich zu sehen, wie völlig unabhängig davon reformierte Theologen eines anderen Landes zu sehr ähnlichen Ergebnissen gekommen sind. Auch der Vorschlag Brenners sieht ja ausdrücklich verschiedene Gebete zur Schließung jener schmerzlichen Lücke im Hochgebet der Messe vor und zeigt daher, wie man allenthalben im Ringen um die Sache sich dem gleichen Ziele nähert. Wenn in der Kritik an unserer „Ordnung der Deutschen Messe” immer wieder mit Nachdruck auf die Gefährlichkeit des Opfergedankens und einer besonderen Konsekration der Elemente hingewiesen wird, so dürfte es interessieren, einmal Wendungen zu vergleichen, die in den entsprechenden Gebeten des reformierten Vorschlages einer ökumenischen Liturgie stehen:

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Leer„Allmächtiger Gott, himmlischer Vater, wir bitten Dich, sende Deinen heiligen Geist herab auf uns und auf diese Elemente, die wir Dir jetzt darbringen (offer), und segne und heilige sie, so daß wir, Deine Diener, durch den heiligen Leib und das teure Blut Deines Christus gespeist werden zum ewigen Leben. Und wie Du Deinen einzigen Sohn als ein völliges und allgenugsames Opfer für die Sünden der ganzen Welt gegeben hast, so bringen wir hier uns selbst mit Leib und Seele dar als ein lebendiges, heiliges und wohlgefälliges Opfer, welches unser vernünftiger Gottesdienst ist” (a. a. O. S. 172).

Leer„Wir bitten Dich, barmherziger Vater, sende Deinen heiligen Geist auf uns und auf diese Elemente des Brotes und Weines, damit das Brot, das wir brechen, uns zur Gemeinschaft des Leibes Christi werde, und der gesegnete Kelch, den wir segnen, zur Gemeinschaft des Blutes Christi. Und laß Dir wohlgefallen, barmherzigster Vater, jetzt dieses Gedächtnis (memorial) des heiligen Opfers Deines Sohnes, das wir Dir hiermit darbringen (offer), gnädig anzunehmen, zusammen mit dem Opfer unseres Lobes und Dankes, in dem wir uns selbst mit Leib und Seele, Eigentum und Leben zu Deinem Dienst und Lob heiligen” (a. a. O. S. 165).

LeerAuch in jedem der drei weiteren von Brenner vorgeschlagenen Kanongebete findet sich das „offerimus” der römischen Messe, mit den Worten „we offer”, d. b. wir bringen dar, wir opfern. Dargebracht wird mit dem „Gedächtnis” das allgenugsame Opfer Christi, dargebracht werden die Gaden des Brotes und Weines, dargebracht wird (nach Röm. 12. 1), das eigene Leben.

LeerOb die hier von reformierter Seite vorgeschlagenen Gebete „evangelischer” sind als die entsprechenden Gebete unserer Deutschen Messe, bedürfte einer eingebenden Prüfung, die kaum zu unseren Ungunsten ausfallen würde. Jedenfalls sehen wir hier erneut, daß wir mit vielen Brüdern aus anderen Konfessionen und Ländern auf einem Wege sind, der nicht zurück, sondern vorwärts führt. Wir sind unterwegs zu der einen, heiligen Kirche, deren Glieder wir durch die heilige Taufe sind und die unser aller Heimat ist. Wir beten, daß Gott uns seinen heiligen Geist sende zur Erneuerung und zur Wandlung, daß er uns durch sein heiliges Sakrament auf dem Wege stärke. Wir wissen und sehen es alle Tage deutlicher, daß er unsere Gebete erhört und seine Gemeinde von den Enden der Erde zusammenfuhrt zu seinem Reiche. Wir wissen, daß die große Wandlung, die sich im gottesdienstlichen Leben der Christenheit vollzieht, keineswegs eine Sache liturgischer Fachleute ist, sondern eine geistgewirkte Bewegung, die die Gemeinde des Herrn neu hineinnimmt in eine lebendige Hinwendung zum Mysterium Seiner Gegenwart.

Evangelische Jahresbriefe 1948, S. 33-35

© Joachim Januschek
Letzte Änderung: 13-05-02
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