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Vom Ordenshaus Assenheim
von Horst Schumann

LeerDie Evangelische Michaelsbruderschaft konnte im Jahre 1946 zum ersten Mal ihr Michaelsfest in ihrem Ordenshause Assenheim bei Friedberg/Hessen feiern. Alle Konvente der Bruderschaft einschließlich der Schweiz waren durch Delegierte vertreten. Das wichtigste Ereignis der ganz besonders reichen und fruchtbaren Tagung war die Übergabe der Leitung in andere Hände. Der bisherige Älteste, der Bischof von Oldenburg D. Dr. Wilhelm Stählin, hatte seit langem darum gebeten, sein Leiteramt niederlegen zu dürfen, weil ihn sein Bischofsamt ganz fordert und ihm keine Zeit und Kraft für ein anderes führendes Amt daneben läßt. Die Bruderschaft wählte zu seinem Nachfolger den Leiter des St. Anschar-Diakonissenhauses in Hamburg, Pastor Erwin Schmidt. Dieser wurde im Verlauf des Festes durch Bischof Stählin feierlich in sein Amt eingewiesen. Den eigentlichen Festtagen gingen theologische Arbeitstage voraus, die sich mit den gegenwärtigen Fragen um das Altarsakrament und den Fragen des Katechetenamtes befaßten.

LeerAußer den Arbeitstagen und -wochen der Bruderschaft fanden aber auch zahlreiche wichtige Veranstaltungen gesamtkirchlicher Art im Ordenshause statt, so eine große Leiterinnentagung der Evangelischen Frauenhilfe für Kurhessen und Waldeck, eine Tagung des Evangelischen Mädchenwerkes, ferner zahlreiche Veranstaltungen, die sich mit der unmittelbaren leiblichen Not in unserm Volke, insbesondere der Flüchtlingsnot, befaßten, darunter eine Gesamttagung des Evangelischen Hilfwerkes aller Zonen unter der Leitung von Dr. Gerstenmaier, eine große Tagung der Bahnhofsmission - ebenfalls aus allen Zonen beschickt - dazu mehrere Erholungsfreizeiten für Flüchtlingsmütter und andere dringend erholungsbedürftige Menschen aller Konfessionen, Auf den Tagungen waren Vertreter Amerikas, Frankreichs, Englands und der Schweiz im Ordenshause zu Gast, so daß der Durchbruch der kirchlichen Arbeit aus der Enge in die ökumenische Weite immer wieder deutlich wurde.

LeerAls stetiges Element hat das Hilfswerk ein Altersheim im Hause errichtet. Dazu etwa die Hälfte des Jahres veranstaltet es seine Erholungskuren. In der übrigen Zeit hat die Evangelische Michaelsbruderschaft im Jahre 1947 erstmals nach dem Kriege die bisher verbotenen eigenen Geistlichen Wochen gehalten. Dazu einige Singwochen und die liturgische Begehung der Karwoche und des Osterfestes. Das Ziel der geistlichen Wochen ist - mit einem Worte gesagt - daß Menschen eine Woche lang „mit der Kirche leben” können. Wichtiger als der Leiter und seine Vorträge erscheint uns seht das Eintauchen in den Kult, die tägliche Feier des Sakramentes und des Stundengebetes.

LeerDaneben stehen Bibelarbeit, Vorträge und Aussprachen zur Klärung der Zeitfragen, die dem Christen auf der Seele brennen, und die Entspannung und Erholung im tieferen Sinne durch Schweigezeiten, Meditationen und Singen. Spaziergänge im Park und Schwimmen in der Nidda helfen zu leiblicher Erquickung, eine Wanderung nach dem benachbarten Ilbenstadt mit seiner schönen romanischen Basilika vereinigte jedesmal leibliche Erholung und gute Einzelgespräche auf dem Wege mit der Anschauung erlesenen Kunstgutes als gestaltgewordenen Zeugnisses der Frömmigkeitsgeschichte. Besonders eindrücklich war die nun schon zweimal erfolgte Begehung der Karwoche mit ihrer überaus reichen Liturgie, mit der Feier des Palmsonntages beginnend und hinführend zum Höhepunkt der Osternachtfeier und des festlichen Gottesdienstes am Ostersonntag.

LeerTeilnehmer unserer Wochen waren Menschen aller Schichten und aus allen Bereichen unseres Vaterlandes - vereinzelt auch aus der Ostzone. Alte Berneuchener und ganz neu hinzukommende Menschen, die nach echtem Kult und lebendiger Kirche fragten, hielten sich dabei zahlenmäßig die Waage; am Anfang eine bunt zusammengewürfelte Schar einander Fremder, am Schlusse zusammengeschlossen zu einer Gemeinschaft, vor allem durch die tägliche Feier des Sakramentes und den Rhythmus des Gebetes der Kirche. Die Anmeldungen überstiegen im vorigen Jahre bereits bei weitem die Zahl der Plätze; es mußten mehr als 120 Absagen gegeben werden, und es war deutlich, wie groß das Bedürfnis nach einer solchen Stätte der Einkehr gerade bei den heutigen beschwerten Menschen und besonders den Heimatlosen unter ihnen ist: Sie brauchen und suchen wahre Erholung im kirchlichen Raume, sie suchen die Heimat am Altare und verlangen danach, neue Kräfte zu finden für die schweren Aufgaben des Alltags. So ist hier nicht eine stille Insel der Seligen, auf die man fliehen kann, um zu vergessen, wohl aber eine Stätte des Friedens, die als Kraftquelle dienen soll für den heutigen deutschen Menschen mit seiner Not und seinem Kampf.

Evangelische Jahresbriefe 1948, S. 95-96

© Joachim Januschek
Letzte Änderung: 13-05-02
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