Symbol   Quatember

Startseite
Inhalt
Inhalt 1948
Jahrgänge
Autoren
Suchen

Dreifacher Engelsdienst
von Wilhelm Thomas

LeerAls der Schöpfer dem Menschen, den Auftrag gab: Füllet die Erde und machet sie euch untertan! - da stellte er ihn hinein in das lust- und leiderfüllte Gegeneinander, Miteinander und Füreinander seiner Geschöpfe und gab ihm zugleich Anteil an seiner eigenen Herrscherwürde. Als aber der Erlöser sprach: Ihr sollt vollkommen sein, gleichwie euer Vater im Himmel vollkommen ist! - da gab er den Seinen den neuen Adel einer Teilnahme an den himmlischen Geschäften der vor dem Fall bewahrt gebliebenen heiligen Engel.

LeerDer Engel Dienst ist ewige Anbetung vor Gottes Thron, ist Lobgesang, ist Feier der göttlichen Liturgie. Die Jünger Christi, wenn sie des Herrn Mahl feiern, dürfen einstimmen in das himmlische Dreimalheilig. Aber sie sind zugleich berufen zu dem dreifachen Dienst himmlischer Diakonie, dessen Urbilder vor ihnen stehen in dem Dienst der himmlischen Erzengel Michael, Raphael und Gabriel. Im Leben der Engel ist in jedem Augenblick beides verwirklicht: ganze Hingabe an Gott in Huldigung und Lobgesang, und volle Hingabe an die, die „ererben sollen die Seligkeit” (Hebr. 1), in hilfreichem diakonischem Wirken. Im Leben der Christen tritt's auseinander: Stunden des Gebets und Stunden brüderlichen Dienstes müssen sich ablösen - jeder Gottesdienst braucht seine Zeit, sowohl der Gottesdienst der stillen Hände, des Bittens und Lobens und Dankens, als auch der Gottesdienst der tätigen Hände, des Helfens und Förderns in allen Leibes- und Seelennöten. Bei Engeln aber und Menschen gibt es ein Werk, in dem Liturgie und Diakonie in eins gehen: das gesegnete Werk der Fürbitte für die Menschen-Brüder.

LeerSt. Michael, Raphael und Gabriel also verkörpern drei Arten des Dienstes an Menschenbrüdern, denen drei Arten der Diakonie auf Erden entsprechen.

LeerSt. Michael ist das Urbild wehrhaften Nothelferdienstes, unerbittlichen, wachen Widerstandes gegen alle Mächte des Bösen, demütiger Bereitschaft zur Verteidigung der Unschuld auf Erden. Ob die Menschen tausendmal den Geist der Wehrhaftigkeit, der Tapferkeit, des opferbereiten Einsatzes schänden in unheiligem, selbstsüchtigem Morden und Kriegen: Michael steht vor uns allen mit der demütig-heiligen Frage, wer wohl Gottes Würde antasten und sich falsche Würde erschleichen und die heilige Zucht des Gehorsams gegen Gott verletzen wollte: „Wer ist wie Gott? Mi-cha-el?” Heiliger Glanz geht aus von seinen Waffen und den Waffen seiner heiligen Streiter. Der Widersacher muß ihm weichen und seine Stätte „ward nicht mehr gefunden im Himmel” (Offb. 12).

Linie

LeerMichaelische Diakonie ist brüderlicher Dienst an der Front der Versuchung, der Bosheit und der Gewalt. Michaelische Diakonie ist der Kampf um Lehre und Ordnung der Kirche gegen Irrlehre und mißbrauchte Staatsgewalt, ist der Kampf gegen Sklaverei und Menschenhandel, aber auch der Kampf gegen den Strohtod kirchlicher Apathie und Lethargie. Die Kirche Christi braucht zu allen Zeiten solche michaelische Diakone, und alle Blutzeugen Christi sind in ihren Reihen. Ob dieser Kampf in großer Öffentlichkeit geführt wird oder im Verborgenen - aller heilige Kampf der Christenheit steht unter dem Banner St. Michaels.

LeerUnscheinbar ist gegen Michael St. Raphaels Dienst an den Menschen-Brüdern. Unerkannt kommt Raphael in des Tobias Haus, unerkannt wird er zum Gefährten des jungen Wanderers und zugleich zum Helfer des alten Mannes in der Not der Blindheit. Betreuen, Pflegen, Heilen, das ist sein gelinder, tröstlicher Dienst. In seinem Gefolge steht die Fülle christlicher Liebesdienste aller Jahrhunderte: Fürsorge, die gefährdete Kindheit und Jugend an der Hand nimmt und leitet, Fürsorge, die gebrechliches Alter und Siechtum hütet und pflegt, Fürsorge, die Wunden verbindet und Krankheiten heilt. Fröhliches Wachstum und Gedeihen dankt der milden Hand raphaelischer Diakonie, Wachstum für dieses und jenes Leben.

LeerWortlos gleichsam vollbringen St. Michael und Raphael ihr Werk unter den Menschen - wenn man denkt an St. Gabriel, den Boten des göttlichen Worts. Vorbote des fleischwerdenden Worts ist Gabriel zur Rechten des Altars vor Zacharias, im Kämmerlein bei Maria, der Jungfrau. Heiliges Erschrecken geht vor ihm her, menschliches Verstummen kann ihm antworten, aber auch gläubiges Ja und Amen. Höchste Würde des Menschen- Worts: Engelbotschaft, Evangelium. Gabrielische Diakonie übt die Mutter im Kreise der Kinder, der Unterweisende im Kreise der Hörer, der Missionar vor Ungetauften und Fremdgewordenen, der Seelsorger vor dem Beichtkind, der Prediger von der Kanzel herab. Gabrielische Diakonie mischt sich in den liturgischen Dienst singender Chöre, ja in den wortlosen Schall der Glocken, der Orgel. Und wie auf alten Bildern Spruchbänder das Wort der Engel in die Welt tragen, so dürfen Schrift und Buchdruck zu aller Zeit Gottes Wort weitergeben über Raum und Zeit.

LeerGesprochenes und gesungenes Wort, heilende und helfende Hand, kämpfender Geist und wehrhaft Gemüt - sie alle üben Diakonie, Engelsdienst in der Kirche Christi. Größeren Dienst kann die Kirche nicht tun, als daß sie steht in der Engel Werk. Hier schätzt man gabrielische Wortgewalt, dort raphaelische Milde und Stille, dort michaelische Härte und Kraft. Aber keines darf fehlen, wenn die Kirche Christi ihr Werk will ganz tun. Nichts darf Raum finden in ihren Mauern, das nicht Engelsdienst wäre, in aller Schwachheit, und in der Demut, die die Engel selber uns lehren.

Evangelische Jahresbriefe 1948, S. 137-138

© Joachim Januschek
Letzte Änderung: 13-05-02
Haftungsausschluss
TOP