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Rückblick auf das „Heilige Jahr”
von Walter Uhsadel

LeerIm Rückblick auf das „Heilige Jahr” sind evangelische Christen, denen es um die Einheit der Christenheit ernstlich zu tun ist, in einiger Verlegenheit. .Einer der schwierigsten Punkte ist die Verkündigung des Dogmas der Himmelfahrt Mariä. In diesem Falle hat der Papst zum ersten Male auf Grund des Unfehlbarkeitsdogmas (1870) gesprochen, das seinem Wort Unfehlbarkeit zuerkennt, sofern er ausdrücklich „ex cathedra”, aus der Vollmacht seines Amtes spricht. Das „Deutsche Pfarrerblatt” schreibt dazu: „. . . Seit dem Vatikanischen Konzil sind gerade achtzig Jahre vergangen und der Papst hat nicht ein einziges Mal ex cathedra gesprochen, weil ihm eine offene Anwendung der Infallibilitätslehre, gegen die in katholischen Kreisen angeblich immer noch gewisse Abneigung herrscht, nicht opportun schien. Angesichts des Erfolges des Heiligen Jahres glaubte Pius XII. mit dieser Zurückhaltung brechen zu können und seine Unfehlbarkeit zu dokumentieren, und abermals ist (wie schon bei der Verkündigung des Dogmas der Unbefleckten Empfängnis Maria am 3. Dezember 1854) die Gottesmutter Maria gewählt worden; es soll das Dogma verkündet werden, daß sie körperlich und seelisch in den Himmel erhoben worden ist. Ein Widerspruch ist natürlich ausgeschlossen, vielmehr kann der Papst damit rechnen, daß er sich die Sympathien der gesamten katholischen Kirche erwerben wird. Wenn auch dogmatisch unausgesprochen, so war ja nach dem Glauben der katholischen Christen die heilige Jungfrau von Anfang an gen Himmel gefahren, und seit Sixtus III. (432 bis 440), der die Kirche Santa Maria Maggiore ausbaute, ist ihr am 15. August das Fest ihrer Himmelfahrt geweiht, das damals auf das große, von Kaiser Augustus eingeführte Ferragosto-Fest verlegt wurde. Bei der Verkündigung des neuen Dogmas handelt es sich um die Dogmatisierung einer nach dem Glauben der katholischen Kirche seit endlosen Zeiten feststehenden Tatsache; deshalb wurde die Ankündigung des Dogmas ausgerechnet auf den Vorabend des Tages der Himmelfahrt Mariä kundgegeben” (Nr. 17 von 1. Sept. 1950). - Wollen wir trotz alles Befremdlichen einen Sinn in diesem Vorgange finden, so könnten wir uns erinnern, daß Maria auch für evangelische Christen zum Sinnbilde der „Mutter Kirche” werden kann, von der Luther mit Wärme sprach. So würde also das neue Dogma etwas besagen, was auch uns in der gegenwärtigen Zeitlage wichtig geworden ist: daß nämlich die Kirche, die den Sohn „zur Welt bringt”, indem sie Christus verkündigt, im Dritten Artikel Gegenstand des Glaubens ist, mit dem Heiligen Geiste in einem Atem genannt. Aber bedarf es jenes seltsamen Verfahrens, um das herauszustellen? Und wird der Zweck erreicht oder nicht vielmehr verdunkelt? Was uns wichtig geworden ist, daß nämlich die Kirche nicht als menschliche Organisation verstanden werden kann (obwohl sie auch das ist), wird durch diesen Dogmatisierungsprozeß keineswegs überzeugender vor der Welt verkündet.

Evangelische Jahresbriefe 1951, S. 38-39

© Joachim Januschek
Letzte Änderung: 15-11-23
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